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Prof. Nöhle: Tierwohl, Menschenwohl oder Verzicht?

"Er kommt gerade von allen Seiten: der Ruf nach mehr Tierwohl. Da gibt es eine Arbeitsgruppe aus 15 Hochschullehrern, die im Auftrag des BMEL auf 395 Seiten zu dem Schluss kommt, dass die Nutztierhaltung in der derzeitigen Form gesellschaftlich nicht akzeptabel sei.

Lesezeit: 5 Minuten

Ein Kommentar von Prof. Dr. Ulrich Nöhle, Lebensmittelchemiker, Interim- und Krisenmanagement, Vorsitzender der Verbraucherkommission beim Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf dem Portal lebensmittelwirtschaft.org:


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"Er kommt gerade von allen Seiten: der Ruf nach mehr Tierwohl. Da gibt es eine Arbeitsgruppe aus 15 Hochschullehrern, die im Auftrag des BMEL auf 395 Seiten die „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ diskutiert und zu dem Schluss kommt, dass die Nutztierhaltung in der derzeitigen Form gesellschaftlich nicht akzeptabel sei.


Der ehemalige Landwirtschaftsminister Niedersachsens, Gerd Lindemann, berät das BMEL unter dem Titel „Eine Frage der Haltung“ und mahnt an, dass nicht-kurative Eingriffe am Tier wie Schnabelkürzen bei Geflügel und Kupieren der Schwänze beim Schwein nicht akzeptabel seien. Die grünen Landwirtschaftsminister fordern ein Verbot des Tötens der männlichen Eintagsküken und eine Reduktion des Antibiotikaeinsatzes. Der Lebensmitteleinzelhandel engagiert sich über die „Initiative Tierwohl“ (...). Der deutsche Tierschutzbund verteilt sein „Tierschutzlabel“ als Auszeichnung mit einem oder zwei Sternen an Fleischprodukte vom Huhn und vom Schwein, die ebenso einem Katalog von verbesserten Haltungsformen genügen.


So weit, so gut, aber…..


Doch halt, so einfach ist die Sache nicht. Denn da gibt es noch eine Spezies, die hier mitmischt, der Verbraucher. Der kauft aus dem bekannten „Donnerstag-Flyer“ mit den tollen Sonderangeboten Fleisch und Fleischerzeugnisse zu Niedrigstpreisen und antwortet gleichzeitig vor der Kamera in der Fußgängerzone, dass er „Massentierhaltung“ ja ganz schrecklich fände und für mehr Tierwohl auch gerne zahlen würde. Doch der point of sale spricht bekanntlich eine gegenteilige Sprache, Geiz ist eben doch geil und die Moral bekanntlich doppelt.


Die Politik muss her


Man könnte ja einfach mehr Tierwohl per Gesetz beschließen. Die Landwirte müssen die Tiere einfach anders halten. Hühnerställe anstatt mit 40.000 Masthühnern nur mit 500 Hühnern und Schweine in Gruppenhaltung zu 12. Schon ginge es den Tieren besser …und die Lebensmittel würden teurer …und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Bauern wäre dahin. Sie erinnern sich noch an die Grenzblockade der französischen Bauern vom Juli 2015, mit der diese gegen die „Billigkonkurrenz“ aus Deutschland demonstrierten?


Also muss die EU es richten. Wenn die EU für alle 28 Mitgliedstaaten die Haltungsbedingungen in völliger Gleichheit und deutlich verbessert regelt, dann geht es uns allen in der EU gleich gut und den Tieren auch. Importprodukte, die über die Außengrenzen kommen, die nicht den EU-Bestimmungen – und auch nicht unserer Tierwohlerwartung in spe entsprechen – würden durch geeignete Schutzmaßnahmen von unserem Markt fern gehalten. Nein, geht natürlich nicht, wir sind WTO-Mitglied und das wäre eine unzulässige „non-tarif-barrier“.


Dann muss der Verbraucher eben verzichten!


Die Lösung: Verzicht! Es ist ja die „hemmungslose Konsumsucht dieses völlig unkritischen und geistig total verarmten Verbrauchers“, die die intensive Nutztierhaltung in den vergangenen Jahren erst provoziert hat. Sagen auch die pressure groups. Doch was erlebte die ehemalige Landwirtschaftsministerin MdB Renate Künast, die im Sommer 2014 den „Veggie-Day“ ausrief ? Einen shit storm ohne gleichen. Verzicht? Niemals. Mein Schnitzel gehört mir.


Früher war bekanntlich alles besser. Fleisch gab es bei Geburt eines Kindes, Taufe, Kommunion, Hochzeit, Beerdigung, Ostern, Pfingsten, Erntedank und an Weihnachten. Und? Hat’s der Oma geschadet? Na also, geht doch.


Am besten, Sie fragen gleich einmal Ihre Oma, ob sie noch einmal wie früher leben möchte. „Jungchen, wenn Du wüsstest, wie schlecht es uns früher ging und wie einfach das Leben heute ist…..och Gottchen, nee….“ Gerade Ihre Oma schwärmt nämlich nicht von der „guten alten Zeit“, in der angeblich alles besser war. Im Zweifelsfalle hatte Oma nämlich zumindest zeitweise gehungert.


Seit dem 1.8.2002 steht der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz. Doch es geht uns so verdammt gut, dass wir schon nicht mehr wissen, wie wir mit unserem Wohlstand richtig umgehen sollen. Es bedarf schon eines sorgfältigen Nachdenkens und Abwägens aller Ursachen und Folgeerscheinungen, wenn man wie wir im Überfluss lebt und es allen – den Menschen in Deutschland, in der EU, auf der Welt in den Entwicklungsländern und auch den Tieren, die wir verspeisen, gut gehen soll. Ganz schwierige Sache, die am Ende wohl philosophisch-moralisch ausdiskutiert werden muss. A long way to go – gut, dass wir mit dieser anspruchsvollen Aufgabe angefangen haben!


Über Prof. Dr. Ulrich Nöhle

Lebensmittelchemiker mit Promotion in Biochemie, arbeitete 25 Jahre in internationalen Konzernen der Lebensmittelwirtschaft wie KRAFT R&D, Rowntree Mackintosh und Nestlé in verschiedenen Positionen wie Produktentwicklung, Qualitätsmanagement, Internationales Lebensmittelrecht, Beschaffung, Supply Chain Management und war Vorstandsvorsitzender der Nordzucker AG. Seit 9 Jahren ist er als Dienstleister spezialisiert auf Interim- und Krisenmanagement für die Lebensmittel- und Futtermittelindustrie und widmet sich insbesondere der Konfliktlösung und Mediation zwischen Herstellern und Amtlicher Überwachung in besonders schwierigen Fällen. Er ist außerdem Vorsitzender der Verbraucherkommission beim Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

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