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Solar: Wege aus der Krise

Lesezeit: 12 Minuten

Nahezu alle Solarhersteller schreiben rote Zahlen. Mit neuen Konzepten will die Industrie das Ruder wieder herumreißen.


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Wenn die deutsche Solarindustrie drei Wünsche frei hätte, dürften diese höchstwahrscheinlich so lauten: Die Bundesregierung nimmt die Kürzung der Solarvergütung zurück, erhebt Importzölle auf Billigprodukte aus China und subventioniert die finanziell angeschlagenen Hersteller. Wünsche werden aber nur selten wahr. Und so muss die Solarbranche zwangsläufig nach eigenen Wegen aus der Krise suchen.


Dass über der einst so sonnenverwöhnten Industrie Schatten aufgezogen sind, ist eng mit dem rasanten Preisverfall der Solarmodule verknüpft. Seit 2006 sind die Paneelen um 60 % günstiger geworden (Übersicht 1). Was die Kunden mit einem Bauboom quittierten, hat vor allem die deutschen Hersteller in eine schwierige Lage versetzt. Denn anders als die Billiganbieter aus Asien plagt sich die heimische Branche mit relativ hohen Produktionskosten herum und verliert so wertvolle Marktanteile.


Am deutschen Tropf. Schuld an dem Dilemma gibt die Industrie der deutschen Politik. Sie habe mit dem permanenten Kürzen der Solarförderung den Preisdruck unnötig überstrapaziert. Das ist richtig, aber auch nur die halbe Wahrheit! Richtig ist auch: Die globale Solarindustrie ist viel zu stark vom deutschen Fördertopf ab­-hängig. Im vergangenen Jahr wurden beispielsweise weltweit Module mit einer Ge­-samt­leistung von rund 28 Giga­watt (28 000 Megawatt) auf Dächer und Freiflächenanlagen geschraubt. Rund 7 Gigawatt davon allein in Deutsch­land. Das ist Rekord! Nur Italien kann auf ähnlich hohe Zubauraten verweisen.


Auf jedes „Streichkonzert in Berlin“ reagierte der weltweite Solarmarkt daher reflexartig mit fallenden Anlagenpreisen. Schließlich wollte und konnte kein Unternehmen auf den Absatz zwischen ­dänischer Grenze und Alpen verzichten.


Ungleicher Wettbewerb. Die Berliner Wirtschaftspolitik ist allerdings nur ein Teil des Puzzles, um die Schwierigkeiten der Solarbranche zu verstehen. Denn oftmals schossen die Preise viel stärker in den Keller als manch eine Kürzung es erfordert hätte. Und das liegt an zwei weiteren Faktoren – den eigentlichen Problemen der Branche. Zum einen ist seit Jahren das weltweite Modulangebot größer als die Nachfrage. In 2011 wurden z. B. von den Betrieben Solarpaneelen mit rund 36 Gigawatt Leistung produziert. Verkauft haben die Unternehmen lediglich 28 Gigawatt. Zum anderen will China mit aller Macht seine Marktanteile ausweiten. „Einige Hersteller bieten ihre Produkte zu Preisen an, die nicht einmal die Herstellungskosten decken“, sagt Dr. Hermann Iding, Unternehmenssprecher vom Modulbauer Aleo Solar in Oldenburg. Beim Branchenprimus Solarworld in Bonn berichtet man sogar von Kampfpreisen, die teilweise 30 % unter den Herstellungskosten liegen sollen.


Das Kalkül hinter der Dumping-Strategie ist leicht zu durchschauen. Unternehmen mit einer guten Kapitaldecke können sich den Preiskrieg durchaus eine Zeit lang erlauben und hoffen darauf, dass die Konkurrenz währenddessen nach und nach das Spielfeld verlässt.


Finanziell gut ausgestattet sind die chinesischen Hersteller allemal. So hat die Regierung in Peking im vergangenen Jahr 20 Mrd. € in die heimische Solarindustrie gepumpt. Davon kann die Konkurrenz nur träumen.


Die Kamikaze-Strategie der Asiaten trägt ihre ersten Früchte: Die Top Ten der Zellhersteller dominieren sechs Chinesen und zwei Firmen aus Taiwan. Ein deutsches Unternehmen sucht man vergebens.


