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Perlhühner

10/08: Perlhühner: Eine schwierige Nische

Perlhuhnfleisch ist als Delikatesse beliebt, und die Haltung der Hühner ist relativ einfach. Trotzdem wagen nur wenige Direktvermarkter den Einstieg.

Lesezeit: 10 Minuten

Perlhuhnfleisch ist als Delikatesse beliebt, und die Haltung der Hühner ist relativ einfach. Trotzdem wagen nur wenige Direktvermarkter den Einstieg. Wir haben daher drei Perlhuhnhalter besucht und gefragt, wie sie Haltung und Markt einschätzen. Die Betriebsberichte, die in der top agrar-Ausgabe 10/08 (S. 124 ff) zusammengefasst abgedruckt waren, lesen Sie auf den nun folgenden Seiten ausführlich.


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Reportage 1:


Die lauten Hühner von der Nordsee


Landwirtin Antje Dieken mästet jährlich 1 200 Perlhühner in Freilandhaltung. Als Problem hat sich nur das mühsame Werben um eine treue Stammkundschaft für das seltene Geflügel herausgestellt.


Langjährige Erfahrung in der Direktvermarktung von Rindfleisch und Eiern hat für Antje Dieken aus Wirdum in Ostfriesland vor acht Jahren den Ausschlag gegeben: Die Perlhuhnmast könnte ein lohnendes Zubrot sein. "Noch immer gibt es weit und breit keine Konkurrenz", erklärt die 38-jährige Betriebswirtin, deren Hauptstandbein 6 000 Legehennen sind. "Die bereits vorhandene Stammkundschaft hatte das Perlhuhnfleisch damals sofort begeistert ausprobiert." Schnell stieg so die Tierzahl auf heute 1 200 Perlhühner pro Jahr in zwei bis drei Gruppen an.


Hühner einfach weiden lassen


Die Haltung ist dabei denkbar einfach: Antje Dieken hat in eine neue Maschinenhalle einen isolierten Stall aus Holzständerwerk gebaut. Futterschnecke und Nippeltränken stammen aus einem früheren Hähnchenstall. Als Einstreu dient Stroh. Alle sechs bis acht Wochen liefert ein Aufzuchtbetrieb neue Perlhühner. Dieken bevorzugt dabei Tiere ab einem Alter von vier Wochen. "Die sind nicht so klein und anfällig", so die Landwirtin. Allerdings muss sie dafür mit 3 bis 4 Euro/Küken deutlich mehr zahlen als für ein 20 Wochen altes Hühnerküken mit 5 Euro. Sind die ersten Tage überstanden - übrigens auch im Winter meist ohne Heizung - dürfen die kleinen Fasanenvögel in den Auslauf. Dazu hat die Ostfriesin alle Weiden um den Betrieb mit einem 1,50 m hohen Maschenzaun umzäunt und in verbundene Abteile portioniert. "Wußten Sie, dass Perlhühner grasen?", überrascht Dieken. Tatsächlich wandern sie in kleinen Gruppen, denen sie stets treu bleiben, umher und rupfen an dem üppigen Gras. Bei Unruhe rennen die scheuen Tiere Richtung Deckung los, manche flattern in 2 m Höhe hinterher - gestutzt wird nicht. Aufgrund der Gruppentreue soll es aber kaum Ausreißer geben.


Eine sehr einfache Haltungsform, wäre da nicht das Eintreiben. "Jeden Abend müssen die Perlhühner durch den kleinen Auslauf zurück in den Stall", erläutert die 38-Jährige, die eine erfahrene Gruppe auch ohne Hilfe treiben kann. "Zum einen schlägt der Fuchs sofort nachts zu, zum anderen sollen die äußerst aktiven Vögel ausreichend Hähnchenmastfutter zu sich nehmen, um die gewünschten Zuwächse zu erreichen." Dem Futter mischt Dieken knapp 50 % eigenen Futterweizen zu.


Haben die Perlhühner ihr Schlachtgewicht von 1,5 bis 1,7 kg erreicht \- etwa 400 g mehr als im Einzelhandel - , erschallt ihr schriller Ruf zum letzten Mal. Für 2,50 Euro schlachtet ein benachbarter Betrieb jedes Tier. Antje Dieken übernimmt dann mit ihren Mitarbeitern die Zerlegung und Verpackung. "Wir schlachten jede Woche nach Kundenwunsch leichte oder schwere Hühner", so Dieken. "Am häufigsten verkaufen wir ganze Körper, gefolgt von Brüstchen, seltener einzelne Keulen."


Etwa zwei Drittel verkauft der Diekenshoff direkt. Einen Hofladen gibt es zwar nicht, allerdings können sich die Kunden die Delikatesse direkt für 7,90 Euro/kg im Kühlraum abholen oder auch bringen lassen. Die Brust gibt es für 21,20 Euro/kg. Das verbleibende Drittel liefert der Betrieb frei Haus an Restaurants und Hotels, wobei der Verdienst hierbei etwa 15 bis 20 % unter dem Hofpreis liegt.


