Der Blick von außen
Es ist verständlich, dass der Freispruch für die Tierschützer vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs durch das Oberlandesgericht Naumburg viele gesellschaftliche Gruppen emotional tief bewegt – auch die Landwirte und ihre Familien. Landwirt ist ein anerkannter Berufsstand, dem es weiterhin möglich sein muss, sein Einkommen zu generieren. Das ist unstreitig. Streitig ist nur das Wie.
Der Deutsche Tierschutzbund hat besonders mit dem Tierschutzlabel bewiesen, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Tierschützern und Landwirten zu guten Lösungen für das Tier und für den Landwirt führen kann. Wir beraten die Landwirte intensiv, nehmen Kritik ernst und versuchen gemeinsam Lösungen zu finden. Dafür sind manchmal schmerzhafte Kompromisse nötig – auf allen Seiten. Diesen Weg werden wir weitergehen.
Das Urteil ist aber kein Freibrief, ungehindert das Grundrecht auf Eigentum zu verletzen. Die Richter haben formuliert: „Eine Notstandshandlung dürfe nur dann begangen werden, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe und massive Rechtsverstöße vorlägen.“
Das ist eine Schelte für die zuständigen Behörden. Denn die Missstände waren offenbar mehrfach vorher gemeldet – es tat sich nichts. So entsteht ein Notstand. Und alle, auch die Landwirtschaftsvertreter, sollten das erkennen.
Das Behördenversagen darf aber nicht zu einer Schuldverschiebung führen. Die Hauptverantwortung für den Umgang mit dem Tier im Stall liegt beim Landwirt. Offensichtliche Missstände müssen wir als Tierschutz- organisation öffentlich verurteilen.
Notstands-Bilder können und dürfen nicht wegdiskutiert werden! Statt darüber zu reden, hieß es aus den Reihen der Bauernvertreter aber: „Nach diesem Urteil habe ich Zweifel am Rechtsstaat.“ Jetzt soll es die Bundesregierung richten, damit sich so ein Urteil nicht wiederholt.
Notwendig wäre stattdessen ehrliche Selbstkritik, konstruktive Vorschläge und Lösungen für mehr Tierschutz in den Haltungssystemen und für die Zusammenarbeit mit Tierschutzorganisationen. Nur dann entsteht Vertrauen. Bertold Brecht hat mal gesagt: „Vertrauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird.“
Für mich gibt es nur eine Handlungsempfehlung an die Landwirte: Öffnet die Stalltüren! Für eine tiergerechte Weiterentwicklung von Haltungssystemen, die für die Landwirte leistbar und finanzierbar ist, können wir dann gemeinsam streiten.
StreitPunkt