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Acht Biobauern und ihr Käsemeister

Lesezeit: 9 Minuten

W ie Landwirte gemeinsam eine professionelle Käseproduktion starten können, zeigt die Bio-Schaukäserei in Wiggensbach bei Kempten im Allgäu. Acht Bio-Milcherzeuger verarbeiten dort seit rund einem Jahr ihre gesamte Milch zentral zu Käse. Pro Woche werden so mehr als 2 t Käse in insgesamt 17 Sorten hergestellt. Die Vermarktung läuft größtenteils über zwei große Lebensmittelketten sowie über den regionalen Bio-Fachhandel. Ein Teil des Käses wird zudem im eigenen Bio-Laden der Käserei verkauft. Für die beteiligten Landwirte zahlt sich der Einstieg in die Käserei gleich mehrfach aus: ? Der Absatz ihrer Bio-Milch ist gesichert. ? Der Auszahlungspreis ist mindestens so hoch wie bei den Bio-Molkereien und soll künftig sogar noch steigen. Außerdem sind in der Käserei Arbeitsplätze entstanden, die u.a. an Familienmitglieder der beteiligten Landwirte vergeben wurden. So erzielen die überwiegend kleineren Milchviehbetriebe noch zusätzliches Einkommen. Hof-Käsereien hätten sich nicht gelohnt Der Einstieg der Landwirte ins Käse-geschäft hatte allerdings nicht nur finanzielle Gründe: Bei nur acht Milch-Lieferanten können unsere Kunden einfach nachvollziehen, von welchen Betrieben die Milch stammt, erklärt Christian Heberle (40). Der an der Käserei beteiligte Landwirt bewirtschaftet mit 20 Kühen (plus Nachzucht) und gut 16 ha Grünland einen vergleichsweise kleinen Bio-Betrieb. Seine sieben Berufskollegen halten zwischen 23 und 50 Kühe. Alle Betriebe sind seit vielen Jahren anerkannte Mitglieder des Bioland-Verbandes. Sie haben sich u.a. verpflichtet, statt Silage frisches Gras oder Heu an ihre Kühe zu verfüttern. Damit erzeugen die Landwirte zwar Milch, die sich besonders gut für hochwertige Käsespezialitäten eignet. Eine eigene Hof-Käserei hätte sich aber keiner der Milcherzeuger finanziell und arbeitswirtschaftlich leisten können. Der entscheidende Anstoß zur gemeinsamen Käserei kam dann vom gelernten Käser Peter Romer (36). Der gebürtige Schweizer hatte zuvor bereits zwei Verarbeitungsbetriebe mit aufgebaut. In einer großen deutschen Bio-Molkerei leitete er mehrere Jahre die Käseproduktion. Ich wollte aber wieder direkt mit Landwirten zusammenarbeiten und mit Milcherzeugern eine komplette Käserei bauen, erklärt er seine Entscheidung. Auf der Suche nach Landwirten, die bei seinem Projekt mitmachen könnten, stieß er 2002 auf die acht Bio-Landwirte rund um Wiggensbach. Diese kannten sich zwar untereinander, hatten zuvor aber noch nie zusammengearbeitet. Von Romers Plänen waren sie allerdings sofort überzeugt, so dass schnell Nägel mit Köpfen gemacht wurden: Die Milcherzeuger und der Käsemeister gründeten eine GmbH, an der sie sich mit jeweils 25 000 E beteiligten. Käsemeister Romer brachte sogar die doppelte Summe ein und ist so als Teilhaber langjährig an die Käserei gebunden. Die Landwirte kündigten bereits kurz darauf langjährig bestehende Lieferverträge mit Bio-Molkereien, weil zum Teil lange Kündigungsfristen einzuhalten waren. Käserei in Eigenleistung Bis zum Baustart verging allerdings rund ein Jahr. Nicht etwa, weil sich die örtlichen Behörden quer stellten, sondern weil die Bewilligung beantragter Fördermittel aus der Öko-Regio-Initiative-Bayern so lange auf sich warten ließ. Dabei kam die dickste Überraschung erst kurz vor Schluss: Der Zuschuss immerhin 40 % der Investitionssumme sollte nur gewährt werden, wenn alle Teilhaber die Fördermittel durch Grundschuldeintragungen absicherten. Letztlich erklärten sich die Landwirte aber auch damit einverstanden, so dass mit dem Bau begonnen werden konnte. Ein Standort war schnell gefunden: Die Landwirte und Romer mieteten eine leerstehende Zimmereihalle in Wiggensbach an. Mit günstig beschafften Wand-Elementen und mit viel Eigenleistung bauten sie die Käserei, Reife-, Lager- und Sozialräume sowie einen Laden mit angeschlossenem Veranstaltungsraum in das Gebäude ein. Bei der technischen Ausstattung ach-tete Käse-Profi Romer darauf, alles so einfach wie möglich zu halten. So kann ich die Anlagen selbst warten und reparieren und bin nicht bei jeder kleinen Störung auf einen Spezialisten angewiesen, erklärt er. Bei der Reinigungsanlage verzichtete der Experte z. B. auf eine vollautomatische Steuerung und bedient die Pumpen und Ventile statt dessen von Hand. Das passt in der kleinen Käserei noch in den Arbeitsablauf., so Romer. Auf die Betriebskosten achteten die künftigen Käsereibesitzer auch bei der Kältetechnik: Das Eiswasser- Aggregat läuft nachts und nutzt so den günstigeren Nachtstrom-Tarif. In den sensiblen Bereichen sparten die angehenden Käseerzeuger dagegen nicht: ? Die 4 500 l fassende Käsewanne ließ der Käsemeister nach seinen Wünschen fertigen. ? Für Weichkäse und Käseversuche steht zudem eine 1 000-l große Wanne zur Verfügung. ? Eine komplette Pasteurisierungsanlage wurde eingebaut. Wo die Käsequalität leiden könnte, verzichtete Romer ebenfalls nicht auf High-Tech. Mit einem Osmose-Ultraschall- Verdampfer zur Steuerung der Luftfeuchtigkeit in den Reiferäumen entsteht praktisch kein Niederschlag, weil das Wasser extrem fein vernebelt wird. Seine Erfahrungen aus der Großkäserei nutzte Romer auch beim Bau der Lager- und Reiferäume. Insgesamt fünf unterschiedlich große Zellen wurden gebaut. Nur so bekommt jede Käsesorte das richtige Reifeklima, erklärt er. Denn Temperatur und Luftfeuchte sind die wichtigsten Zutaten bei der Käsereifung. Daher wurde eine Steuerung eingebaut, die auf ein Zehntel Grad genau regelt. Teuer war der Schaltschrank trotzdem nicht, denn Landwirt Christian Heberle ist gelernter Elektroniker und baute die Steuerung mit Einzelteilen aus dem Elektronik-Katalog zusammen. Bis zu 2,5 t Käse pro Woche Inklusive der Fördermittel kostete der Umbau der Zimmerei-Halle rund 950 000 E. Allerdings wurden die Baukosten durch Eigenleistung und geschickte Preisverhandlungen deutlich gedrückt. Ursprünglich haben wir mit rund 1,3 Mio. E gerechnet, erinnert sich Landwirt Heberle. Trotzdem reichten das Stammkapital und die Fördermittel nicht, so dass alle Landwirte Kredite für die Käserei aufnehmen mussten und eine Grundschuld eintragen ließen. Um die finanzielle Belastung gerecht nach der Betriebsgröße aufzuteilen, wurde diese an der Milchquote der Landwirte bemessen. Im August letzten Jahres war es dann so weit: Die Käseproduktion konnte starten. Seitdem wird die Milch der Landwirte täglich per Spedition von den Betrieben abgeholt und in der Käserei gekühlt zwischengelagert. Wir machen nur jeden zweiten Tag Käse, um die Reinigungskosten niedrig zu halten, erläutert der Käsemeister. Pro Woche werden so aus 20 000 bis 24 000 l Milch etwa 2,5 t Käse. 10 % der Milch werden zu Joghurt, Butter und Sahne verarbeitet. Für die Herstellung und die Käsepflege sind zwei Vollzeitkräfte eingestellt worden. Zwei Landwirtssöhne arbeiten halbtags in den Reiferäumen und pflegen den Käse. Zusätzlich sind sieben Frauen in Teilzeit im Laden, im Versand und im Büro der Käserei beschäftigt. Die Mitarbeiter stammen überwiegend aus den beteiligten Landwirtsfamilien, so dass der Arbeitslohn ebenfalls an die Milcherzeuger zurückgeht , erklärt Christian Heberle, der selbst etwa einen Tag pro Woche in der Käserei mitarbeitet. Vermarktung auf Supermärkte ausgerichtet Nach dem Motto Qualität ist die beste Werbung nahm Romer kurz nach dem Start