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„Wir greifen wieder an!“

Lesezeit: 9 Minuten

Schlachthofschließungen, rückläufige Schlachtzahlen und ein schlechtes Image. Die letzten Jahre waren für Vion turbulent. Jetzt will der Großschlachter wieder angreifen. Wie, erläutert Bernd Stange, Rindfleisch-Chef und Sprecher des Managements in Deutschland.


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Wie geht es Vion?


Stange: Wir haben uns konsolidiert, investieren kräftig, haben ausreichend Eigenkapital und sind auch für die Banken wieder vertrauenswürdig.


Den Vorstandsvorsitzenden hat die Vion in den vergangenen drei Jahren allerding häufiger gefeuert als Ihr Lieblingsverein Schalke seinen Trainer. Warum war das notwendig?


Stange: Durch unser falsches Engagement in England ist der Konzern ins Trudeln geraten. Dann rollen immer Köpfe. Sicher hatten unsere Gremien bei der Auswahl neuer Führungskräfte nicht immer eine glückliche Hand. Ich bin aber überzeugt, dass wir mit unserem neuen Vorstandsvorsitzenden Francis Kint und dem Finanzvorstand Joost Sliepenbeek jetzt ein Team an der Spitze haben, das länger bleibt und Vertrauen zurückgewinnt. Unterhalb des Top-Managements gibt es bei Vion aber seit Langem große personelle Stabilität.


In den vergangenen Jahren haben Sie viele Standorte geschlossen. Ist dieser Prozess jetzt beendet?


Stange: Ja. Jetzt liegt der Schwerpunkt auf dem Ausbau der bestehenden Standorte. Wir stecken 15 bis 20 Mio. € in den Rinderschlachthof Waldkraiburg. Die gleiche Summe investieren wir in unsere bayerischen Schweineschlachtbetriebe in Landshut und Vilshofen. Im Norden haben wir 1 Mio. € für Emstek eingeplant und wir werden auch den Schlachthof in Altenburg (Thüringen) modernisieren und die Kapazität leicht ausbauen.


Es heißt, in Norddeutschland wollen Sie noch einen neuen Rinderschlachthof bauen. Wie konkret ist das?


Stange: Sehr konkret. Die für uns völlig überzogene Sperrung von Bad Bramstedt im vergangenen Jahr durch den schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsminister hat uns sehr zu denken gegeben.


Dann wird der neue Standort nicht in Schleswig-Holstein liegen?


Stange: Das habe ich nicht gesagt. Der Schlachthof kann in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein liegen. Wir brauchen aber ein Signal der jeweiligen Landesregierung, dass wir auch mittel- und langfristig willkommen sind. In den kommenden drei Jahren soll das Ganze in trockenen Tüchern sein.


Sie haben zuletzt Marktanteile bei Rindern und Schweinen verloren. Können Sie den Trend in 2015 stoppen?


Stange: Natürlich haben die Standortschließungen Marktanteile gekostet, weil ein Teil der Schweine und Rinder dann immer an Mitbewerber geht. Dennoch haben wir weniger verloren, als wir befürchtet haben. In diesem Jahr werden wir bei Schweinen noch einmal etwas unter den 9,1 Mio. Schlachtungen des Vorjahres liegen.


Und bei Rindern?


Stange: Da werden wir unseren Marktanteil – wenn es gut läuft – gegenüber den 909 000 Tieren des Vorjahres leicht ausbauen können.


Wie werden sich die Fleischmärkte entwickeln?


Stange: In Deutschland sind wir ziemlich an der Decke. Der Gesamtverzehr stagniert. Bei Rindfleisch steigt er zwar noch leicht, bei Schweinefleisch sinkt er aber schon länger. Der Schlüssel liegt im Export – für die gesamte Branche.


Wie kann die Politik helfen?


Stange: Wir brauchen an der ein oder anderen Stelle mehr Schlagkraft und schnellere Reaktionszeiten. Mir fehlt vor allem das klare Bekenntnis zum Export auf allen staatlichen Ebenen. Viele grün geführte Landwirtschaftsministerien sind da eher zurückhaltend. Ein Beispiel ist der Rindfleisch-export nach China. Hier könnten wir längst liefern, wenn Deutschland die Einstufung als „Land mit einem vernachlässigbaren BSE-Risiko“ hätte. Diese Einstufung wäre schon jetzt möglich, wenn Bund und Länder sie denn wollten. Im nächsten Jahr kommt diese Einstufung automatisch per EU-Recht. Aber dann haben wir ein ganzes Jahr verloren. Für nichts.


Wie haben Sie das russische Importverbot verkraftet?


