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Sicherheit: Was der Prüfer sehen will

Lesezeit: 9 Minuten

Jede Biogasanlage braucht eine Abnahme nach der Betriebssicherheitsverordnung. top agrar hat einen Prüfer bei der Arbeit begleitet. Er erklärt, wann eine Anlage wirklich sicher ist und wo es häufig Mängel gibt.


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Es ist 10.30 Uhr. Berater Anton Baumann bringt seinen Kastenwagen neben der Biogasanlage zum stehen. Der Pkw ist auch vollgestopft mit Geräten aller Art, die zum Messen und Prüfen der Sicherheit auf Biogasanlagen notwendig sind. Denn Baumann ist Sachverständiger und „befähigte Person“ nach der Technischen Regel für Betriebssicherheit (TRBS). Damit darf er eine Anlage nach der Betriebssicherheits-Verordnung prüfen.


Diese Prüfung muss jeder Anlagenbetreiber alle drei Jahre über sich ergehen lassen – auch, wenn das nicht explizit in der Bau- oder BImSch-Genehmigung gefordert ist. „Das ist quasi ein Anlagen-TÜV“, berichtet der Berater. Bei der Prüfung geht es hauptsächlich um den Explosions- und Brandschutz.


Heute hat es den Biogasexperten aus dem Allgäu nach Schleswig-Holstein geführt. Betreiber Johannsen (Name geändert) hat die Anlage vor 14 Tagen hochgefahren. Deutlich ist das Brummen des Blockheizkraftwerkes zu hören. „Die Prüfung sollte rein vorschriftsmäßig vor der Inbetriebnahme erfolgen. Aber das ist bei Biogasanlagen nicht immer sinnvoll und machbar, denn wo noch kein Gas strömt, kann man auch keine Leckagen feststellen“, erläutert der Berater.


Zusammen mit dem Landwirt und einem Vertreter der Herstellerfirma startet er seinen Rundgang außen am Fermenter. „Hier fehlt das Schild ‚Zutritt für Unbefugte verboten’“, stellt er sofort fest. Diese Warnschilder an der Grundstücksgrenze sind aus Haftungsgründen für den Betreiber sehr wichtig.


Frostsichere Drucksicherung:

„Sehr gut“, urteilt er dagegen mit Blick auf die Über- und Unterdrucksicherung. Denn sie ist frostsicher in den Beton eingelassen. Ihre unisolierte Rückwand wird direkt über die Behälterwand erwärmt. Außerdem wird sie vom warmen Biogas durchströmt. „Der Frostschutz ist bei vielen Sicherungen, die außerhalb des Behälters angebracht sind, ein großes Manko“, weiß er von mehreren Schadensfällen.


Denn wenn die Sperrflüssigkeit in der Überdrucksicherung einfriert, kann bei Überdruck das Gas nicht mehr entweichen. Die Folge sind geplatzte oder bei Unterdruck eingebrochene Gasspeicherfolien und ein mehrwöchiger Ertragsausfall mit großem finanziellem Schaden.


Auch die Überlänge des Gasaustrittrohres der Überdrucksicherung sieht Baumann gern. Denn damit wird Biogas in ungefährliche Bereiche abgeleitet. Häufig ragt das Rohr jedoch bei anderen Anlagen nur einen Meter über den Behälterrand. „Das ist zu wenig, ausströmendes Biogas kann sich zwischen den Behältern sammeln und eine Ex-Zone bilden“, berichtet der Berater.


Mit Ex-Zone meint er eine Zone, in der ein explosionsfähiges Gasgemisch entsteht. Die untere Explosionszone entsteht bei einem Methangehalt von 4,4 % in der Luft, die obere Grenze liegt bei 16 % Methan. Wenn der Methangehalt zwischen diesen beiden Werten liegt, kann jede Zündquelle zu einer Explosion des Gas-Luft-Gemisches führen. Ein höherer Methangehalt („fettes Gemisch“ genannt) kann zum Brand führen.


Ex-Zonen können sich z. B. auch bei undichten Schaugläsern am Fermenter bilden. „Man sollte daher Modelle wählen, die nachweislich technisch dicht sind“, erklärt der Berater.


Folienhaube dicht?

Baumann wirft auch einen Blick auf das Tragluftfoliendach des Fermenters. „Es gibt Hersteller, die rund um den Behälter eine Ex-Zone ausweisen, aber das ist unsinnig“, bemerkt er. Denn damit würden sie zugeben, dass die Folienhaube nicht gasdicht ist. Das wäre nicht nur für die Sicherheit fatal, sondern auch für die Wirtschaftlichkeit des Betriebes.


