Zweifel an einer klaren und neutralen Sichtweise der Wissenschaftler in Sachen Agrarspekulationen hegt der frühere Chefökonom der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD), Prof. Heiner Flassbeck.
Bei einer Tagung in Hohebuch zum Thema Nahrungsmittelspekulationen warf Flassbeck der Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler bzw. Agrarökonomen vor, sie würden keinerlei Zusammenhänge zwischen Spekulationen mit Nahrungsmitteln und dem Welthunger sehen, weil sie aus ihrer ideologischen Position der Liberalisierung jeglichen Wirtschaftshandelns keine Zusammenhänge erkennen wollten. Dabei sei auch ein starker Lobbyeinfluss der internationalen Finanzindustrie erkennbar.
Flassbeck wies darauf hin, dass seit dem Jahr 2003 massiv Geld in die Rohstoffmärkte, eben auch in die Nahrungsmittelmärkte, geflossen sei. Inzwischen sei zum Beispiel die Deutsche Bank größter Zuckerhändler weltweit. Bei dieser „Finanzialisierung der Rohstoffpreise“ gehe es weniger um echte Angebots- und Nachfrageentwicklungen auf den Agrarmärkten; erklärtes Ziel sei es stattdessen, sich kurzfristig größtmögliche Gewinne zu verschaffen und daher auch die Preise in diese Richtung zu manipulieren, so der Volkswirt.
Dabei spiegelten die Gewinne nicht mehr die realen Verhältnisse von agrarischen Märkten wider. Es gehe um „Scheingewinne“, die mit der Produktivität der Wirtschaft nichts mehr zu tun hätten. Solche „Investments“ seien nur noch Vermögensanlagen, in der Hoffnung, deren Wert zu steigern. Mit der klassischen Funktion von Warenterminbörsen, wo die Spekulation helfe, den Markt zu stabilisieren und für Produzenten wie Verbraucher eine Risikoabsicherung zu erfüllen, habe dies „nichts mehr zu tun“. (AgE)