Profitiert haben von dem weltweiten Preiskrieg auch die Verbraucher hierzulande. Trotz sinkender Förderung war die Investition in eine Solarstromanlage immer lukrativ. Ein Rekordzubau jagte den nächsten (Übersicht 2, Seite 34). Das allerdings rief auch immer wieder die Politik auf den Plan. Denn getragen werden die Kosten für den Ausbau der Solarstromproduktion von allen Verbrauchern. In Berlin wollte und will man die Ausgaben daher verständlicherweise in Grenzen halten, weshalb die Koalition die Förderung gleich mehrmals innerhalb kurzer Zeit kappte. Mit jeder Kürzungsrunde verschärfte sich aber der Preisdruck, die Module wurden daher günstiger, Investitionen wieder attraktiver, der Absatz zog an, die Regierung kürzte noch einmal und so weiter. Experten nennen diesen Mechanismus den „Teufelskreis der Solarbranche“.


Der Pleitegeier geht um. Der Abwärtstrend der Modulpreise lässt sich allerdings nicht beliebig fortführen. Die Kapitaldecke vieler europäischer und vor allem deutscher Unternehmen ist aufgezehrt. Evergreen Solar, Solon, Q-Cells, Solarhybrid, Solar Millennium und Scheuten Solar sind bereits pleite. Phoenix Solar ist in Schwierigkeiten und der zweitgrößte Modulbauer der Welt, First Solar aus den USA, schließt seine Werke in Deutschland. Marktexperten sehen sogar die gesamte Modulproduktion „Made in Germany“ in ernster Gefahr. Und setzt die Regierung ihre angekündigten Kürzungspläne um, übt sie damit noch mehr Druck auf die Industrie aus.


Die noch aktiven Hersteller am Markt verharren angesichts der negativen Vorzeichen keinesfalls in einer Schockstarre. „Wir verlagern nicht die Produktion, aber wir prüfen derzeit sehr genau, was Luxus ist und was nicht“, sagt Solarelektronik-Spartenleiter Ulrich Winter vom Wechselrichterproduzenten Fronius. Aber großes Einsparpotenzial sieht er zumindest bei den Wechselrichtern nicht. Ohnehin haben diese nur einen Anteil von 10 bis 15 % an den Gesamtkosten einer Anlage. Wenn die Firmen an dieser Schraube drehen, schlägt das nur marginal auf den Endpreis durch, heißt es beim Großhändler IBC Solar aus Bad Staffelstein (Bayern). Auch bei den Installateuren ist die Gewinnmarge bereits seit Jahren sehr gering und die Untergestelle haben an den Kosten einer Anlage ebenfalls nur einen sehr kleinen Anteil (5 bis 10 %). Zudem schlagen bei diesem Bauteil die Stahlpreise stark zu Buche, auf die die Solarbranche nur wenig Einfluss hat. Der Druck auf die Modulbauer bleibt damit hoch.


Produktion verlegen. Die meisten Unternehmen wollen dennoch nicht die gesamte Produktionskette eines Modules in Billiglohnländer verlegen. „In Deutschland werden zwar höhere Löhne gezahlt. Die Personalkosten haben an den Gesamtausgaben aber nur einen Anteil von 5 %“, erklärt Dr. Hermann Iding von Aleo.


In absehbarer Zeit werden allerdings die Zellen, Hauptbestandteil der Module, höchstwahrscheinlich nur noch in Asien gefertigt. Dort profitiert die deutsche Branche von der Massenfertigung, wodurch die Produktion sehr viel günstiger ist.


Bei Conergy aus Hamburg ist dieses Szenario bereits Realität. „Die Zellen für unsere Module kaufen wir bei ausgewählten Lieferanten in Asien ein, die wir regelmäßig auditieren und durch unser Qualitätsmanagement überprüfen“, sagt Antje Stephan von Conergy. Die Vorteile dieser Strategie liegen auf der Hand: Die Europäer behalten bei der Modulproduktion die Herrschaft über Produktdesign und -qualität und profitieren gleichzeitig von den günstigeren Produktionskosten in Asien.


Mit Blick auf die Transportkosten ist eine komplette Modulproduktion in Asien ohnehin nicht sinnvoll. Zellen lassen sich wesentlich platzsparender und schneller transportieren als die fertigen, sperrigen Module. „Nur um ein Beispiel zu nennen: Zellen kann man binnen eines Tages für die Hälfte der Transportkosten einfliegen, während das Modul sechs Wochen zu höheren Kosten auf dem Schiff unterwegs ist“, so Antje Stephan. „Damit sind wir auch wesentlich weniger anfällig für Preisschwankungen und können auf Marktänderungen flexibel reagieren.“


Im Visier haben die Unternehmen auch die Wirkungsgrade. Sie geben darüber Auskunft, wie viel Strom eine Zelle aus dem Sonnenlicht erzeugen kann. Je höher dieser ausfällt, desto weniger Platz benötigt ein Modul auch auf dem Dach.


