Nordrhein-Westfalen will - wie berichtet - die Klagemöglichkeiten von Tierschutzverbänden erweitern. Damit wird erstmalig ein gleichwertiger Rechtsschutz zwischen Tiernutzern und Tieren hergestellt. Große Bedenken äußert dazu der Bauernverband, der die fachliche Kompetenz so mancher Tierschutzvereine infrage stellt.
„Willkür wird Tür und Tor geöffnet“, so Petra Drees-Hagen vom Kreisverband Hellweg des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftverbandes. „Wenn ein Landwirt aufgrund einer Klage seinen Betrieb nicht erweitern kann, dann droht ihm womöglich das Aus.“ Es gehe hier um Existenzen. Jede Klage koste Geld und verschiebe geplante Vorhaben, die Tieren durchaus zugute kommen könnten“, sagte sie der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.
Landwirte mit großen Ställen seien keine Tierquäler, empört sich Drees-Hagen. „Überall hat sich etwas getan.“ Sie erinnert an die Abschaffung der Käfighaltung, die Einführung von Fenstern in Schweineställen, die Berücksichtigung von Wohlfühlfaktoren für Kühe. „Viele wollen die Welt retten, ohne je zuvor im Stall gewesen zu sein.“ Den Verbrauchern gibt Petra Drees-Hagen zu bedenken: „Durch neue Auflagen kann Fleisch und Geflügel teurer werden.“ Und sie sieht eine weitere Gefahr: „Wenn noch mehr Landwirte aus der Region aufgeben müssen, bleiben nur noch Produkte aus Osteuropa.“
Auch die von der Zeitung befragten Landwirte empfinden das geplante Gesetz als übertrieben: „Da wollen Leute in unternehmerische Belange eingreifen, die keine Ahnung haben“, sagt ein Hennenhalter. Er sieht sich in seiner Freiheit als Unternehmer eingeschränkt. Und ein Putenmäster ergänzt: „Wir haben die höchsten Tierschutz-Standards innerhalb der EU. Da brauchen wir kein neues Gesetz.“ Ein Kreislandwirt aus dem Sauerland sieht noch eine weitere Gefahr: „Mit dem neuen Rechtsweg wird alles noch komplizierter. Statt Bürokratie abzubauen, geschieht das Gegenteil.“
Hoch zufrieden zeigen sich dagegen in diesen Tagen die Tierschützer. „Endlich können wir uns auf Augenhöhe mit Massentierhaltern, die dem Tierschutz nicht gerecht werden, auseinandersetzen“, sagt etwa Klaus Pehle, Vorsitzende des Tierschutzvereines HSK. „Bisher war es ja so, dass Landwirte gegen Auflagen klagen konnten, wir aber nicht gegen Verletzungen gegen die Tierschutzbestimmungen.“ AuchFranz-Josef Göddecke, Kreisvorsitzender des NABU-Verbandes Olpe, begrüßt den Druck, der auf Landwirte aufgebaut wird: „Sie werden sich jetzt genau jeden weiteren Schritt fürs Unternehmen überlegen - und das kann für die Tiere nur gut sein.“ (ad)
Hintergrund:
NRW stärkt Klagemöglichkeiten von Tierschutzverbänden (5.7.2012)