EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat sich beim Bauerntag in Berlin für eine bessere Finanzausstattung des EU-Haushalts nach 2020 ausgesprochen. „Wenn wir das Erfolgsprojekt Europa fortsetzen wollen, müssen wir die doppelte Finanzlücke schließen, die auf uns zukommt. Erstens fehlen uns nach dem Brexit 10 bis 11 Mrd. € pro Jahr des Nettozahlers Großbritannien. Und zweitens brauchen wir für die Flüchtlings- und Entwicklungshilfepolitik sowie für Verteidigungsaufgaben weitere 10 Mrd. € jährlich“, rechnete Oettinger vor. Diese Aufgaben könne man effizienter in Europa koordinieren. Dann müsse man die Kommission aber dafür auch finanziell ausstatten. Über Überschichtungen und Kürzungen bestehender Aufgaben könne man das notwendige Geld nicht erwirtschaften. „Das würde ein Kahlschlag für die erfolgreiche EU-Agrar- und Strukturpolitik bedeuten und ist mit mir nicht zu machen. Da stehe ich an Ihrer Seite“, stellte der Kommissar klar. Die Alternative wäre dann eine Renationalisierung der EU-Agrarpolitik. „Ich plädiere nicht dafür, das Rad zurückzudrehen.
Beitragsdeckel muss gelupft werden
Oettinger appellierte an die Staats- und Regierungschefs der EU, die bisher geltende Obergrenze von 1 % des Bruttonationaleinkommens für Beiträge an die EU anzuheben. „Der Deckel muss gelupft werden“, forderte der Schwabe. „Wer zu knausrig ist, macht Europa kaputt.“ Von 100 €, die in Europa erwirtschaftet würden, gingen im Durchschnitt 50 € in die öffentlichen Kassen. Davon bekomme die EU nur 1 €. „49 € bleiben in Berlin, Düsseldorf, Stuttgart, Biberach oder bei der AOK“, bemerkte Oettinger spitz. „Schon eine Anhebung des Deckels auf 1,1 oder1.2 % des Bruttonationaleinkommens gebe dem EU-Haushalt ausreichenden Spielraum für die zukünftigen Aufgaben, ist Oettinger sicher. „Ein marktorientiertes, offenes und liberales Europa sollte uns das wert sein.“
Koalitionsverhandlungen im Oktober entscheidend
Im Oktober bei den Koalitionsverhandlungen für die neue Bundesregierung würden die Weichen gestellt, wie sich Deutschland in Zukunft positioniere. Im Koalitionsvertrag müssten Aussagen zur Zukunft der EU-Agrarpolitik stehen und zur Finanzierung des EU-Haushalts. „Dann werden Kanzlerin, Außen- und Finanzminister das zur Richtschnur ihres Handelns machen“, ist der Kommissar überzeugt. „Machen Sie Ihren Einfluss geltend“, empfahl Oettinger dem Berufsstand.
Die Kommission werde sich bemühen, den Finanzrahmen für die Zeit nach 2020 frühzeitig zu verabschieden. „Dann bleibt genug Zeit für die rechtzeitige Erstellung der Antragsunterlagen“, versprach er den Landwirtinnen und Landwirten. Am 7. Juli werde EU-Agrarkommissar Phil Hogan die Ergebnisse der Beteiligungsverfahren zur Zukunft der EU-Agrarpolitik veröffentlichen. Dann beginne die heiße Phase der Diskussion. Schon jetzt sei der EU-Kommission klar, dass die Umsetzung der Förderung einfacher werden müsse. „Eine Kontrolle von einer staatlichen Stelle muss reichen“, umriss Oettinger ein wichtiges Ziel.