Bei unserer Anlage hier wird die Dichtheit der inneren Gasspeichermembran monatlich einmal mit einem elektronischen Gaslecksuchgerät überwacht. Der Betreiber misst dafür die austretende Stützluft. Die Druckluft in dem Schlauch, der die Folie an die Behälterwand presst, wird automatisch überwacht und bei Bedarf nachgefüllt. Mit diesen Maßnahmen gilt die Doppelfolienmembran nicht als Ex-Zone.


Stützluftgebläse sind Stand der Technik bei Tragluftfoliendächern und per se nicht gefährlich. Ex-Zonen können aber entstehen, wenn die Luft unter die äußere Folie geblasen wird, die Abluft jedoch nicht mehr entweichen kann. Wenn dann Methan bzw. Biogas per Diffusion durch die untere Gasspeicherfolie in den Zwischenraum gelangt, kann hier ein zündfähiges Gasgemisch entstehen.


Ex-Schutz im Pumpenraum:

Jetzt geht es zur nächsten Station der Prüfung: Der Pumpenraum. Auf dieser Anlage ist alles in einem Container untergebracht. Ein wichtiges Augenmerk legt Baumann auf den Potenzialausgleich. Ein Potenzialausgleich dient dazu, statische Elektrizität und Kriechströme über ein Erdungskabel in den Boden abzuleiten. „Das ist bei der Verbindung zwischen allen Bauteilen nötig, die sich statisch aufladen können, also z. B. bei angeflanschten Rohrleitungen“, erklärt der Berater.


Wenn es unterschiedliche Spannungspotenziale zwischen den leitfähigen Komponenten einer Biogasanlage gibt, kann ein Funke überspringen und auch wieder ein eventuell vorhandenes, zündfähiges Gasgemisch entzünden.


Bei der heute zu begutachtenden Anlage ist aber alles in Ordnung. Der Hersteller hat nicht nur an den Rohrleitungen Kabel zum Potenzialausgleich angebracht, sondern sogar an den Türen des Container-Raums.


Auf seiner Checkliste hakt Baumann auch ab, dass die Belüftungen des Schaltschranks im Pumpenraum sowie des gesamten Containers „ex-geschützt“ sind. Das bedeutet: Diese Bauteile sind „ATEX“-geprüft und damit so konstruiert, dass sie bei einer explosionsfähigen Gasatmosphäre nicht selbst zur Zündquelle werden können.


Externer Wärmetauscher:

Lobenswert findet Baumann auch den externen Durchfluss-Wärmetauscher, der im Pumpenraum untergebracht ist. Bei diesem wird die in den Behälter fließende Gülle angewärmt. Dazu ist die Gülleleitung ummantelt. In dieser Ummantelung fließt warmes Wasser aus dem BHKW-Raum.


Die Behälterheizung ist zwar nicht direkt sicherheitsrelevant, hat aber großen Einfluss auf den sicheren Betrieb der Anlage. „Bei vielen Biogasanlagen, die mit im Behälter liegenden Heizschlangen arbeiten, verkrusten die Warmwasserrohre nach und nach mit anhaftender Biomasse“, weiß Baumann aus Erfahrung. Damit sinkt die Heizleistung, was die Temperatursteuerung mit höheren Heiztemperaturen auszugleichen versucht. Das führt wiederum dazu, dass die Heizungsrohre noch mehr verkrusten.


Die Folge: Die Temperatur im Behälter sinkt, weil die Wärmeübertragung nicht mehr ausreicht. Dann lässt der Gasertrag vor allem bei niedrigen Außentemperaturen nach. Bei zu geringer Gasproduktion kann gerade im Winter irgendwann das BHKW stehen bleiben. „Ich würde daher immer einen außen liegenden Durchfluss-Wärmetauscher bevorzugen, den man ohne Fermenterentleerung oder Betriebsunterbrechung reparieren und reinigen kann“, macht Baumann aufmerksam.


Die dritte Station bei unserem Rundgang ist der BHKW-Container. Hier fällt dem Berater sofort auf, dass die Kennzeichnung des Gashaupthahns außen am Container fehlt. „Auch muss zu erkennen sein, in welcher Stellung der Hahn auf oder zu ist“, ergänzt er.


Gashaupthahn muss schließen:

Der Gashaupthahn dient dazu, die Gaszufuhr vom Fermenter zum BHKW im Notfall abzusperren. Das ist z. B. beim Gasalarm oder Brand im BHKW-Raum wichtig. Erst bei wenigen Anlagen lässt sich der Gashaupthahn wie bei dieser Anlage manuell oder vollautomatisch schließen.


