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Mit guten Argumenten in die Offensive gehen!

Lesezeit: 5 Minuten

Bei neuen Ställen reagiert die Bevölkerung zunehmend allergisch. Wenn die Konflikte weiter eskalieren, können Veredlungsbetriebe kaum noch wachsen. Wie kann der Berufsstand gegenhalten?


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Dann halt über den Brandschutz: Findige Juristen finden immer wieder neue Wege, um Stallbauvorhaben zu Fall zu bringen.


In der Gemeinde Bockhorst im nördlichen Emsland hat das „Bündnis gegen Agrarfabriken“, ein Zusammenschluss aus ABL, Tierschutzbund, Naturschutzverbänden und inzwischen mehr als 100 Bürger­initiativen, einen Bauantrag für zwei neue Hähnchenställe regelrecht zerpflückt.


Ein vom Bündnis einbestellter Berliner Verwaltungsrechtler begründete unter anderem, dass es im Baukonzept keine Evakuierungspläne für die Hähnchen gäbe, womit das Vorhaben gegen die niedersächsische Bauordnung verstoße. Mit durchschlagendem Erfolg: Das Projekt in Bockhorst und zahlreiche weitere Bauvorhaben liegen inzwischen auf Eis, die Genehmigungspraxis eines gesamten Landkreises gerät ins Wanken. Die Verunsicherung unter Landwirten und Genehmigungsbehörden ist groß.


Konflikt ohne Gewinner


Das Beispiel zeigt, welche Geschütze die Gegner moderner Tierhaltung inzwischen auffahren. Dabei entsteht, angefangen beim Leserbrief in der Tageszeitung bis hin zur groß angelegten Medienkampagne, ein verheerendes Bild für den gesamten landwirtschaftlichen Berufsstand.


Hierbei entwicklet sich besonders der Stallbau zu einem Konflikt, bei dem es keine Gewinner gibt: Die bauwilligen Landwirte verlieren im Falle eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens wertvolle Zeit (2 bis 3 Jahre sind keine Seltenheit), müssen obendrein hohe Summen für Rechtsanwälte aufbringen und stehen am sozialen Pranger.


Die Kommunen machen sich bei einer zu Unrecht verweigerten Einvernehmenserklärung gegenüber den Landwirten schadensersatzpflichtig und werden gleichzeitig von den Baugegnern mit Argusaugen beobachtet.


Kommunen sitzen in der Zwickmühle


Viele Möglichkeiten, den Bau neuer Ställe zu steuern, haben die Kommunen indes nicht. Hermann Bröring, Landrat im Emsland (CDU), stellt klar: „Wir als Genehmigungsbehörde sind grundsätzlich an die gesetzlichen Bestimmungen gebunden. Wir kritisieren seit Jahren, dass diese Regelungen überholt sind.“


Bröring empfiehlt inzwischen allen Gemeinden im Landkreis, die Tierhaltung über eine gemeindliche Bauleitplanung zu steuern.


Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, angefangen bei


der Ausweisung von Konzentrationszonen im Flächennutzungsplan,


über den Erlass von Nutzungsbeschränkungen


bis hin zur Erstellung eines Bebauungsplans für den gesamten Außenbereich.


Die raumsteuernde Wirkung dieser Instrumente ist unterschiedlich, eines haben aber alle drei gemeinsam: Sie verursachen einen enormen Zeit- und Kostenaufwand, und sie sind juristisch angreifbar. Eine reine Verhinderungsplanung der Tierhaltung ist mit keiner der Maßnahmen möglich. Landrat Bröring sagt ganz offen: „Die Steuerung der Tierhaltung über gemeindliche Bauleitplanung ist nur unter schwierigen Rahmenbedingungen möglich – und mit Risiken verbunden.“


Das weiß auch Dr. Bernhard Rump von der Landwirtschaftskammer Cloppenburg. Er erstellt Gutachten bei der Zuweisung von Baufenstern und muss zwischen den Interessen einzelner Landwirte abwägen. „Dabei sind folgende Fragen maßgeblich“, erklärt Rump: „Wo steht der Betrieb jetzt? Wo in 10 Jahren? Und wie realistisch ist diese Wachstumsvorstellung?“


