Das Europaparlament stimmt am morgigen Mittwoch in Erster Lesung über die Vorschläge zur Agrarreform ab. Das Ergebnis ist noch nicht abschließend; vielmehr gibt das Plenum den Berichterstattern und Schattenberichterstattern ein Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Rat. Dennoch erregt die Abstimmung große Aufmerksamkeit, denn es ist nicht klar, ob die Mehrheit der Abgeordneten den Empfehlungen des Landwirtschaftsausschusses in zentralen Fragen folgt.
Die Agrarexperten des Parlaments hatten den Entwurf der Europäischen Kommission in wichtigen Punkten abgeschwächt. Auf dem Tisch liegen jetzt inmitten von mehreren Hundert Änderungsanträgen unter anderem ein Entwurf der Sozialdemokraten, die Direktbeihilfen nicht auf 300 000 Euro, sondern auf 200 000 Euro zu begrenzen, sowie der beispielsweise von Ulrike Rodust unterstützte Vorstoß, an 7 % ökologischen Vorrangflächen festzuhalten - anstelle des vom Ausschuss favorisierten Stufensystems.
Eine Gruppe um den CDU-Abgeordneten Dr. Peter Jahr schlägt den Verzicht auf die Kappung vor. Die Liberalen wiederum setzen sich dafür ein, die Zuckerquoten zwar zu verlängern, aber nicht bis 2019/20, sondern lediglich bis 2017/18.
"Wahlkampf" um letzte Stimmen
Im Vorfeld wandten sich viele Stimmen an die Abgeordneten, um deren Abstimmungsverhalten in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. EU-Umweltkommissar Janez Potočnik und seine für Klimaschutz zuständige Amtskollegin Connie Hedegaard riefen die Parlamentarier in einem Brief auf, an einem starken Greening festzuhalten.
In Krisenzeiten sollte jeder Euro aus dem EU-Haushalt einen handfesten Nutzen bringen - nicht nur für die unmittelbaren Empfänger, sondern auch für Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt. Es bestehe das ernsthafte Risiko, dass die Diskussionen vom Standpunkt des Umweltschutzes aus den Status quo verschlechtern könnten.
Potočnik und Hedegaard fordern insbesondere, bei Verstößen gegen das Greening nicht nur die 30 % Ökologisierungskomponente, sondern darüber hinaus die Basisprämie anzutasten, keine Abstriche an den Cross-Compliance-Auflagen vorzunehmen und an 7 % Vorrangflächen festzuhalten. Sie räumen die Möglichkeit zur Bewirtschaftung ein, aber nur ohne Dünger, Pflanzenschutzmittel und künstliche Bewässerung.
Daneben lehnen sie einen Blankoscheck für die Anerkennung von Agrarumweltmaßnahmen als äquivalent mit dem Greening ebenso ab wie die Umschichtung von Mitteln aus der ländlichen Entwicklung in die Erste Säule.
Den einen zu lasch, den anderen zu übertrieben
Den Naturschutzverbänden geht die Agrarreform unterdessen nicht weit genug. Ihrer Meinung nach werden die GAP-Gelder weiterhin ungerecht verteilt“, heißt es in einem offenen Brief. Die Förderung würde nach wie vor an die Landwirte gehen, die der Umwelt am meisten schadeten. Manche Bauern würden sogar doppelt für Leistungen bezahlt, was den grundlegenden Verträgen der EU widerspreche.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) sprach sich unterdessen gegen ökologische Vorrangflächen aus. „Diese Maßnahme würde die ohnehin angespannte Rohstoffsituation für die Lebensmittelhersteller weiter verschärfen“, warnte BVE-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff. Vor dem Hintergrund der weltweit steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln seien agrarpolitische Maßnahmen, die das Rohstoffangebot für die Lebensmittelhersteller verknappten oder verteuerten, zu unterlassen. (AgE)
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