Eine Automatik ist wichtig bei entfernt liegenden Biogasanlagen. Sie schließt den Schieber schneller, als es der Betreiber könnte. Der Hahn sperrt damit zum Beispiel beim plötzlichen Ausfall des BHKW, bei Übertemperatur im BHKW-Raum oder wenn der Rauchmelder anspringt, die Gasleitung zu.


Baumann findet am BHKW-Container weitere Kleinigkeiten, die nicht korrekt sind: So ist das Blinklicht, das beim Gas-alarm anspringt, weiß, sollte aber mit der bei Gasalarm geltenden Signalfarbe „Gelb“ blinken.


Probealarm mit Prüfgas:

Baumann kontrolliert auch die Leistung des Raumlüfters im BHKW-Raum. Der Lüfter muss in der Lage sein, je Kilowatt installierter BHKW-Leistung mindestens 35 m3 Frischluft in den Raum zu blasen. „Viele Lüfter erreichen diesen Sollwert nicht, aber hier ist alles in Ordnung“, stellt er fest.


Als nächstes wendet sich Baumann der Gaswarnanlage zu. Er prüft, ob sie bei einer bestimmten Gaskonzentration im Motorenraum anspricht und die vorgeschriebene Alarmkette auslöst.


Dazu verwendet er ein Prüfgas mit einer definierten Konzentration. Aus einer Dose lässt er es zum Fühler der Gaswarnanlage strömen. Das BHKW reagiert sofort und bleibt stehen. Gleichzeitig ertönt ein Warnton und das Warnlicht fängt an zu blinken. Außerdem erhält Landwirt Johannsen eine SMS auf sein Handy.


Auf den ersten Blick scheint alles in Ordnung zu sein. Doch Baumann findet einen Mangel: Der automatische Gashaupthahn außen am BHKW-Raum ist nicht angesprungen, er steht in Position „auf“.


„Das ist ein gravierender Mangel und muss dringend abgestellt werden“, gibt er dem Anlagenhersteller mit auf den Weg.


Zur sonstigen Alarmkette merkt er an:


  • Das BHKW muss nicht wie hier geschehen sofort abschalten. Wichtiger ist, dass die Raumlüftung auf Volllast schaltet. Der BHKW-Motor kann dagegen sanft abgefahren werden. Das verursacht weniger Verschleiß. Baumann empfiehlt daher eine Änderung der Steuerung.
  • Bei der SMS aufs Handy erscheint jetzt „BHKW-Störung“. Das ist zwar nicht falsch. Aber Baumann rät dem Hersteller, die Klartextmeldung „Gasalarm“ zu wählen. Damit weiß der Betreiber auf einen Blick, was geschehen ist und läuft nicht ahnungslos in eine Gaswolke.


Weitere Mängel, die Baumann von anderen Anlagen her kennt:


  • Beim Betätigen des Not-Aus-Schalters bleibt nur der Motor stehen, der Container oder das BHKW-Gebäude sind dagegen nicht komplett stromlos. Das muss aber der Fall sein, um die Feuerwehr bei einem Brand zu schützen.
  • Es gibt keine unterbrechungsfreie Notstromversorgung, damit das Alarmsystem auch bei einem Netzstromausfall noch sicher funktioniert.


Kaum Gas beim Dosierer:

Vom BHKW-Raum geht es weiter in Richtung Dosierstation. Baumann begutachtet auf dem Weg den Kondensatschacht. Landwirt Johannsen hat sich dafür einen Deckel aus Plexiglas angefertigt, der zur Kontrolle der Wasserpumpe in dem Schacht per Scharnier aufzuklappen ist. „Eine pfiffige Lösung. Aber es fehlt eine Kindersicherung, z. B. in Form von einem Schloss“, kommentiert er das.


An der Dosierstation misst Baumann mit einem Methanmessgerät möglichen Biogasaustritt. Bei der Anlage Johannsen wird das Inputmaterial mit der Radladerschaufel über einen Einschubschacht unter den Flüssigkeitsspiegel im Fermenter gedrückt. Baumann stellt eine sehr niedrige Methankonzentration von unter 0,1 % fest.


Bei der anschließenden Abschlussbesprechung kontrolliert Baumann auch die Betriebsanleitungen, Wartungspläne und andere sicherheitsrelevanten Dokumente der eingebauten Komponenten.


Dazu zählen das so genannte Ex-Schutz-Dokument sowie Druck- und Dichtheits-Prüfprotokolle der Komponentenhersteller.


Am Ende fordert er den Hersteller auf, den Mangel mit dem Gashahn am BHKW-Raum abzustellen, erst dann kann er dem Betreiber die Abnahmebescheinigung übergeben. „Schade, ohne die Sache mit dem Gashaupthahn wäre es eine mängelfreie Abnahme gewesen“, bedauert er. Und macht sich auf den Weg zur nächsten Anlage.

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