Werbung und Kundentreue sind die Knackpunkte


Leider trägt die Perlhuhnhaltung jedoch nicht so deutlich zum Betriebsergebnis bei wie anfangs erhofft. "Im Moment erreicht der Perlhuhnfleischverkauf etwa 6 bis 7 % des Eierumsatzes meiner Legehennen oder 75 % des Umsatzes mit den Hähnchen", so Dieken. "Da hatte ich mir mehr versprochen. Als zweites Standbein müsste der Umsatz eigentlich das Niveau der Eier erreichen", verlangt sie.


Die Schwierigkeiten sind der Niedersächsin dabei vollkommen klar: Abgesehen von der einsamen Lage des Betriebes muss sie aufgrund der Spezialität des Perlhuhnfleisches sehr viel Zeit in Werbung, Überzeugungsarbeit und endlose Telefonate stecken. "Ich habe unterschätzt, wie viel Aufwand das direkte Vermarkten erfordert", sagt Dieken. Perlhuhnfleisch ist kein Massenprodukt. Das hochpreisige Fleisch kommt bei den Kunden nur zu besonderen Anlässen auf den Tisch, daher muss der Kundenstamm entsprechend groß sein. "Ich muss immer wieder nachhaken." Besonders gut läuft die Delikatesse vor Festen. Häufig besuchen dann ältere Kunden, die noch regelmäßig kochen, sowie junge Familien, die Wert auf Herkunft legen, den Hof, erklärt Dieken. Ein weiteres Hindernis ist die lange Produktionszeit. Kaum ein Gastronom kann Monate im Voraus sagen, wie viele Tiere mit welchem Gewicht er abnehmen will. Festverträge sind nicht möglich. Die Landwirtin ist stets auf der Suche nach Abnehmern und muss bei jeder Einstallung den künftigen Markt abschätzen.


Positiv in Erinnerung ist Dieken jedoch das vergangene Hoffest, das vom NDR veranstaltet und begleitet wurde. Hierbei wurden viele Besucher auf die Perlhühner aufmerksam. Nur müssen die erst treue Stammkunden werden. Die Betriebsleiterin jedenfalls würde schon gerne mehr Perlhühner halten und verkaufen.



STECKBRIEF

- Diekenshoff Wirdum

- 6 000 Legehennen

- Hähnchenmast

- 600 Perlhühner

- Kleine Mutterkuhherde mit Jungbullen

- 70 ha Acker, meist verpachtet

- 6 Fremd-AK in Teilzeit

- eigene Sortierung und Verpackung

- "Haustürverkauf", Lieferservice

- www.diekenshoff.de


Reportage 2:


"Es versucht ja erst keiner..."


Geflügelzüchter Christoph Gieseker ist sich sicher, dass der Perlhuhnfleisch-Absatz höher wäre, wenn nur deutlich mehr Landwirte das Produkt mit entsprechender Werbung anböten.


Christoph Gieseker aus Rietberg-Varensell kann schon von sich behaupten, als Geflügelgroßhändler den Markt von einer anderen Seite zu sehen. "Die Deutschen wollen nichts fürs Essen ausgeben", begründet der 37-jährige Geschäftsführer der Deindl Geflügelzucht die unveränderte Zurückhaltung der Käufer beim Perlhuhnfleisch. Seiner Meinung nach trauen sich die Verbraucher zudem nicht an neue Produkte wie Perlhühner heran, haben Schwierigkeiten mit der Zubereitung oder kennen die Hühner schlichtweg nicht. Diese Erfahrung hat der Anbieter von 30 Artikeln Spezial- und Rassengeflügel immer wieder gemacht.


Mehr Mut zum Ausprobieren und werben


Seit Jahrzehnten kennt sich Gieseker aus in Nischen. Rund 40 Mitarbeiter liefern jährlich 2 bis 2,5 Mio. Tiere in den deutschsprachigen Raum, darunter 40 000 Perlhühner. Seine Kunden sind Wiederverkäufer und Direktvermarkter, da hört er viele Vermarktungsstrategien. "Mir fällt immer wieder auf, dass sich die Landwirte nicht an etwas Neues wagen", fasst der Tierwirt zusammen. Seiner Meinung nach müssten die Bauern viel mutiger sein und sich nicht so sehr auf die Hauptprodukte versteifen. Gieseker kennt das Ausprobieren aus seinem täglichen Geschäft. Aktiv bewirbt er beispielsweise eine im Ausland gefundene Hühnerrasse und schafft sich dadurch erst den Markt und die feste Kundschaft. Besonders fragt er sich aber, warum die Halter Perlhuhnfleisch nicht stärker bewerben, wo es doch so unbekannt ist. "Ein Direktvermarkter muss dem Kunden das Perlhuhn richtig schmackhaft machen, er soll es ausprobieren können, dazu muss es Rezeptvorschläge geben, Aktionen, Hoffeste. Der Erlös ist nach solch einem Engagement gar nicht so schlecht", weiß der Ostwestfale. Sein Rat: Emotionale und frische Produkte ziehen, nicht billige. Wenn man es richtig anstellt, spielt dem Perlhuhnhalter sogar der Wandel beim kleinstrukturierten Markt in die Hände. Laut Gieseker hören viele kleine Halter auf, da sie nicht mehr selbst schlachten können oder wollen. Dazu machen die strengen Auflagen aufgrund der Vogelgrippe die Haltung vielfach unwirtschaftlich. Mit guten Produkten könnten Landwirte da einspringen.


