Auch die heimische Mischfutterindustrie lehnt branchenweite Verpflichtungen zu einer „gentechnikfreien“ Fütterung strikt ab. Der Sprecher der Geschäftsführung des Deutschen Verbandes Tiernahrung (DVT), Dr. Hermann-Josef Baaken, wies dazu gegenüber AGRA-EUROPE darauf hin, dass weltweit bereits auf rund 175 Mio ha gentechnisch veränderte (GV-)Pflanzen angebaut würden. Die Tendenz sei weiter steigend.
GV-Soja komme als Schrot für den deutschen Markt im Wesentlichen aus Brasilien, wo der Anteil dieser Ware bereits bei rund 90 % liege. In Nordamerika und Argentinien seien es bei Soja jeweils fast 100 %.
Deutschland ist laut Baaken seit Jahren Nettoimporteur von pflanzlichem Eiweiß. Das jährliche Aufkommen an verdaulichem Rohprotein betrage rund 8,3 Mio t, wovon 30 % ausländischer Herkunft seien, in der Regel Soja. Neben einzelnen Partien aus Südeuropa komme der überwiegende Teil der Sojaimporte aus den USA und Südamerika. Der Gesamtfutterverbrauch an Sojaschrot belaufe sich hierzulande auf rund 4,5 Mio t im Jahr. Darin enthalten seien die unmittelbar in der Landwirtschaft sowie die in der Mischfutterindustrie eingesetzten Mengen.
Der DVT-Geschäftsführer wies auch darauf hin, dass der Anbau von nicht gentechnisch veränderten Sojabohnen - trotz der Nachfrage aus der EU und vor allem aus Deutschland - von Jahr zu Jahr abnehme. Exakte Zahlen über die tatsächlich umgesetzte konventionelle Ware lägen nicht vor, denn nicht die komplette gentechnisch freie Sojaproduktion werde auch als solche gehandelt und in die EU geliefert. Dies alles erkläre, wie schwierig es sei, Verschleppungen mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu vermeiden, so Baaken.
Auch rechtliches Risiko
Helmut Wulf, der das Amt des DVT-Präsidenten letzte Woche an Jan Lahde abgab, hatte schon am vorletzten Freitag anlässlich der 14. Jahrestagung des Verbandes in Bremen die Forderung des Lebensmitteleinzelhandels nach flächendeckend gentechnikfreiem Futter mit einem klaren „Nein“ beantwortet.
Eine solche pauschale Forderung sei nicht machbar, stellte Wulf klar. Die von den Mischfutterherstellern nicht zu verantwortenden Verschleppungen und die Rechtsunsicherheiten bei der Bewertung der Grenzwertüberschreitungen bedeuteten ein Risiko, das die Unternehmen nicht pauschal übernehmen könnten. Die Futtermittelwirtschaft orientiere sich immer an den Bedürfnissen der Kunden.
„Es gab und gibt ‚mit‘ und ‚ohne‘ Gentechnik“. Wulf: „Der Grundsatz der Wahlfreiheit muss sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite gelten. Dies umfasst auch das Recht der landwirtschaftlichen Erzeuger auf freie Wahl der Produktionsmittel.“ Der Verband unterstütze jedoch freiwillige Initiativen zur Verwendung „gentechnikfreier“ Futtermittel im Rahmen von Einzelvereinbarungen, wenn diese praktikabel und im Rahmen des geltenden Rechtsrahmens umsetzbar seien. Der DVT hatte sich in der Frage zur gentechnikfreien Fütterung mit dem Deutschen Raiffeisenverband (DRV) abgestimmt.
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