Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat sein Bekenntnis zur Transformation der Land- und Ernährungswirtschaft bekräftigt. „Wir wollen diesen Prozess hin zu mehr Nachhaltigkeit mitgestalten“, sagte Präsident Joachim Rukwied kürzlich auf der Agrarfinanztagung von DBV und Rentenbank.
Vorwürfe, der DBV wolle eine Rückkehr zu „Produktionsschlachten“ der Vergangenheit, wies Rukwied als „unseriös“ und „völlig unhaltbar zurück“. Angesichts des Ukraine-Krieges und dessen Folgen für die weltweite Ernährungssicherheit gehe es nicht um eine Neuausrichtung der Agrarpolitik, sondern um eine Nachjustierung. „An der Transformation halten wir ohne Wenn und Aber fest“, stellte der Verbandspräsident klar.
Rukwied betonte zugleich den Investitionsbedarf, der mit diesem Wandel für die Betriebe verbunden sei. „Wir brauchen Ihre Begleitung“, so der Landwirt an die Adresse der Bankenvertreter. Mit einer Eigenkapitalquote von 66 % sei die Landwirtschaft nach wie vor ein attraktives Betätigungsfeld für die Finanzinstitute.
Verlässliche Rahmenbedingungen
Die Sprecherin des Vorstands der Rentenbank, Nikola Steinbock, sieht sowohl die Landwirtschaft als auch die Banken vor einer tiefgreifenden Transformation.
Steinbock bezeichnete den Klimawandel und die Digitalisierung als globale Megatrends, denen sich die Wirtschaft stellen müsse. Sowohl der Krieg in der Ukraine als auch der Klimawandel verschärfe den Hunger in Teilen der Welt. „Wir brauchen also Frieden, Klimaschutz und Versorgungssicherheit“, betonte die Rentenbankchefin.
Insbesondere die Anpassung an die Klimaveränderungen und der Weg hin zu einem klimaneutralen Europa sei fest im Fokus von Politik und Gesellschaft. Dadurch gewinne Nachhaltigkeit weiter an Bedeutung.
Eine wesentliche Voraussetzung zur Erreichung der von der Politik gesetzten Ziele sei die Nachhaltigkeitssteuerung und -messung. „Wir brauchen Leitlinien und Rahmenbedingungen, nach denen sich alle verlässlich richten können“, betonte die Rentenbankchefin. Diese gelte für Unternehmen wie auch die investierenden Banken. Nur so könne ein unverzichtbares Nachhaltigkeitsrating erfolgen.
Kritik an Plänen für Haltungskennzeichnung
Rukwied mahnte eine verlässliche politische Begleitung des Transformationsprozesses an. Dazu zähle eine Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2023 mit Öko-Regelungen, die für Landwirte wirtschaftlich attraktiv seien. Davon sei man jedoch weit entfernt.
Kein Verständnis habe er für das vorgesehene Pflegeverbot von nicht-produktiven Flächen, durch das eine Entwertung von Flächeneigentum drohe.
Politische Defizite sieht der DBV-Präsident vor allem beim Umbau der Tierhaltung. Die von der Bundesregierung für die nächsten vier Jahre in Aussicht gestellten 1 Mrd. € zur Investitionsförderung könnten angesichts der von Wissenschaftlern seit langem bezifferten Kosten von bis zu 4 Mrd. € jährlich lediglich eine Anschubfinanzierung sein.
Ablehnend äußerte sich der Bauernpräsident zu den bekanntgewordenen Plänen für eine Haltungskennzeichnung analog zur Eierkennzeichnung mit den Stufen 3, 2 und 1 sowie der Premiumstufe 0 für Öko: „Das kann bei Fleisch nicht funktionieren“, stellte Rukwied fest.
Borchert-Konzept umsetzen
Enttäuscht von der politischen Hängepartie beim Umbau der Tierhaltung zeigte sich auch Prof. Harald Grethe von der Berliner Humboldt-Universität. „Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt, und die Bundesregierung schießt ihn nicht ins Tor“, kritisierte der Wissenschaftler.
Den Umbau der Tierhaltung wertet Grethe als ein Instrument, die angestrebte und aus Klimagründen unerlässliche Reduzierung des Konsums tierischer Erzeugnisse zu beschleunigen. Dies könne jedoch nicht über den Markt funktionieren: „Wenn die Politik nicht handelt, werden Gerichte über die künftige Tierhaltung in Deutschland entscheiden“, warnte das Mitglied der Borchert-Kommission.
Über die Konsequenzen des Ukraine-Krieges für die Agrarpolitik erwartet der Agrarökonom eine sachliche Diskussion: „Das Produktionsziel der Landwirtschaft bleibt wichtig.“ Gleichzeitig dürften jedoch der Klimaschutz und die Erhaltung der Biodiversität nicht aus dem Blick geraten,
Agrarpreisanstieg höher als erwartet
Der Leiter des Fachgebiets Internationaler Agrarhandel und Entwicklung an der Humboldt-Universität räumte ein, dass der Anstieg der Preise auf den internationalen Agrarmärkten deutlich höher ausfalle, als es Modellrechnungen auf Grundlage der vergleichsweise geringen Anteile der ukrainischen und russischen Getreideerzeugung an der globalen Produktion erwarten ließen. Gründe dafür seien, dass erforderliche Umlenkungen im internationalen Agrarhandel Zeit brauchten, niedrige Lagerbestände für erhebliche Nervosität an den Märkten sorgten sowie explodierende Düngemittelpreise. Im Ergebnis bedeute die derzeitige Situation eine erhebliche Bedrohung für die Versorgung in nahrungsmittelimportierenden Ländern, so etwa in Nordafrika. Für die deutsche Landwirtschaft stelle sich die Lage differenziert dar. Laut Grethe werden Ackerbaubetriebe trotz der hohen Energie- und Düngepreise aufgrund der gestiegenen Erlöse für Getreide und Ölsaaten im Durchschnitt profitieren. Unsicher sei die Situation der Veredlungsbetriebe, da für sie die hohen Futterkosten erhebliche Auswirkungen hätten.