Für die Industrie sind die Wirkungsgrade vor allem ein Maßstab für die Effektivität der eigenen Produktion. Je besser eine Zelle das einfallende Licht verwertet, desto günstiger kann sie hergestellt werden. Denn die Kosten orientieren sich an der Leistungsfähigkeit der Anlagen. Experten schätzen, dass jeder Prozentpunkt mehr Wirkungsgrad die Kosten der Module um fünf bis sieben Prozent senkt, da pro Watt Leistung weniger Material benötigt wird.


„Die Wirkungsgrade bleiben ein wesentlicher Aspekt unserer Anstrengungen bei der Produktentwicklung, wir rechnen mit weiteren Steigerungen“, unterstreicht Daniel Heck von Canadian Solar. Ähnlich sieht es Unternehmenssprecher Klaus Bernhard Hofmann von Schott Solar: „Wir erwarten enorme Sprünge bei den Wirkungsgraden.“


Um die Stromausbeute der Zellen zu erhöhen, könnte zum Beispiel die so genannte Rückkontaktzelle künftig mehr Aufmerksamkeit erhalten. Bei ihr sind die Stromkontakte auf der Rückseite angebracht. So kann mehr Sonnenlicht auf die stromerzeugende Oberseite fallen. Vorreiter ist das Unternehmen Sun­power aus den USA, das bereits Module mit spitzenverdächtigen 20 % Wirkungsgrad auf den Markt bringt.


Dünnschicht im Abseits. Fachleute schätzen, dass die Fokussierung auf den Ausbau der Wirkungsgrade die Ent­wicklung der Dünnschicht-Technologie schwächen könnte. Zum Verständnis: Auf dem Modulmarkt konkurrieren zwei Technologien um den Platz auf dem Dach: Die herkömmliche, weitverbreitete kristalline Zelltechnik und die relativ junge Dünnschicht-Technologie. Während erstere auf Silizium angewiesen ist, kommt letztere mit nur sehr wenig oder gar ohne das teure Halbleitermaterial aus.


Vor ein paar Jahren war das aufwändig aus Sand gewonnene Metall besonders teuer, weshalb die Dünnschichtproduktion einen enormen Auftrieb erhielt. Mittlerweile ist Silizium wieder günstiger und bei den Wirkungsgraden sehen die Hersteller die kristalline Technik deutlich im Vorteil.


„Die Dünnschichtzellen mögen derzeit einen vermeintlichen Kostenvorteil haben, dennoch sehen wir langfristig kristalline Module eindeutig vorne, da hier ein größerer Spielraum für höhere Wirkungsgrade besteht“, erklärt Daniel Heck von Canadian Solar.


Die Branche braucht Absatz. Die entscheidende Frage ist allerdings: Wie stark können die Produktionskosten eines Modules und damit der Anlagenpreis sinken? Dazu wollte sich kein Hersteller äußern. Allerdings versprach die Branche im Boomjahr 2010: Bis zum Jahr 2020 werde man die Kosten für eine Photovoltaikanlage im Vergleich zu aktuellen Konditionen (2010) halbieren. Damals kostete das Kilowatt Anlagenleistung je nach Größe etwa 2 200 bis 2 800 Euro.


Dass Systempreise von rund 1 100 Euro pro Kilowatt in acht Jahren durchaus realistisch sind, bezweifelt niemand. Um aber unter den aktuellen Förderbedingungen auf dem deutschen Markt bestehen zu können, müssten die Unternehmen sich im Eiltempo auf einen Systempreis von weniger als 1 400 Euro pro Kilowatt zubewegen. Derzeit trennt sie von dieser Marke mindestens noch 400 Euro je Kilowatt.


Um die Produktionskosten noch schneller drosseln zu können, bräuchte die Industrie vondaher mehr Absatz. Er ist der Schrittmacher für eine effektivere Produktion. Volkswirtschaftler sprechen in diesem Zusammenhang auch von dem Gesetz der so genannten „Lernkurve“. Danach sinken die Kosten mit jeder Verdopplung der Produktionskapazitäten um bis zu 22 %.


