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Gen-Fluch oder Geld-Segen?

Lesezeit: 5 Minuten

Die EU verhandelt mit den USA über ein Freihandelsabkommen. Für die Landwirtschaft könnte der Pakt weitreichende Folgen haben. Vor allem beim Verbraucherschutz klemmt es.


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Europa und die USA wollen Handels-Barrieren radikal abbauen, um den Warenaustausch anzukurbeln. Dabei könnte die größte Freihandelszone der Welt entstehen.


Es geht natürlich um den Abbau von Zollschranken. Diese spielen im trans-atlantischen Geschäft aber schon länger nicht mehr die entscheidende Rolle (s. Übersicht). Viel größere Handelsbarrieren sind inzwischen die unterschiedlichen Industriestandards oder Lebensmittelgesetze. Viele EU-Landwirte stellen sich daher die Frage: Werden die mehr als 300 Millionen Amerikaner zu neuen Kunden? Oder kommen demnächst die mit Gentechnik und Hormonen kostengünstiger produzierten Lebensmittel in die EU?


Der Freihandel soll laut einer EU-Studie europaweit jedes Jahr 119 Mrd. € an zusätzlichem Einkommen bringen. Das wären rund 545 € jährlich für eine vierköpfige Familie. Die Bertelsmann Stiftung erwartet, dass allein in Deutschland bis zu 181 000 neue Arbeitsplätze entstehen und die Krise in Südeuropa beendet wird. Andere Studien sehen dagegen geringere Wachstums­effekte.


Für die EU-Kommission sitzt federführend Handelskommissar Karel de Gucht (59), ein belgischer Liberaler, am Tisch. Für die USA werden die Verhandlungen von Präsident Obamas Handelsbeauftragtem Michael Froman (53) geleitet.


Derzeit laufen die Verhandlungen auf Hochtouren. Da lassen sich die Verhandler nur bedingt in die Karten schauen. Wenn das Abkommen steht, soll es einen Informations- und Abstimmungsprozess in den EU-Staaten geben. Ende 2014 soll das soweit sein.


Der Deutsche Bauernverband sieht ein zusätzliches Absatzpotential für Schweinefleisch, Milchprodukte, Bier und Wein. „Das sind die Flaggschiffe unserer Landwirtschaft“, so Dr. Michael Lohse vom Bauernverband. Auch bei Back- und Süßwaren gebe es Potenzial, heißt es. Brüssel erhofft sich zudem Verkaufsmöglichkeiten für europäische Bio-Produkte. Das Thünen-Institut sieht außerdem Potenziale bei Ölsaaten: Sollten die USA Ihren Zoll auf Öl­saaten-Importe streichen, könnte die Produktion hierzulande geringfügig wachsen. Insgesamt erwarten die Wissenschaftler aber keine revolutionären Verschiebungen auf den landwirtschaftlichen Märkten.


„Bei Fleischprodukten und Getreide“, meint Dr. Janine Pelikan vom Thünen-Institut in Braunschweig. Sie sieht einen leichten Produktionsrückgang. Dies gelte aber nur, wenn die EU ihre bisherigen Lebensmittelstandards aufrechterhält.


Gerade daran scheiden sich aber die Geister. Vieles, was Landwirte, Verbraucher und Politiker in der EU strikt ablehnen, ist in der US-Landwirtschaft gängige Praxis. Intensiv gerungen wird unter anderem über die antimikrobielle Oberflächenbehandlung von Schlachtkörpern bei Schweinen und Geflü-gel. Bisher ist z. B. die in den USA übliche Chlor-Desinfektion geschlachteter Hähnchen in der EU nicht zulässig. Gestritten wird auch über den Einsatz der Grünen Gentechnik und hier insbesondere über die Zulassungsbedingungen für gentechnisch veränderte Futter- und Lebensmittel.


EU und USA haben eine völlig unterschiedliche Grundphilosophie beim Verbraucherschutz. Die Amerikaner orientieren sich bei ihrer Rechtsetzung sehr stark an wissenschaftlichen Standards. In der EU spielt darüber hinaus der Vorsorgecharakter und die Akzeptanz der Bevölkerung bei der Gesetzgebung eine wichtige Rolle. Es wird daher entscheidend darauf ankommen, ob es gelingt, die unterschiedlichen Herangehensweisen unter einen Hut zu bringen.


Der Finanzausschuss des US-Senats hat bereits klargestellt, dass man dem Abkommen nur zustimmen werde, wenn sich die EU auf schnellere und verlässlichere Zulassungsbedingungen für gentechnisch veränderte Futter- und Lebensmittel einlässt und sich auch in der Frage der antimikrobiellen Behandlung von Schlachtkörpern bewegt. Ähnliche Stimmen kommen vom US-Handelsbeauftragten und vom Bauernverband „Farm Bureau“.


Eine Einigung ist noch nicht in Sicht. Aus durchgesickerten EU-Papieren wird aber deutlich, dass sich die EU beim Thema Lebensmittel und Landwirtschaft auf keine Kompromisse einlassen will. Das bestätigt Frederic Vincent, Sprecher des EU-Gesundheitskommissars Borg, gegenüber top agrar: „Es stimmt, dass uns die Wissenschaft nicht gerade viele Argumente gegen Hormonfleisch an die Hand gibt. Aber wir wollen dieses Fleisch trotzdem nicht.“


Wer welche Position durchhält, muss sich zeigen. Die europäischen Wirtschaftsverbände haben ein massives Interesse an dem Abkommen. Auf der anderen Seite machen aber auch Verbraucher- und Umweltschutzverbände sowie Entwicklungshilfegruppen genauso viel Lobbyarbeit dagegen.


Völlig offen ist, ob das sogenannte Investoren-Staat-Schiedsverfahren bei den weiteren Verhandlungen eine Rolle spielen wird. Dieses Verfahren gibt Unternehmen das Recht, Staaten für entgangene Gewinne aufgrund von Regeln und Gesetzen zu verklagen, und zwar außerhalb der üblichen staatlichen Rechtsverfahren. Es gibt Beispiele, wo sich internationale Investoren auf diesem Wege gegen nationale Gesetzgeber durchgesetzt haben.


Höchst unterschiedlich: Der Deutsche Bauernverband und auch das Bundeslandwirtschaftsministerium stehen der Sache eher positiv gegenüber. So appelliert Sprecher Michael Lohse: „Wir sollten nicht nur denken, da kommt was Böses über den Teich. Sondern auch wissen, dass ‚Made in Germany’ in den USA einen exzellenten Ruf genießt.“


Ganz anders sieht man das beispielsweise bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) oder bei Bioland. Die AbL bezeichnet die intransparente Verhandlungsführung als inakzeptabel. Bei Bioland sieht man gar die demokratische Willensbildung den Interessen global agierender Unternehmen untergeordnet. AbL und Bioland fordern einen sofortigen Stopp der Verhandlungen.


Welche Seite recht behält, lässt sich erst beurteilen, wenn das Abkommen zur Abstimmung vorliegt. Dann werden wir sehen, wer sich durchgesetzt hat und wer sich wie weit über den Tisch hat ziehen lassen.


Claus Mayer

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