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Zurück in die Öko-Nische?

Lesezeit: 5 Minuten

Brüssel will die Ökoverordnung deutlich verschärfen. Der Vorschlag ist praxisfremd und nicht umsetzbar, schimpfen die deutschen Bio-Verbände. Worum geht es?


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EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos will „das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität der Bio-Produkte festigen und Hindernisse für den Ausbau der ökologischen Produktion beseitigen“. Deshalb hat er Ende März in Brüssel einen Entwurf für eine grundlegende Reform der EU-Ökoverordnung vorgelegt.


Zwei Probleme tauchen in der Diskussion permanent auf: Erstens gibt es bei der Einfuhr von Bio-Produkten nach Deutschland immer wieder Zweifel, ob die Erzeugnisse regelkonform erzeugt und kontrolliert worden sind. Und zweitens wird über die generelle Verlässlichkeit der Bio-Kontrollen debattiert, wie z.B. bei den aktuellen Vorwürfen um falsch deklarierte Bio-Eier in Mecklenburg-Vorpommern.


Beide Punkte greift Ciolos in seinem Entwurf auf. Er will die Einfuhrbestimmungen für Bio-Produkte vereinheitlichen und verschärfen sowie die Kontrollen auf einen risikobasierten Ansatz umstellen. In Zukunft soll verstärkt da kontrolliert werden, wo schon einmal etwas schiefgelaufen ist oder wo das Betrugsrisiko besonders groß ist. Diese Punkte sind in der Bio-Branche auch weitgehend unstrittig.


Ciolos geht in seinem Entwurf aber noch einen Schritt weiter: Weil er das Vertrauen der Verbraucher in Bio-Produkte erschüttert sieht, will er die ganze Verordnung verschärfen. Vor allem will er eine weitgehende Nulltoleranz bei Rückständen von Pflanzenschutzmitteln (PSM) in Bio-Produkten durchsetzen und die vielen nationalen Ausnahmeregelungen für die Bio-Landwirte drastisch einschränken. Das könnte den Bio-Bauern zum Verhängnis werden.


Zwei Bereiche tun richtig weh: Biobauern sollen künftig nicht mehr auf konventionelles Saatgut zurückgreifen dürfen. Auch dann nicht, wenn gar kein Öko-Saatgut zur Verfügung steht. Gerade im Gemüsebau ist das oft der Fall.


Fast noch härter trifft die Acker­bauern die Forderung, dass es künftig eigenständige, extrem niedrige Grenz­werte für PSM-Rückstände in Bio-Lebensmitteln geben soll. Bisher galten die gleichen Grenzwerte wie für konventionelle Lebensmittel. Demnächst könnte je nach konkreter Ausgestaltung der Reform eine Nulltoleranz Realität werden. Die Kommission begründet das mit Verbraucherwünschen, die sie in einer Web-Umfrage ermittelt haben will.


Viele Bio-Landwirte wissen nicht, wie sie diese Forderung erfüllen sollen. „Glyphosat ist mittlerweile so weit in unserer Umwelt verbreitet, dass sogar jeder zweite Großstädter es im Urin hat. Da ist es bei der modernen Messtechnik nur ein Frage der Zeit, bis es auch auf unseren Äckern nachgewiesen wird“, sorgt sich z. B. Willi Bolten, der am Niederrhein großflächig Bio-Freilandgemüse anbaut (siehe Reportage Seite 56).


Auch für Bio-Futtermittel sollen demnächst strengere Vorschriften gelten. Bisher dürfen 5 % der Ration von Monogastern aus konventioneller Erzeugung stammen. Das will die Kommission verbieten.


Darüber hinaus muss das Futter überwiegend vom eigenen Betrieb bzw. aus der Region stammen. Die bisherigen Vorgaben werden deutlich verschärft. In der Rinderhaltung von 50 auf 90 %, bei Geflügel von 20 auf 60 %. Dann wird es schwer, Bio-Hähnchen und Bio-Puten in der Aufzuchtphase bedarfsgerecht mit Eiweiß zu versorgen, prognostiziert Bio-Mischfutterhersteller Rudolf Joost-Meyer zu Bakum (siehe Seite 55).