Eigenverbrauch soll’s richten. Die entscheidende Frage lautet: Wie lässt sich trotz der schwierigen Lage Absatz generieren? Die klassische Solarstromanlage ist zumindest derzeit kaum noch rentabel. Die deutsche Industrie steuert deshalb auf einen Strategiewechsel zu. „Wir haben zu lange auf das deutsche Geschäft und ausschließlich auf die Rendite einer Anlage geschielt“, heißt es bei vielen Unternehmen.


Im Visier haben die Lenker der Konzerne einerseits den ausländischen Markt und andererseits im Inland den Eigenverbrauch von Solarstrom. Der Trend gehe ohnehin weg von der großen Solarstromanlage im Megawattbereich, die auf einen möglichst hohen Gewinn optimiert wird, hin zur kleineren Dachanlage, die den eigenen Strom für Haus und Hof erzeugt. Dafür sorge allein schon die derzeitige Kürzung der Förderung, von der größere Solarkraftwerke stärker betroffen sind als kleine.


Hinzu kommt der nach dem EEG vorgeschriebene Eigenverbrauch von Solarstrom. Anlagen mit einer Größe von bis zu 10 Kilowatt Leistung müssen demnach künftig zwangsläufig 20 % des erzeugten Stromes selber verbrauchen. Für größere gilt eine Quote von 10 %.


Ein Anlagenbetreiber kann mit dem selbst erzeugten Sonnenstrom für mindestens 20 Jahre seine Stromkosten auf dem gleichen Niveau halten. Mittlerweile lässt sich mit einer Solarstromanlage Strom für schon unter 20 Cent je Kilowattstunde erzeugen. Im Schnitt kostet die Kilowattstunde beim Energieversorger hingegen 19 bis 25 Cent. „Speziell bei kleineren Anlagen hat der Kunde enorme Einsparmöglicheiten, da er selbst produzierten Strom gegen teuren konventionellen Bezugsstrom tauschen kann“, sagt Geschäftsführer und Gründer Lars Kirchner von Kirchner Solar.


Batterien braucht das Land. Der Knackpunkt beim Eigenverbrauch ist allerdings die Speichertechnologie. Derzeit schaffen es nur wenige Haushalte und Betriebe mehr als 30 % des Solarstromes selber zu verbrauchen. Denn die Sonne scheint oft dann, wenn kein oder nur wenig Strom verbraucht wird. Was die Branche daher händeringend bräuchte, wären leistungsfähige Batterien als Speicher. Erste Lösungen haben die Unternehmen bereits im Angebot, diese sind allerdings noch relativ teuer.


Rückenwind könnte die Solarindustrie durch die zunehmende Bedeutung der Elektromobilität bekommen. Die Automobilindustrie ist sehr finanzkräftig und arbeitet mit Hochdruck an entsprechenden Speicherlösungen für Strom.


Mit dem Eigenverbrauch von Solarstrom verbindet die Industrie zudem die Hoffnung: Wer sich sein „eigenes Kraftwerk“ aufs Dach schraubt, legt noch mehr Wert auf Qualität. Und zumindest in diesem Punkt sehen sich die deutschen Hersteller im Vorteil. Bislang würden viele Investoren Wertarbeit bei der Kaufentscheidung nicht ganz so hoch bewerten wie den Preis. Wenn die Anlage ohnehin nach rund zehn Jahren abgeschrieben sei, müssten die Module nicht zwangsläufig 20 Jahre auf dem Dach durchstehen. Wer aber auf den Eigenverbrauch setzt, habe andere Interessen als lediglich eine hohe Rendite, sondern lege wie beim Autokauf Wert auf eine hochwertige Qualität.


Ob die Qualität deutscher Produkte tatsächlich besser ist als die aus Asien, lässt sich schlecht beurteilen. Bei Solarworld verweist man zumindest darauf, dass einige Chinesen Module noch mit der Hand fertigen. Die Fehlerquote sei daher enorm hoch. Spätestens in ein paar Jahren, wenn die ersten Anlagen in die Jahre gekommen sind, würden sich die Qualitätsunterschiede zeigen, sagt ein Konzernchef, der aber nicht genannt werden möchte.


Ob die neuen Strategien der Solarbranche aufgehen, wird die Zukunft zeigen. Eines steht fest: Kampflos aufgeben, wird sie nicht. D. Rolink

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