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Kleinanlagen: Erst rechnen, dann kaufen

Lesezeit: 7 Minuten

Die Vielzahl an neuen Anlagentypen der 75 kW-Klasse nimmt deutlich zu. Wir geben Ihnen einen Überblick zu Förderung, Technik und Wirtschaftlichkeit.


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Auf dem Hof von Simon Böhm geben die 60 Fleckviehkühe seit jeher den Ton an. „Das soll auch mit der Biogasanlage so bleiben“, betont der Landwirt aus Hermannsbrunn in der Oberpfalz (Bayern). Aus diesem Grund hat er sich – anders als andere Berufskollegen in der Region – für eine Hofbiogasanlage mit 75 kW Leistung entschieden. Die Anlage mit zwei Fermentern mit 100 bzw. 150 m3 ist in zwei Containern untergebracht, die innerhalb von zwei Wochen auf dem Hof installiert waren.


Hauptgrund für die Investition war, dass Böhm eine Alternative zur Beheizung des Wohnhauses gesucht hat. Da er genügend eigenen Wald besitzt, hätte dieses auch eine Hackschnitzelheizung sein können. „Aber bei steigender Nachfrage kann man das Restholz künftig gut vermarkten. Die Wärme liefert mir dagegen jetzt die Biogasanlage“, erklärt er. Im Sommer nutzt er überschüssige Wärme, um die Hackschnitzel zu trocknen.


Böhm vergärt die komplette Gülle von 130 Großvieheinheiten. Außerdem ergänzt er die Ration mit Mais von 10 ha sowie überschüssigem Gras. „Mir war wichtig, dass die Biogasanlage gut in den Arbeitsablauf passt und ich nur Substrate vom eigenen Betrieb und von Nachbarn verwerte“, macht er deutlich.


EEG fördert Hofanlagen:

Die Zahl der Hofbiogasanlagen wie die von Simon Böhm könnte sich in diesem Jahr deutlich erhöhen. Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verspricht An­lagenbetreibern eine Vergütung von 25 Cent je Kilowattstunde (kWh), also bis zu 150 000 € Strom­erlös pro Jahr. Bedingung ist, dass die Anlage auf dem Hof steht, im Laufe des Jahres mit mindestens 80 % Wirtschaftsdünger betrieben wird und eine Leistung von 75 kW (elektrisch) nicht überschreitet.


Doch was sich so einfach anhört, ist längst keine Lizenz zum Gelddrucken. Eine wirtschaftliche Hofbiogasanlage ist an zahlreiche Erfolgsfaktoren geknüpft:


  • Ausreichend Inputstoffe,
  • optimales Wärme-Management,
  • geringe Kosten.


1. Der nötige Input:

Derzeit werden Anlagen ab 18 kW Leistung angeboten. Hierfür sind mindestens 160 Großvieheinheiten nötig – sofern die Anlage nur mit Gülle betrieben werden soll.


Der Gesetzgeber unterscheidet jedoch zwei verschiedene Konzepte: Die reine Güllevergärung sowie die „80/20-Lösung“.


Bei der reinen Güllevergärung wird laut EEG nur flüssige Gülle bis zu einem Trockensubstanzgehalt von 15 % anerkannt. „Es ist nur ein geringfügiger Anteil von Einstreu oder Futterresten nach der guten fachlichen Praxis erlaubt“, erklärt Rechtsanwältin Susanne Lindenberger von der Kanzlei Paluka & Partner aus Regensburg. Dementsprechend darf kein Festmist – egal von welcher Tierart – eingebracht werden.


Anders sieht es bei der 80/20-Lösung aus: Hier werden sowohl Rinder- und Schweinegülle als auch Festmist von Rindern, Schweinen, Pferden, Schafen oder Ziegen auf den Gülleanteil angerechnet. Ausgeschlossen sind nur alle Arten von Geflügelkot. Die restlichen 20 % darf er mit Energiepflanzen, Geflügelkot oder Bioabfällen auffüllen. „Wichtig ist aber, dass eine Genehmigung für diese Stoffe vorliegt. Die Zulässigkeit nach dem EEG reicht dafür nicht aus“, macht Lindenberger aufmerksam.


Genauso ist eine Genehmigung vom Veterinäramt für die Güllevergärung nötig. „Das gilt besonders, wenn in einem Tierhaltungsbetrieb Gülle von fremden Tieren eingesetzt werden soll“, ergänzt David Wilken vom Fachverband Biogas.


Wer neben Gülle andere Substrate einsetzt, muss allerdings ein neues Gärrestlager gasdicht abdecken und 150 Tage Verweilzeit im gasdichten System einhalten. „Es gibt noch eine gewisse Rechtsunsicherheit, ob auch vorhandene Güllebehälter abgedeckt werden müssen, die als Gärrestlager umfunktioniert werden“, erklärt Lindenberger. Auf jeden Fall rät sie dazu, diese Punkte mit dem zuständigen Netzbetreiber abzuklären.


Das macht deutlich:


  • Die reine Güllevergärung ist in Bezug auf Investitionskosten günstiger, da man die 150 Tage Verweilzeit nicht einhalten muss, keine Einbringtechnik für Feststoffe benötigt und auch weniger aufwändige Rührwerke braucht.
  • Die 80/20-Lösung dagegen ist zwar teurer in Anschaffung und Betrieb, lässt aber Hofbiogasanlagen auch in Betrieben mit kleineren Tierbeständen unter 100 Großvieheinheiten zu.