Ein Drahtseilakt, denn besonders über letztere Frage lässt sich trefflich streiten, das räumt auch Rump ein. Hinzu kommt der hohe Zeitaufwand des Verfahrens. Zeit, die den wachstumswilligen Betrieben fehlt. Zwar sind auch während der Erstellung eines Bebauungsplans Sondergenehmigungen möglich, in der Regel schleppen sich die Verfahren für den einzelnen Betrieb aber über Jahre. Viele Landwirte lehnen das praktizierte System ab.


Dass die Kommunen überhaupt dieses große Rad drehen, zeigt, wie ernst die Debatte ist. Erfreulich aus Sicht der Landwirtschaft ist: Die Steuerungsinstrumente in der Hand der Kommunen sind mehr oder weniger stumpf. Dies könnte sich allerdings ändern. Selbst das veredlungsfreundliche Emsland stellt inzwischen die Privilegierung für große gewerbliche Ställe im Außenbereich infrage.


Dazu muss man wissen: Laut § 35 Absatz 1 Nr. 4 des Baugesetzbuches sind bislang auch Ställe mit weniger als 50 % Futterfläche grundsätzlich im Außenbereich zulässig, sofern dem keine öffentlichen Belange entgegenstehen.


Sollte dieser Passus aufgrund anderer, bundespolitischer Mehrheiten fallen, wären die Folgen weitreichend. Die Genehmigung gewerblicher Ställe könnte nur noch mit aufwändigen Planungsverfahren erfolgen. In flächenarmen Regionen, wie dem westlichen Münsterland oder Weser-Ems, wäre ein weiteres Wachstum praktisch nicht mehr möglich.


Jetzt dagegen halten


Noch erscheint eine Änderung im Baugesetzbuch in weiter Ferne. Die Diskussion über eine Abschaffung des Paragraphen ist aber bereits in vollem Gange. Auch im Bereich des Tierschutzes und beim Umweltrecht mehren sich die kritischen Stimmen.


Der Berufsstand ist daher gut beraten, sich einzubringen und den Argumenten der Tierhaltungsgegner Paroli zu bieten. Denn die Privilegierung im Außenbereich ist ein hohes Gut, und ein Blick in die Niederlande verrät, wie radikal Vorgaben ausfallen können, wenn die Stimmung in der Bevölkerung erst einmal kippt (s. Kasten).


Gute Argumente hat die Landwirtschaft auf ihrer Seite: „Größere Bestände sind ja nichts Negatives“, sagt Prof. Thomas Blaha von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. „Den Tieren geht es in modernen, gut geführten Anlagen sogar in aller Regel besser als früher.“ Er kritisiert aber zugleich: „Dies muss die Landwirtschaft jedoch auch kommunizieren.“


Prof. Achim Spiller von der Universität Göttingen erklärt: „Landwirte brauchen die Akzeptanz der Bevölkerung. Diese gewinnt man über Vertrauen.“ Er rät dem Berufsstand zu einer offenen Diskussion, bei der auch die Schwächen moderner Tierhaltung angesprochen werden müssten.


Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband will diesen Weg gehen. Um Akzeptanz zu gewinnen und den wachsenden Konflikt rund um den Stallbau zu entschärfen, setzt der Verband auf eine Branchenvereinbarung zwischen Landwirtschaft und Kommunen zum zukünftigen Umgang mit Tierhaltungsanlagen. Im Kreis Borken, mit einer sehr intensiven Veredlungswirtschaft, haben Landkreis, Bürgermeister und Landwirte bereits eine Absichtserklärung hierüber verfasst.


Wie die Vorschläge im Detail aussehen und was die Landwirte davon haben, lesen Sie in unserem Interview mit Präsident Franz-Josef Möllers ab der nächsten Seite.


Matthias Schulze Steinmann

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