Perlhuhnhaltung absolut einfach


Der Geflügelhändler selbst kann daher - nicht ohne Eigennutz - nur zur Perlhuhnhaltung raten. Von März bis Oktober importiert er Eintags-Perlhuhnküken aus Frankreich und zieht sie sechs Wochen im beheizten Stall auf. Für die Versorgung der 3 000 Küken je Abteil benötigt ein Mitarbeiter lediglich gut eine Stunde. Mit 2 und 6 Wochen erfolgt die Impfung. Auch wenn diese Aufzucht relativ simpel ist, empfiehlt Gieseker, die kälteempfindlichen Tiere mit 6 Wochen zuzukaufen, da die eigene Aufzucht zu aufwändig und teuer ist. Seine Kunden würden etwa 6 Euro pro Tier verlangen, weiß er. Als Stall würden sich alle Altgebäude anbieten, ein Auslauf wäre nicht notwendig. Wenn doch rät er zum einseitigen Flügelstutzen.




Reportage 3:


Bio-Perlhühner laufen gut


Äußerst zufrieden mit dem Absatz zeigt sich RoBert´s Geflügelhof aus Schöneck, dem einzigen Anbieter von Bio-Perlhühnern in Deutschland. "Der Markt wächst, wenn auch langsam", erklärt Geschäftsführer Berthold Franzsander. Zwischen 5 000 und 6 000 Perlhühner verkaufen er und seine 35 Mitarbeiter jedes Jahr an rund 500 Kunden. Das Besondere dabei ist die Zertifizierung nach den Bioland-Richtlinien. Gerade danach hätten die Kunden gesucht, als er 1999 mit den Perlhühnern begann, erklärt Franzsander. "Immer wieder wurde ich damals gefragt, ob wir auch Perlhühner liefern können. So wagten wir uns mit 500 Tieren an diese Hühner heran." Ein Jahr zuvor hatte er mit seiner Frau Roswitha, die Tierwirtschaftsmeisterin ist, den gesamten Geflügelbetrieb erst auf Bio umgestellt. Der große Boom kam dann 2000 mit der BSE-Krise, wovon die Perlhuhnhaltung direkt profitieren konnte. Die Gourmets würden sich auskennen und gezielt Qualitätsfleisch im Feinkosthandel suchen, schildert Franzsander seine Erfahrung. Das hat der Geflügelhalter erkannt. Heute beliefert er neben Direktvermarktern auch den Naturkosthandel, Metzgereien, Supermärkte und die Gastronomie. Für 1,20 Euro/Tier lässt er schlachten, das Zerlegen kostet weitere 0,60 Euro. "Zu 80 % verkaufen wir aber ganze Tiere", so der 44-Jährige. Dafür verlangt er dann bei seinen Abnehmern 19 Euro/kg. Das Filet kostet 38 Euro/kg und die Keule 24 Euro/kg. Dafür bekommen die Kunden aber auch perfekt abgepackte Waren mit eigenen Handelsmarken geliefert. Bestellungen gehen direkt ans Kühllager und die Vesandabteilung. Alles macht der Betrieb aber dann aber doch nicht selbst. So kauft auch er, wie alle deutschen Perlhuhnbetriebe, die Bruteier aus Frankreich zu. Die eigene Zucht würde sich überhaupt nicht lohnen. In drei Durchgängen brütet er jeweils 3 000 Eier mit einem Schlupfergebnis von 80 bis 85 % aus. Nach vier Wochen können die Tiere dann auf die Weide, wo sie in Mobilställen 16 Wochen wachsen dürfen. Somit kann er das ganze Jahr hindurch - auch im Winter - Tiere anbieten, muss sie allerdings abends einsperren.


Wird nie ein Massenprodukt


Franzsander weiß jedoch auch genau, dass die hochpreisigen Perlhühner nie ein Massenprodukt werden. Als typische "Perlhuhngourmets" würde er die finanziell gut da stehende Mittelschicht zählen, die die Produkte kennt und wert darauf legt, wie die Tiere aufgezogen wurden. Doch auch bei der Größe von RoBert´s Geflügelhof machen die Perlhühner nicht einmal 0,5 % des Umsatzes aus. "Dafür sind sie wichtig für das Image der Firma", verdeutlicht der gebürtige Ostwestfale. Dass so wenige Landwirte Perlhühner halten, liegt seiner Meinung nach an dem geringen Deckungsbeitrag, den hohen Kosten z.B. für Futter und Schlachtung und der geringen Nachfrage. Landwirte, die an der Haltung interessiert sind, sollten am besten bereits selbst vermarkten. Wichtig sei dabei nur viel Werbung. Aktionen seien vor den Festen sinnvoll, brächten dauerhaft aber nur 4 bis 5 % Zuwachs.

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