Ein Kommentar von top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals
Die SPD hat gestern den Weg für Koalitionsverhandlungen frei gemacht. Mit dem Sondierungspapier könne man im Bereich Landwirtschaft arbeiten, sagt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Und es steht auch nicht erwarten, dass die SPD große Nachbesserungswünsche im Agrarbereich anmelden wird. Dazu müssten sich die Genossen ernsthaft für das Thema interessieren. Diesen Eindruck habe die SPD bei den Sondierungen nicht vermittelt, heißt es aus Verhandlungskreisen.
Klar haben Bauern-, Umwelt- und Tierschutzverbände noch viele Wünsche für den neuen Koalitionsvertrag. Das ist verständlich und normal. Und vielleicht findet der eine oder andere Aspekt noch Eingang in die Vereinbarung?
Normal ist auch, dass die Grünen als künftige Oppositionspartei mit dem bisherigen Sondierungsergebnis überhaupt nicht zufrieden sind. Das ist ziemlich durchsichtig, weil das Zwischenergebnis für Landwirtschaft und ländliche Räume gar nicht so weit von den Fast-Beschlüssen der Jamaika-Sondierung entfernt sind, wie die Grünen jetzt glauben machen wollen.
Was den GroKo-Verhandlungen aber bereits jetzt völlig abgeht, ist die Begeisterung für die neue Koalition. Eine frisch gewählte Bundesregierung strahlt normalerweise den Zauber des Neuanfangs aus, verbreitet Aufbruchstimmung. Die neuen Koalitionspartner sind begierig darauf, etwas zu bewegen. Davon ist nichts, aber auch gar nicht zu spüren, weder bei der SPD noch bei der Union und schon gar nicht in der Agrar- und Ernährungsbranche.
Das wirft kein gutes Licht auf die kommenden vier Jahre. Union und SPD werden sich lustlos im Klein-Klein der agrarpolitischen Tagesarbeit bis zur Erschöpfung verlieren. Schwer zu glauben, dass die GroKo die Kraft finden wird, sich mit den großen und drängenden Fragen zu befassen:
- Wie wollen wir in Deutschland den gesellschaftlichen Konsens für eine tragfähige Nutztierhaltung schaffen?
- Wie können wir die Natur- und Umweltbelastungen der Landwirtschaft reduzieren und gleichzeitig eine nachhaltig produktive Landwirtschaft fördern, die möglichst vielen Betrieben Zukunftsperspektiven bietet?
- Wie kommt man in offenen Märkten zu einem fairen und langfristig tragfähigen Kräftegleichgewicht in der Wertschöpfungskette?
- Kurzum: Welche Landwirtschaft wollen wir in Deutschland und was müssen tun, um diese zu bekommen?
So drehen sich alle weiter im Kreis. Und am Ende sind alle unzufrieden. Wann ist die Zeit für den Neuanfang gekommen und wer hat die Kraft und den Mut, die ersten Schritte zu gehen? Die jungen Menschen, die Freude an der Landwirtschaft haben und in dieses Berufsfeld einsteigen, warten händeringend auf solche Signale.