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Wenn Bakterien SOS blinken

Lesezeit: 7 Minuten

Mit der Fluoreszenz-Mikroskopie lassen sich Organismen im Fermenter erkennen. Je heller sie leuchten, desto vitaler sind sie. Das neue Verfahren soll helfen, Fütterungsproblemen schneller auf die Schliche zu kommen.


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Bei der prozessbiologischen Beratung von Biogasanlagen können die Berater heute viele Aussagen über den Gärprozess treffen. Während bis vor zehn Jahren Biogasmenge, Temperatur und der pH-Wert als wichtigste Kenngrößen zur Verfügung standen, helfen heute auch der FOS/TAC-Wert zur Feststellung der Pufferkapazität, die Gasanalyse oder das Spektrum der organischen Fettsäuren. Damit lassen sich Störungen frühzeitig erkennen, sodass der Anlagenbetreiber die Fütterung des Fermenters rechtzeitig anpassen kann. „Aber bei diesen Methoden messen wir immer nur Produkte wie die Säuren oder das entstandene Biogas. In den Prozess direkt hineinschauen können wir damit nicht“, berichtet Lukas Neumann vom Team der prozessbiologischen Betreuung bei MT Energie aus Zeven.


Wie ein Blutbild:

Das soll sich jetzt ändern. MT Energie bietet seit kurzem die sogenannte Fluoreszenz-Mikroskopie als zusätzliche Analyse an. „Diese Methode lässt sich mit dem Blutbild vergleichen, das der Arzt bei uns Menschen macht“, erklärt Prof. Paul Scherer vom Forschungsschwerpunkt Biomasse an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. Scherer arbeitet seit zehn Jahren mit seinem Forschungsteam an der Weiterentwicklung dieses Verfahrens. Genauso, wie das Blutbild einen Eindruck gibt, ob der Patient gesund ist, kann die Fluoreszenz-Mikroskopie die Vitalität der Bakterienflora im Fermenter beschreiben.


Dabei macht man sich zunutze, dass die Methan bildenden Mikroorganismen im Fermenter einen fluoreszierenden Farbstoff besitzen. Werden sie mit einem Licht mit der Wellenlänge von 420 Nanometer angestrahlt, leuchten sie blaugrün. Je mehr Methan sie erzeugen und damit aktiver sind, desto intensiver ist das Leuchten.


Andere Bakterien, die Zellulose abbauen oder Säure bilden, leuchten von sich aus nicht. Sie können aber mit einem Farbstoff, der sich an das Erbmaterial anlagert, markiert werden. Dann lassen auch sie sich mithilfe eines bestimmten Lichts zum Leuchten bringen und damit erkennen. „Aber die Gruppe der Hydrolysebakterien ist zu groß und zu vielfältig, als dass man hier per Mikroskop einzelne Stämme unterscheiden könnte“, schränkt Scherer ein. Daher ist nur eine Analyse der Methanbildner mit dieser Methode aussagekräftig.


Bisher konnten diese Mikroorganismen nur mit sehr aufwendigen und teuren molekularbiologischen Verfahren indirekt erkannt werden. Die neue Methode ist nicht nur kostengünstiger, sondern auch wesentlich schneller.


Mikroskop mit Kamera:

Um sie sichtbar zu machen, muss eine normale Probe aus dem Fermenter mehr als dreißigfach verdünnt werden. „Ansonsten ist die Dichte an Mikroorganismen zu hoch und man würde gar nichts erkennen“, erklärt Neumann, der über das Thema bei Prof. Scherer seine Doktorarbeit geschrieben hat. Die verdünnte Probe betrachtet Neumann dann unter einem Spezialmikroskop.


Die Mikroorganismen lassen sich auch optisch in ihrer Form unterscheiden (siehe Aufnahmen auf S. 26). Das Licht in der gewünschten Wellenlänge beleuchtet die Probe und regt die Mikroorganismen zur Eigenfluoreszenz an. Auf dem Mikroskop ist eine hochempfindliche Kamera montiert, deren Lichtstärke rund 1 000 Mal so groß ist wie bei einer herkömmlichen Kamera. Sie erfasst die Mikroorganismen in der Probe und liefert das Bild auf einen Computer.


Die Kamera macht automatisch mehrere Bilder, in dem der Objektträger mit der Probe jedes Mal ein winziges Stück zur Seite gerückt wird. Das soll sicherstellen, dass nicht nur eine zufällige Ansammlung von Mikroorganismen analysiert wird, sondern eine repräsentative Probe.


Genauer Fingerabdruck:

Je nach gewählter Lichtquelle kann man jetzt entweder alle Mikroorganismen oder nur die Methanbildner sehen. „Damit können wir die einzelnen Organismengruppen voneinander trennen“, schildert Neumann. Die Probe wird digital im Computer ausgewertet. Als Ergebnis erhält er die Anzahl der unterschiedlichen Gruppen pro Milliliter Fermenter-inhalt. Daraus bildet er den sogenannten MT-Faktor. Dieser Faktor kann zwischen 0,01 und 10 liegen.