2. Die Wärmeverwertung:

Ein Unsicherheitsfaktor bei Hofbiogasanlagen ist die Wärmemenge, die im Winter zum Beheizen von Wohnhaus und Stall zur Verfügung steht. „30 % der Wärme sind zum Aufheizen von Gülle und Maissilage auf 37 °C Gärtemperatur nötig“, rechnet Robert Wagner vor. Der Biogasexperte des Beratungsnetzwerks CARMEN aus Straubing (Bayern) hat für die Abschätzung eine Anlage mit Rundbehälter herangezogen, die zu 80 % mit Gülle und zu 20 % mit Mais versorgt wird. Den größten Wärmebedarf verursachen die Abstrahlverluste vor allem durch das Foliendach, aber auch durch die Wände.


Mit einem isolierten Betondeckel lassen sich die Wärmeverluste mindestens um die Hälfte reduzieren.


Weitere Maßnahmen für geringere Wärmeverluste:


  • Wärmerückgewinnung aus dem Gärrestlager,
  • Einsatz von energiereichen Substraten, wie z. B. Zuckerrüben, führt zu geringerer Verweildauer und damit zu kleineren Behältern.


„Im Winter kann man den Gülleanteil reduzieren und mehr Energiepflanzen einsetzen“, berichtet Edgar Geitner, Energieberater beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Neumarkt (Oberpfalz). Da der Gülleanteil von 80 % erst im Laufe eines Jahres eingehalten werden muss, kann der Betreiber den Gülleverbrauch an Tagen mit wärmeren Außentemperaturen erhöhen und die fehlende Menge aus dem Winter ausgleichen.


3. Kosten reduzieren:

„Je kleiner die Anlagen, desto schneller kann sich die Wirtschaftlichkeit ändern“, weiß Melanie Arndt, ebenfalls Energieberaterin bei CARMEN. Arndt hat zwei Anlagen mit jeweils 30 kW miteinander verglichen: Eine reine Gülleanlage sowie eine „80/20-Anlage“, die 20 % nachwachsende Rohstoffe („Nawaro“) einsetzt.


Die Anlagen unterscheiden sich vor allem in den Investitionskosten (Übersicht 1), da eine Nawaro-Anlage einen Feststoffdosierer sowie ein abgedecktes Gärrestlager zum Einhalten der 150 Tage Verweilzeit benötigt. Während die Gülleanlage rund 7 000 € je kW kostet, kann man eine gleich große Nawaro-Anlage mit 8 800 € je kW ansetzen.


Entsprechend höher sind mit über 23 000 € pro Jahr aber auch die Sub­stratkosten bei der Nawaro-Anlage. Ergebnis: Die Gülleanlage würde in diesem überschlägigen Beispiel ein Plus von 14 000 € einfahren, die Nawaro-Anlage dagegen über 4 000 € Verlust machen.


Wie schnell leichte Änderungen das Pendel in eine andere Richtung ausschlagen lassen, zeigt der Vergleich von zwei Wirtschaftlichkeitsberechnungen in Übersicht 2. In der linken Spalte hat Melanie Arndt eine Nawaro-Anlage mit 75 kW eher konservativ betrachtet. Daneben ist die euphorische Berechnung eines Anlagenherstellers zu finden. Beide haben eine ähnliche Basis für die Anlagen gewählt: Rund 550 000 € für die Investition sowie 80 % Gülle und 20 % Energiepflanzen, die 35 €/t kosten sollen. Trotzdem kommt bei der Firmenkalkulation am Ende ein um rund 50 000 € besseres Ergebnis heraus.


Der Grund ist schnell zu finden: Die Kapitalkosten sind niedriger, weil hier 20 % Eigenkapital angesetzt sind. Auch hat Arndt 1 €/t für die Gülle angesetzt, während der Firmenvertreter die Gülle ohne Kosten kalkuliert. Genauso hat er weniger Betriebskosten, dafür aber einen höheren Wärmeerlös eingerechnet.


Das Beispiel zeigt, wie schnell sich eine Hofbiogasanlage „schön“ rechnen lässt. „Insgesamt ist der Gewinnspielraum eng. Daher ist eine sorgfältige Planung wichtig“, rät Arndt. Jeder zukünftige Betreiber muss sich daher die Fragen stellen:


  • Welche Investitionen sind in der Kalkulation des Herstellers eingerechnet? Viele lassen z. B. bei Nawaro-Anlagen die Investition in ein Fahrsilo oder die Abdeckung des Gärrestlagers weg. Hier sollte man die Kosten für den eigenen Betrieb genau ermitteln.
  • Zu welchen Preisen habe ich für die nächsten 20 Jahre Gülle und eventuell andere Substrate zur Verfügung?
  • Wie viel Wärme kann ich auskoppeln und damit fossile Brennstoffe ersetzen?


Erst wenn diese Fragen zufriedenstellend beantwortet werden können, sollte man in die Planung einer Hofbiogasanlage einsteigen. Hinrich Neumann

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