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Die Lage für Rinderhalter spitzt sich dramatisch zu

Lesezeit: 9 Minuten

A m Schlachtrindermarkt spitzt sich die dramatische Lage immer weiter zu. Die Absatzkrise bei Rindfleisch will kein Ende nehmen. Seit Beginn der BSE-Kri-se ist der Rindfleischabsatz an der Theke um 80 Prozent zurückgegangen. Bei Wurst beträgt der Umsatzrückgang 30 bis 50 Pro-zent, berichtet Manfred Geyer, Vor-standsvorsitzender der Lutz Fleischwaren AG, einem der bedeutendsten Fleischver-arbeitungsunternehmen in Deutschland. Bei 98 Prozent aller Wurstwaren haben wir die Rezeptur auf Verlangen der Ver-braucher entgegen unserer Überzeugung geändert und das Rindfleisch herausge-nommen. Die Schlachtunternehmen haben des-halb ihre Kapazitäten bei den Rinder-schlachtungen deutlich zurückgefahren. Bereits für 3 000 Beschäftigte musste Kurzarbeit beantragt werden, einige Un-ternehmen kämpfen um das wirtschaftli-che Überleben. Die geringe Nachfrage hat aber auch fatale Auswirkungen für die Rinderhalter. Fertige Bullen werden von den Vieh-händlern oft nicht abgeholt. Wir wissen nicht mehr, wohin mit unseren Tieren, klagt Stefan Fischer aus Döringstadt in Oberfranken. In unseren Ställen stehen 40 fertige Bullen. Aber seit etwa vier Wo-chen lässt sich nichts mehr vermarkten. Gemeinsam mit zwei Berufskollegen hält der Mäster 500 Bullen. Er hofft, dem-nächst wenigstens ein paar Tiere verkau-fen zu können, denn schon jetzt platzt sein Stall aus allen Nähten. Kaum besser geht es den meisten Milchviehhaltern, denn auch Schlachtkü-he sind kaum noch zu vermarkten. In Nord- und Westdeutschland nehmen eini-ge große Schlachtunternehmen erst gar keine Kühe mehr an. Sie befürchten, dass bei einem positiven BSE-Fall Verluste von bis zu einer Million DM pro Tag an-fallen, da der Betrieb vorübergehend still-gelegt und gründlich desinfiziert werden muss. Außerdem wird die komplette Wa-re beschlagnahmt. Preise für Jungbullen sind um 800 DM gefallen Weiterhin im freien Fall befinden sich die Erzeugerpreise. Gab es Anfang Janu-ar noch Hoffnung, dass die Talsohle des Preistiefs bald erreicht sein würde, so ha-ben immer neue BSE-Fälle und die Pres-semeldungen über den Etikettenschwin-del bei der Wurst für einen weiteren Ab-wärtstrend der Preise gesorgt. Jede neue Meldung in der Presse über Rinderhirn in Wurstwaren zieht die Preise nach unten, klagt ein Metzger aus Niedersachsen. Während für U3-Qualitäten in Bayern in der Intervention Anfang Januar noch etwa 4,30 DM pro kg Schlachtgewicht (SG) zu erzielen waren, lagen die Preise Mitte Januar am freien Markt nur noch bei 3,50 bis 4 DM/kg SG. Gegenüber No-vember fehlen bereits 800 DM pro Bulle, beklagt Wilhelm Zellner, Referent für Marktberichterstattung beim Bayerischen Bauernverband. In Niedersachsen erlösten R3-Bullen im gleichen Zeitraum sogar nur noch rund 3,60 DM pro kg Schlachtgewicht. Gegen-über dem Preisniveau von November 2000 (5,20 DM/kg SG) sind das Preis-nachlässe von rund 1,60 DM. Noch düste-rer sieht es in Schleswig-Holstein aus. Dort werden R3-Bullen sogar nur für 3,40 DM/kg notiert. Hinzu kommt, dass einige Schlachtereien im Norden bei über 24 Monate alten Bullen und bei über-schweren Tieren nochmals zwischen 0,50 bis 1 DM/kg SG abziehen. Ähnlich dramatisch sieht die Entwick-lung bei den Schlachtkühen aus. Für R3Tiere lag die Notierung in der dritten Ja-nuarwoche in Norddeutschland nur noch bei 2,70 DM pro kg SG. Schwächere Kü-he gingen oft nur noch für 2,50 DM vom Hof. R3-Fleckviehkühe notierten in der zweiten Januarwoche in Bayern mit 3,23 DM pro kg SG und waren damit so-gar erstmals auf dem gleichen Niveau wie E-Schweine. Der Schlachtstau bei den Jungbullen führt jetzt auch zu einem Preisverfall auf den Kälbermärkten. Mitte Januar wurden erstmals Absatzprobleme für Fleckvieh-Bullenkälber gemeldet, obwohl vermehrt Kälber nach Spanien verkauft wurden. Der Durchschnittspreis in Bayern fiel bis zu diesem Zeitpunkt auf 5,40 DM pro kg Lebendgewicht. Damit hat sich der Preis für