Das ist eine Art Fingerabdruck, der für jeden Fermenter individuell ist. Zwei Anlagen können also ihren MT-Faktor nicht unmittelbar vergleichen. „Wichtig ist nicht nur die absolute Höhe des Faktors, sondern die Veränderung“, beschreibt er. Idealerweise sollte jeder Anlagenbetreiber in Zeiten, in denen seine Anlage richtig gut läuft, einen derartigen Fingerabdruck nehmen lassen. Das ist dann der Referenzwert, an dem sich die Berater bei späteren Proben orientieren können.


Hilfe bei der Beratung:

Welchen praktischen Nutzen hat das jetzt? Mit dem Verfahren können Impfmaterial vor dem Anfahren einer Biogasanlage oder zugekaufte Gülle schnell auf Hemmstoffe untersucht werden. Dabei lässt sich erkennen, ob die Methanbildner lediglich gehemmt oder schon abgestorben sind. Hemmstoffe können in Form von Klauenbädern, Euterdippmittel oder anderen Desinfektionsmitteln bzw. Antibiotika in die Gülle gelangen. Über das Verhältnis der Bakteriengrup-pen zueinander wissen die Prozessbiologen jetzt genau, was in der Rohgülle oder im Fermenter passiert ist. Bei hemmstoffbelastetem Material vermindert sich die Leuchtkraft der Archaeen deutlich.


Besonders interessant ist das bei Geflügelmist. Er kann nicht nur Antibiotika aus dem Tierfutter enthalten, sondern auch sehr viel Stickstoff in Form von Ammoniak. Auch dieses kann hemmend wirken. „Viele Anlagen holen sich mit Hemmstoffen ein schleichendes Problem in den Fermenter. Wenn die Gasproduktion um 5 % sinkt, merkt man das fast gar nicht“, meint Neumann. Klassische Hemmstoffanalysen dagegen dauern bis zu eine Woche und damit viel zu lang. Mit der neuen Analyse kann Neumann eine Hemmung sofort feststellen und den Betreiber noch am gleichen Tag informieren.


Fütterung wird einfacher:

Außerdem lässt sich die Mikrobiologie im Fermenter verbessern, wenn neue Silage oder neue Substrate wie z. B. Zuckerrüben gefüttert werden. Ein guter Substratmix lässt sich dabei ebenso erkennen wie ein schlechter. „Wir können aber auch feststellen, wenn sich die Nährstoffe im Fermenter nicht mehr ausreichend verteilen. Dann empfehlen wir eine Veränderung der Rührwerkseinstellungen“, ergänzt Neumann.


Auch können Veränderungen der Anlage besser begleitet werden. Zum Beispiel bei der Futterumstellung: Wenn sich der Faktor verändert, können drohende Prozessstörungen erkannt werden, bevor sich unerwünschte Zwischenprodukte ansammeln. „Wir hatten einen Fall, da ging die Gasproduktion zurück, während alle anderen Prozessparameter gleich geblieben sind“, beschreibt Neumann.


Die Fluoreszenz-Mikroskopie zeigte, dass die Zahl der Säurebildner um 20 %, die Methanbildner dagegen stark zurückgegangen waren. Eine beginnende Ansammlung von Säuren, die sich so noch nicht feststellen ließ, hatte diesen Rückgang verursacht. Der Betreiber hatte wahrscheinlich zu schnell gefüttert, die Methanbildner kamen mit der Verarbeitung nicht nach. „Wir haben eine Reduzierung der Fütterung empfohlen. Dadurch konnte zunächst der Säurenstau aufgelöst werden und die Methanbildner haben sich wieder erholt“, schildert Neumann das weitere Vorgehen.


Wenn sich der MT-Faktor dagegen ändert, ohne dass das Substrat gewechselt wird, könnte das auf eine Sinkschicht schließen lassen, bei der unverdautes Material auf den Boden des Fermenters sinkt.


In der Übersicht ist der Verlauf einer Prozessstörung aufgezeigt. Im normalen Zustand hatte der Fermenter etwa 4 Milliarden (Mrd.) Methanbildner und über 50 Mrd. Zelluloseabbauer und Säurebildner je Milliliter. Das Verhältnis von Methanbildnern zu den übrigen Mikroorganismen betrug 9 %. Bei einer Prozessstörung veränderte sich das Verhältnis stark, die Zahl der Methanbildner sank stärker als der Rest. Dabei sank auch der MT-Faktor von 0,39 auf 0,06. Nach einer Änderung der Fütterung und anderen Prozess stabilisierenden Maßnahmen legte die Population der Methanbildner wieder deutlich zu. In der Folge stieg der MT-Faktor auf 0,41 und damit auf das vorherige Niveau. „Die Fluoreszenz-Mikroskopie löst andere Verfahren zur Prozesskontrolle nicht ab, sondern ergänzt sie“, fasst der Berater zusammen. Hinrich Neumann

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