Ein Kommentar von Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin Brot für die Welt
Die EU exportiert schon lange Agrarüberschüsse in Entwicklungsregionen, zum Beispiel nach Afrika. Hoch subventionierter EU-Weizen hat dort bereits vor 30 Jahren einheimisches Getreide wie Sorghum und Hirse verdrängt. Jetzt sind die Weizenpreise so hoch, dass ihn die afrikanischen Regierungen stützen müssen, damit sich die Menschen das tägliche Brot noch leisten können. Die neue EU-Agrarpolitik verfolgt eine Exportstrategie, die die Lebensmittelmärkte der Armen noch stärker mit europäischen Agrarprodukten überfluten wird.
Dass dies angeblich aus Verantwortung gegenüber den Hungernden geschieht, ist geradezu grotesk. Hunger und Armut sind nicht zu trennen. Die meisten Hungernden auf der Welt sind Bauern! Sie müssen ihre Produkte lokal vermarkten können, um zu überleben. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die weiter wachsenden Exporte von Fleischteilen aus der EU, aber auch aus Brasilien und USA, haben in Afrika viele kleine Gefügelhalter und ihre Futterlieferanten ruiniert. Ohne heimische Konkurrenten haben die EU-Importeure die Preise für das Geflügel zum Beispiel in Accra (Ghana) verdoppelt. Jetzt haben auch die ghanaischen Verbraucherinnen und Verbraucher nichts mehr von den vermeintlichen Billighähnchen. Das ist nur ein Beispiel. Auf anderen Märkten ist es nicht anders.
Die Landwirtschaft der Entwicklungsländer braucht einen Schutz vor Billigimporten. Fleischexporte nach Afrika sind ein besonders negatives Beispiel. Sie sind nur möglich, weil die Hühnermast in Deutschland günstige Futtermittel aus Südamerika einsetzt. Der Fleischhunger in Europa, China und anderswo zerstört immer mehr Regenwälder und vertreibt die Menschen von ihrem Land. Das verletzt ggf. sogar die Menschenrechte.
Die europäischen Landwirte leisten eine hervorragende, mühsame und oft schlecht bezahlte Arbeit zur Versorgung der Bevölkerung. Es liegt gewiss auch nicht in deren Interesse, zur Armut oder Vertreibung der ländlichen Bevölkerung in Entwicklungsländern beizutragen. Agrarindustrie, Agrarpolitiker und Interessenverbände sollten deshalb aufhören, eine weitere Steigerung der Milch- und Fleischproduktion zu fordern und zu fördern. Eine Beschränkung auf den einheimischen Markt und verstärkter Anbau einheimischer Futterpflanzen würden langfristig beiden nutzen: der bäuerlichen Landwirtschaft im Norden und im Süden.
top agrar-Rubrik "Der Blick von außen"
Dieser Text stammt aus der Rubrik "Der Blick von außen", die jeden Monat in der top agrar-Heftausgabe erscheint. Der Streitpunkt zeigt, wie die Landwirtschaft von außen gesehen wird und ist nicht die Meinung der Redaktion. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar unten.
Zum Streitpunkt des letzten Monats:
Die schlausten Bauern ernten am längsten Kartoffeln (30.10.2013)