Entwarnung gibt er hingegen für Rinderhalter: „100 % Ökofutter und 90 % regionales Futter sind bei Milchkühen gut machbar“, so Joost-Meyer.


Vor knapp zwei Jahren besetzte Ciolos seine Öko-Abteilung neu, weil er die europäische Bio-Branche auf mehr Wachstum einstellen wollte. Die neuen Gesichter sind erfahrene EU-Bürokraten, haben aber keine vertieften Kenntnisse über die Praxis im Ökolandbau. Das könnte erklären, warum die Kommission vor allem ein Ohr für Verbraucherbedürfnisse hat, aber kaum auf die praktische Umsetzbarkeit ihrer Vorschläge achtet.


Die Verbraucher wurden über eine Online-Umfrage um ihre Meinung gebeten, mehr dazu in unserem Interview mit dem zuständigen Abteilungsleiter João Onofre (siehe Seite 54).


Wenn die Verordnung Realität wird, geht der Deutsche Bauernverband davon aus, dass das ohnehin langsame Wachstum des Ökolandbaus vollständig zum Erliegen kommt. Obendrein könnten viele der 23 500 deutschen Bio-Bauern wieder konventionell wirtschaften oder die Landwirtschaft ganz aufgeben.


Erstaunlicherweise sieht die EU-Kommission das auch selbst so. Sollte der Reform-Entwurf so kommen, werden Bio-Bauern aufgeben und kaum noch konventionelle Kollegen auf Bio umstellen, heißt es in einem Bericht. Wegen der schlechten Datenlage könne man über das genaue Ausmaß der Bio-Schrumpfkur aber nur mutmaßen.


Nicht viel. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstand des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), unterstellt Kommissar Ciolos immerhin guten Willen. „Wir akzeptieren aber keine Regeln, welche uns in eine Nische zurückdrängen könnten“, so Löwenstein.


Vor allem die Messung von PSM-Rückständen in Bio-Produkten stößt den Verbänden sauer auf. Bioland-Präsident Jan Plagge hält das für eine Abkehr vom Verursacher-Prinzip. „Damit würden die Flaschen bestraft, denn erst durch Abdrift von konventionellen Nachbarn kommen Pestizide auch in Bio-Ware. Ich sehe großes Konfliktpotential zwischen Bio-Bauern und konventionellen Nachbarn“, so Plagge.


Neben den Regelverschärfungen fürchten die Öko-Verbände vor allem eine Entmachtung des EU-Par­laments und der Mitgliedsstaaten. Öko-spezifische Grenzwerte etwa sollen nicht in der Verordnung festgelegt werden, sondern erst später durch die Kommission. „Die Kommission könnte so künftig im Alleingang bestimmen, was Öko ist und was nicht“, sorgt sich Sebastian Mittermaier von Naturland.


Positiv sehen die Verbände das Verbot von Teilumstellungen. Das Betrugspotenzial sei zu hoch, wenn es auf einem Hof konventionelle und ökologische Betriebszweige gebe. „Deswegen haben sich die Ökoverbände diese Regel längst freiwillig auferlegt“, so Mittermaier.


Die Kommission muss ihren Entwurf jetzt mit dem EU-Parlament und den 28 EU-Agrarministern abstimmen. Wie viel dabei vom Entwurf übrig bleibt, wird auch davon abhängen, wie das Parlament nach den Wahlen im Mai zusammengesetzt ist und wie viel Gegenwind von den nationalen Regierungen kommt. Die Kommission ist sich ihrer Sache aber ziemlich sicher, Einwände der Ökoverbände hat sie bisher mit deutlichen Worten vom Tisch gewischt.


Die Verhandlungen können sich bis zu zwei Jahre hinziehen. Die neuen Regeln könnten dann ab Mitte 2017 gelten.

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