ein 85 kg-Kalb seit Mitte November in etwa halbiert. Die Preisspirale dürfte sich aber noch weiter abwärts drehen, da viele Bullen-mäster derzeit keine Kälber bzw. Fresser mehr einstallen. Dies bekommt auch Manfred Fleischmann aus Weidhausen im Landkreis Coburg zu spüren. Der Fres-seraufzüchter verfügt über 280 Aufzucht-plätze. Bereits Mitte Januar standen mehr als 60 fertige Fresser im Stall, die längst hätten verkauft sein sollen. Es lassen sich nur noch einzelne Tiere vermarkten, so Fleischmann. In Holland schlachten lassen? Im Rheinland, in Westfalen sowie im westlichen Niedersachsen haben sich etli-che Rinderhalter einen neuen Absatzweg erschlossen: Sie exportieren Bullen und Schlachtkühe nach Holland. Dort lag die Notierung für R3-Bullen Mitte Januar et-wa eine DM über der amtlichen Notie-rung in Weser-Ems. Kein Wunder, dass die niederländischen Schlachtbetriebe deshalb gerne in Deutschland einkaufen, auch wenn sie einen Teil der Preisdiffe-renz an die deutschen Rinderhalter abge-ben müssen. Dieser Schlachtviehtourismus führt zu erheblichen Wettbewerbsverzerrun-gen, ärgert sich Rüdiger Thomsen, Inha-ber des Schlachthofes in Kellinghusen, Schleswig-Holstein. Schließlich kommt das Fleisch wieder auf den deutschen Markt zurück. Wie lange die deutschen Rinderhalter von den guten holländischen Preisen noch profitieren können, ist fraglich. In Holland ärgern sich die einheimischen Rinderhalter zunehmend über die deut-schen Importe, da sie auf ihren eigenen Rindern sitzen bleiben. Der Druck auf die Schlachtbranche, verstärkt im eigenen Land zu kaufen, wächst stetig. Jetzt will der holländische Staat bei den deutschen Schlachttieren nicht mehr die Kosten für die BSE-Tests übernehmen. Geringerer Absatzrückgang bei Markenfleisch Bei einigen Markenfleischprogram-men scheint sich der Absatzrückgang da-gegen nicht ganz so dramatisch zu ent-wickeln. Wir haben keine Absatzproble-me für Fleisch. Probleme wird es aber hier wohl auch bald durch die Skandalmel-dungen des Etikettenschwindels bei Wurstwaren geben, berichtet Stefan Bauers von der Bauernsiegel-Erzeugerge-meinschaft aus Uelzen. Ähnlich sieht es auch Rolf Heidenber-ger, Geschäftsführer der Fleischwerke Edeka Nord GmbH: Wir haben im Rind-fleischmarkt nur Einbußen von 20 Pro-zent zu verzeichnen, besonders stark rück-läufig sind dagegen die Wurstwaren. Den Absatz von Geflügel- und Schweinefleisch konnte das Unternehmen in den letzten Wochen fast verdoppeln. Den geringen Rückgang beim Rind-fleischabsatz führt Heidenberger auf die massive Verbraucheraufklärung zurück, die das Unternehmen betreibt. Täglich informieren etwa 80 Landfrauen an unse-ren Fleischtheken über BSE. Eine Mar-ketingstrategie, die sich auszahlt. Biofleisch vom Preisverfall nicht ausgenommen Aber auch die Markenfleischprogram-me bleiben vom ruinösen Preisverfall nicht verschont, da auch hier die amtliche Notierung als Abrechnungsbasis heran-gezogen wird. So erhalten z. B. die Er-zeuger des Bauernsiegel-Qualitätsfleisch-programmes einen Zuschlag von 35 Pf pro kg SG auf die R3-Notierung in Weser-Ems. Gleiches gilt für Bio-Fleisch. Nach Auskunft von bioland konnte zwar der Rindfleischabsatz um 60 Prozent gestei-gert werden, dennoch sinken die Preise. Denn auch der Preis für Biofleisch ist an die amtliche Notierung gekoppelt. Die Anfang Januar angelaufene Inter-vention und der Export haben bisher zu keiner nennenswerten Marktstabilisie-rung geführt. Zwar wurden in den ersten Januarwochen in Bayern etwa wieder zwei Drittel der vor der BSE-Krise üb-lichen Stückzahl an Jungbullen geschlach-tet (Übersicht), aber nur etwa 50 Prozent dieser Tiere gelangten in die Intervention. Der Rest erfüllte die Anforderungen hin-sichtlich Handelsklassen oder Gewichts-begrenzung nicht oder wurde von den Aufkäufern wegen Schlachtmängeln ab-gelehnt. Im Norden und Westen sind so-gar nur etwa 30 Prozent der Bullen in die Intervention aufgenommen worden. Über die extrem strengen Auswahlkri-terien klagen die Schlachtunternehmen einhellig, denn