Namhafte Wissenschaftler sehen die Nutztierhaltung in Deutschland am Scheideweg. Sowohl der Präsident des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts (vTI), Prof. Folkhard Isermeyer, als auch der Leiter der Fachgebiets Verfahrenstechnik der Tierhaltungssysteme der Universität Hohenheim und Präsident des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL), Prof. Thomas Jungbluth, warnten letzte Woche vor einem Weiter-So.
Wenn Wirtschaft und Wissenschaft nicht bereit seien, bestimmte Entwicklungen grundlegend zu überdenken und Alternativen zu erarbeiten, bestehe das Risiko, dass die Tierhaltung in Deutschland auf längere Sicht „vor die Wand“ fahre, so die Wissenschaftler. Sie begründen ihre Einschätzung mit der wachsenden Diskrepanz zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen und den derzeitigen Produktionssystemen. Setze sich diese Entwicklung fort, werde die Politik „die Daumenschrauben für die Tierhalter weiter anziehen“ und damit deren Kosten in die Höhe treiben. Dies werde letztlich die Wirtschaftlichkeit der Nutztierhaltung hierzulande in Frage stellen und zur Abwanderung von Produktionskapazitäten führen, mit erheblichen Folgen für Einkommen, Beschäftigung und Wirtschaftskraft in ländlichen Räumen.
Isermeyer und Jungbluth betonten übereinstimmend den bestehenden Handlungsdruck: „Reden reicht nicht.“ Verantwortliche in Politik und Forschungsförderung seien gefordert. Jungbluth verwies auf den Zeitraum von acht bis zehn Jahren, den die Entwicklung neuer Haltungssysteme erfordere. Man habe daher „keine Zeit zu verlieren“. Das von der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) vorgelegte Strategiepapier biete die Chance für einen Kurswechsel. Diese Chance gelte es zu nutzen. (AgE)
Hintergrund:
Haltungssysteme komplett überdenken? (11.6.2012)
Fachforum „Tierhaltung im Fokus“ beim Bauerntag in Fürstenfeldbruck (11.6.2012)
DAFA: Doppelstrategie zur Weiterentwicklung der Tierhaltung (29.3.2012)