der Käseherstellung an der Käse-Olympiade in Innsbruck teil. Er gewann mit den Käsespezialitäten gleich mehrere erste Preise und kurbelte so den Absatz an. Bei der Vermarktung des Käses profitieren die Landwirte ebenfalls von Peter Romers langjähriger Tätigkeit als Käserei- Leiter: Dieser brachte die entsprechenden Kontakte zu den Einkäufern einiger großer Handelsketten mit. So wird der Wiggensbacher Käse hauptsächlich an zwei Supermarktketten und drei Bio-Großhändler verkauft. Dadurch wird unser Käse überregional bis nach Nordrhein-Westfalen in den Läden angeboten, freut sich der Käsemeister. Der Verkauf an die Supermärkte hat sich im ersten Jahr zum Schwerpunkt entwickelt, obwohl ursprünglich geplant war, den meisten Käse regional zu verkaufen. Hier im Allgäu gibt es aber traditionell ein großes Käseangebot. Da ist es schwieriger, als neue Käserei in die Regale der örtlichen Geschäfte zu kommen, hat Romer festgestellt. Daher wurde das Vermarktungskonzept kurzerhand umgestellt und auf die Supermarktketten ausgerichtet. Die notwendige Logistik für den überregionalen Verkauf haben die Käse-Profis aus Wiggensbach von Anfang an ausgelagert. Das können andere billiger und schneller, weiß Romer. Der Käse wird daher in Wiggensbach eingeschweißt und in Kartons verpackt per Kurierdienst auf die Reise geschickt. Innerhalb von 24 Stunden ist das Paket am Ziel. Über den zur Käserei gehörenden Bio-Laden mit Vollsortiment verkaufen die Käse-Landwirte zwar deutlich weniger Ware. Mit 150 kg pro Woche liegt der Laden aber im Soll, zieht Romer Bilanz. Zusätzlich werden im Laden, aus dem die Kunden dem Käsemeister durch ein großes Fenster bei der Arbeit zuschauen können, noch Milch, Joghurt, Butter und Sahne aus eigener Produktion verkauft. Künftig sollen in einem weiteren Raum Käseproben, Fondue-Abende und andere Veranstaltungen angeboten werden. Spätestens dann soll auch ein weiteres erklärtes Ziel der Bio-Landwirte erreicht werden: Der Auszahlungspreis für ihre Milch soll nach der Startphase auf etwa 40 Cent/kg steigen. Das ist allerdings auch notwendig, damit sich unsere Art der Bio-Milcherzeugung lohnt. Denn durch den Verzicht auf die Silofütterung liegen unsere Produktionskosten entsprechend höher, hat Landwirt Heberle ausgerechnet. Nach dem ersten Käserei-Jahr sind Romer und die Landwirte mit ihrem Projekt insgesamt zufrieden: Die alternative Verwertung der Bio-Milch der acht Landwirte ist gesichert, das Vermarktungskonzept ist stimmig und die Käsequalität überzeugt. Nicht zuletzt rechnen sich die Investitionen der gemeinsamen GmbH auch finanziell bereits. Wir halten fest Kleinere Betriebe, egal ob Bio oder konventionell, haben alleine praktisch keine Chance, Käse in ausreichender Menge und Qualität herzustellen und lohnende Absatzwege im Lebensmittelfachhandel zu erschließen. Die Landwirte der Käserei in Wig-gensbach zeigen, dass sich in Eigenregie eine gemeinsame Käserei aufbauen lässt. Der Käse-Profi Peter Romer hat sich dabei als echter Glücksfall für die Landwirte erwiesen. Von der Planung der Käserei bis zur Vermarktung konnte er mit seiner Erfahrung wertvolle Tipps geben. Durch Eigenleistung konnten die Landwirte bereits beim Bau viel Geld sparen. An der Käseherstellung verdienen die Beteiligten quasi doppelt: Der Milchauszahlungspreis liegt bereits genauso hoch wie bei den Bio-Molkereien der Region und soll künftig ansteigen. Zudem arbeiten zahlreiche Familienmitglieder der Landwirte meist in Teilzeit in der Käserei. Gerade in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben erzielen so z. B. die Hofnachfolger oder die Ehefrauen ein wichtiges Zusatzeinkommen. Christian Brüggeman

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