selbst gute Standardware werde dabei zurückgewiesen. Die hohen Qualitätsanforderungen führen nur dazu, dass viele Partien von der Intervention ab-gelehnt werden, die jetzt die Lager füllen und den Markt zusätzlich belasten, er-läutert Dr. Albert Hortmann-Scholten, Marktreferent der Landwirtschaftskam-mer Weser-Ems. Georg Stark, Bullenmastexperte an der Bayerischen Landesanstalt für Betriebs-wirtschaft und Agrarstruktur, macht des-halb die gegenwärtige Interventionspraxis für den dramatischen Preisverfall bei Jungbullen mitverantwortlich. Stark: Die Intervention erfüllt derzeit jedenfalls nicht ihr Ziel der Preisstabilisierung. Preise: Noch keine Besserung in Sicht Wie sich die Erzeugerpreise in den kommenden Wochen entwickeln werden, ist noch völlig offen. Marktexperten gehen in nächster Zeit von steigenden Altkuhschlachtungen aus. Diese dürften für weiteren Druck auf die Erzeugerpreise sorgen. Bislang bewegten sich die Schlachtzahlen bei Kühen bei 50 Prozent der regulären Stückzahlen. Das kann sich jetzt aber schlagartig ändern, denn viele Milchviehhalter haben aus Angst vor einem BSE-Fall im eigenen Be-trieb ihre Schlachtkühe zurückgehalten. In den meisten Betrieben werden daher Altkühe, die normalerweise zur Schlach-tung anstehen würden, weitergemolken. Die Übermilch wird an die Kälber ver-tränkt oder weggeschüttet. Falls sich kein Schlachthof findet, der kranke oder verletzte Kühe abnimmt, so werden diese auch eingeschläfert und der Tierkörper-beseitigung zugeführt, beobachtet Hans Diefenbach vom Beratungsring Friesland-Wilhemshaven. Etliche Milchviehhalter haben mittler-weile jedoch eine Ertragsschadensversi-cherung abgeschlossen. Nach Ablauf der meist vierwöchigen Wartezeit werden sie den Schlachtereien wohl viele Kühe an-dienen. Die Ställe sind voll, und jetzt ste-hen auch noch die Abkalbungen an. Außerdem wird langsam das Futter knapp. Die Tiere müssen daher raus aus dem Stall!, fasst Milchviehhalter Lothar Främke aus Rebenstorf die Situation zu-sammen. Auch die Preisentwicklung bei Bullen scheint zunächst noch abwärts gerichtet zu sein. Der Export von Bullen wird zuneh-mend schwieriger. Seit in Italien der erste BSE-Fall bekannt wurde, nimmt auch dort die Nachfrage nach Rindfleisch deut-lich ab. Ein Problem vor allem für süd-deutsche Schlachtbetriebe. Diese ver-markten einen Großteil der geschlachte-ten Bullen nach Italien. Bessere Preise durch Aufkaufaktion? Für eine spürbare Marktentlastung könnte die Aufkauf- und Vernichtungs-aktion der EU sorgen. Bereits am 5. De-zember haben sich die EU-Landwirt-schaftsminister darauf geeinigt, etwa 500 000 t Rindfleisch vom Markt zu neh-men. In Deutschland könnten dadurch et-wa 400 000 Tiere zu festen Preisen abge-setzt werden. Bei Bullen oder Kühen sol-len 1 017 DM für Standardqualitäten ge-zahlt werden. Rund 70 Prozent davon übernimmt die EU, die restlichen 30 Pro-zent der Bund. In Deutschland ist jetzt jedoch eine heftige Diskussion darüber entbrannt, ob die Aufkaufaktion überhaupt umgesetzt werden soll. Nordrhein-Westfalen und das Saarland sperren sich gegen die Mas-senschlachtung, da sie nicht zur Sicherheit der Verbraucher beitrage. Als Alternative zur Aufkaufaktion ist der Rindfleischexport in Drittländer im Gespräch. Der Export wäre für den Bund auf jeden Fall günstiger als die Aufkauf-aktion. Marktbeobachter schreiben dem Export jedoch eine preisdrückende Wir-kung zu, da das meiste Fleisch nach Russ-land exportiert werden müsste. Die Rus-sen werden dem Export wohl aber nur bei sehr niedrigen Preisen zustimmen (Bis zum Redaktionsschluss haben die Bundes-länder sich noch nicht auf eine einver-nehmliche Lösung einigen können). Fazit: Die Lage für die Rinderhalter spitzt sich weiter zu. Es ist noch kein Licht am Ende des Tunnels in Sicht. Schon jetzt verursachen die Erlösausfälle solch massi-ve Einkommensverluste, dass einige Be-triebe bereits an eine Produktionsaufgabe denken. K. Dorsch, H. Neumann, A. Quiring, G. Veauthier

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