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topplus Urteil sorgt für Streit

Lehnt der Landhandel Getreide und Kartoffeln ohne Nachbaunachweis künftig ab?

Bisher prüfen Aufkäufer von Getreide und Kartoffeln in der Regel nicht, ob beim Anbau Z-Saatgut verwendet bzw. Nachbaugebühr gezahlt wurde. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes stellt das in Frage.

Lesezeit: 4 Minuten

Muss der Landhandel beim Ankauf von Getreide, Kartoffeln und Leguminosen künftig prüfen, ob die Landwirte die Nachbaugebühr für das verwendete Saatgut entrichtet oder Z-Saatgut verwendet haben? Diese Frage sorgt bei Züchtern, Landhandel und Landwirten derzeit für Diskussionen.

Worum geht es?

Auslöser ist die sogen. „Erntegut-Entscheidung“ des Bundesgerichtshofes (BGH) vom November 2023 (Az.: X ZR 70/22). Im verhandelten Fall geht es um mehrere Landwirte, die im Schwarzverkauf untereinander Saatgut gehandelt hatten, das weder anerkannt noch lizensiert war.

Das flog bei einer Betriebsprüfung auf, die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) forderte Schadenersatz und Unterlassung von den Landwirten. Zusätzlich verklagte die STV den Landhändler auf Unterlassung. Der Vorwurf war: Der Landhändler habe beim Kauf des Erntegutes nicht sichergestellt, dass die Erzeugung des Erntegutes legal, also ohne Verstöße gegen das Sortenschutzrecht erfolgt sei.

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte letztendlich die Rechtsprechung der beiden ersten Instanzen: Ein Händler von Erntegut geschützter Sorten muss im Rahmen einer im Urteil nicht näher bestimmten „Erkundigungspflicht“ sicherstellen, dass dieses unter Einhaltung der sortenschutzrechtlichen Vorschriften erzeugt wurde. Der Händler wurde zur Unterlassung verurteilt. 

Welche Auswirkungen hat das Urteil auf den Handel?

Die Frage ist nun, was das Urteil für Landhändler und Landwirte in der Praxis bedeutet. Die STV hat offenbar bereits die Landhändler über das vorbezeichnete Urteil in Kenntnis gesetzt und daran bestimmte Handlungshinweise geknüpft, die für erhebliche Verunsicherungen sorgen. Für Rechtsanwalt Jens Beismann aus Hannover, der sich bereits viel mit dem Sortenschutzrecht, insebesondere dem Nachbaurecht befasst hat, in das Verfahren aber nicht eingebunden war, steht jetzt im Mittelpunkt, dass künftig mit Augenmaß vorgegangen wird.

Zwar gehe aus dem Urteil hervor, dass sich ein Landhändler nicht darauf zurückziehen könne, dass er von einer etwaigen Sortenschutzverletzung keine Kenntnis habe, wenn er seiner „Erkundigungspflicht“ nicht nachgekommen sei. Eine Erkundigungspflicht sei aber weder eine Investigations- noch eine Nachforschungspflicht.

„Daher sollte es ausreichend sein, wenn sich der Landhändler bei seinen Lieferanten durch Nachfrage vergewissert, dass der Sortenschutz im Rahmen der Erzeugung des Erntegutes bei Anbau einer geschützten Sorte eingehalten wurde,“ erklärt Rechtsanwalt Jens Beismann. Wie genau diese Erkundigungspflicht umzusetzen sei, habe der BGH aber nicht festgelegt.

Keine Rechtsgrundlage für Vertragsstrafen

Aus Sicht des Anwalts dürfte der Auskunftspflicht genüge getan sein, wenn die Landwirte ihrem Händler gegenenfalls schriftlich bestätigen, dass das Erntegut unter Einhaltung des Sortenschutzes für das Saatgut erzeugt wurde. Er warnt dringt davor, dass Urteil als Anlass zu nehmen, jetzt überbordende Nachweispflichten für die Landwirtschaft zu etablieren. Für das Vorgehen einiger Landhändler, die Zusicherung der Einhaltung des Sortenschutzes mit einer Vertragsstrafe zu kombinieren, sieht Rechtsanwalt Beismann keine Rechtsgrundlage.

Die IG-Nachbau ist dem über das Ziel hinausschießenden Vorgehen der Landhändler vor dem Hintergund des Urteils im Rahmen einer Presseerklärung durch deren Geschäftsführer Georg Janßen bereits entschieden entgegengetreten.

Wie die Erkundigungspflicht umzusetzen ist, hat der BGH nicht festgelegt!

Das betrifft auch die Vorschläge, jetzt ein vollständiges Erfassungssystem von Z-Saatgutkäufen und anderen Anbaudaten zu etablieren. „Das ist angesichts der Rechtsprechung deutlich überzogen und sorgt für unnötige Bürokratie auf Seiten der Landwirte und Landhändler,“ sagt Rechtsanwalt Jens Beismann.

Wichtig für die Landwirte sei außerdem, dass die Verwendung von Sorten, für die kein Sortenschutz mehr besteht, Populations- oder Erhaltungssorten sowie Sorten von Züchtern, die keine Nachbaugebühren fordern, keine Einschränkungen aufgebaut werden. In vielen Fällen würden hingegen Landhändler auf Empfehlung der Dachverbände schriftliche Zusicherungen verlangen, es wäre entweder Z-Saatgut oder zulässiger Nachbau unter Leistung der Nachbaugebühr (mit Ausnahme des Kleinlandwirts) verwendet worden, die somit den vorbezeichneten sortenschutzrechtlich unbedenklichen Anbau ausschlössen. Diese dürfte aber einen Verstoß gegen den freien Markt zu Lasten der Landwirte bedeuten.      

Wie ist Ihre Meinung?

Das Urteil legt dem Landhandel eine Erkundigungspflicht auf - daran ist nicht zu rütteln. Doch wie finden Sie die Vorschläge der stv, jetzt ein vollständiges Erfassungssystem von Z-Saatgutkäufen und anderen Anbaudaten zu etablieren? Glauben Sie, dass viele Landwirte ihr Verhalten ändern und sich ab sofort an die Nachbaubedingungen halten, weil sie befürchten, dass der Handel die Ernte nicht aufnimmt und die Vermarktung der Ernte damit gefährdet ist? Schreiben Sie Ihre Gedanken gern an harms@topagrar.com. Die interessantesten Leserbriefe veröffentlichen wir immer freitags. Wir behalten uns vor, besonders interessante Zuschriften redigiert zu veröffentlichen.

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