Stange: Wir sind alles losgeworden, aber nur über den Preis. Das haben vor allem die Schweinemäster gespürt. Ich wundere mich, dass trotz der bescheidenen Preise das Angebot an Schlachtschweinen nochmals um 1,5 % wächst.


Wie geht es weiter?


Stange: Das Angebot ist zu groß für den Markt. Daher halte ich steigende Schweinepreise für weniger wahrscheinlich als sinkende Preise.


Die Schlachter sind mit dem deutschen Preisfindungssystem für Schweinefleisch nicht zufrieden. In den Niederlanden arbeiten Sie an einem neuen Modell. Wie sieht das aus?


Stange: Die Gespräche haben gerade erst begonnen. Weder die Bauern noch die Schlachter sind über volatile Preise glücklich. Wir brauchen ein Modell, das zu mehr Kontinuität bei den Preisen und bei der Zahl der angelieferten Schweine führt.


Die Bauern sind misstrauisch und befürchten, dass Sie nur die Schweine möglichst günstig einkaufen wollen.


Stange: Wir brauchen ein für beide Seiten faires System. Wir wollen unsere Schlachthöfe gleichmäßiger auslasten. Das spart Kosten. Und wir müssen unsere Kunden nach ihren Bedürfnissen beliefern. Das geht nicht, wenn wir je nach Schweinepreis mal zu leichte und mal zu schwere Schweine bekommen. Auch die Mäster profitieren, wenn sie gleichmäßiger ein- und ausstallen können.


Hauspreise sind dafür keine vertrauensbildende Maßnahme?


Stange: Wir sind nicht die Hauspreiskönige in Deutschland. Aber wenn der Vereinigungspreis wirtschaftlich nicht vertretbar ist, bleibt einem Unternehmen nichts anderes übrig, als einen eigenen Preis zu setzen. Jeder Mäster hat dann die Möglichkeit, einen anderen Schlachter zu beliefern. Wir haben aber auch in Hauspreiswochen die volle Menge an Schweinen bekommen. Da war der Preis wohl nicht so schlecht.


Rohstoffsicherung ist für jeden Schlachter wichtig. Was halten Sie vom Einstieg von Tönnies in den Viehhandel?


Stange: Dass die Erfassung wichtig ist, hat Kollege Tönnies – innovativ wie er ist – jetzt auch erkannt Wir gehen diesen Weg schon seit 30 Jahren mit der Vion Zucht- und Nutzvieh. Und im Süden kooperieren wir eng mit den Erzeugerorganisationen.


Welche Trends gibt es bei Rindfleisch?


Stange: Wir haben früh auf Regionalität gesetzt. Regionalität ist und bleibt das Top-Thema im Lebensmittelhandel. Über unsere regionalen Standorte können wir die regionalen Bedürfnisse besonders gut bedienen. Deshalb ist unser Simmental-Programm auch so erfolgreich. In Norddeutschland kommt jetzt das Holstein-Friesian-Programm dazu. Auf große Nachfrage stößt auch unsere Premiumschiene mit dem Dry Aged und Dry & Wet Aged-Rindfleisch. Aktuell können wir nicht immer alle Kundenwünsche bedienen. Deshalb investieren wir im kommenden Jahr in Buchloe in ein zusätzliches Reifelager.


Warum legen Sie ein Holstein-Friesian-Programm auf?


Stange: Ganz einfach. Die Region mit der höchsten Heimatverbundenheit ist Schleswig-Holstein – noch vor Bayern.


Kritiker behaupten, die Verantwortlichen vor Ort hätten bei Vion eine zu kurze Leine. Zu Recht?


Stange: Das glaube ich nicht, sonst wären wir insbesondere bei Rindfleisch nicht so erfolgreich. Wir setzen Leitplanken, innerhalb derer sich die Verantwortlichen frei bewegen können. Aber klar ist auch, wo es nicht läuft, muss die Konzernleitung eingreifen. Richtig ist, dass wir das in den vergangenen Jahren im Schweinebereich häufiger getan haben als im Rinderbereich.


Insbesondere die Edeka setzt auf eigene Zerlegung – jetzt auch Edeka Südbayern. Ist das ein neuer Trend?


Stange: Trend möchte ich das noch nicht nennen. Da wird etwas ausprobiert. Wir verlieren dadurch leicht an Wertschöpfungstiefe, bleiben aber der Hauptlieferant von Edeka Südbayern.


Vegetarische und vegane Produkte sind derzeit in aller Munde. Wie reagiert die Vion darauf?


Stange: Gelassen. Wir haben ein eigenes kleines Angebot an solchen Produkten. Für uns gilt aber: Schlachten und Zerlegen ist und bleibt unser Kerngeschäft. Ich glaube, dass das Marktpotenzial von vegetarischen und veganen Produkten im Moment überbewertet wird. Das bleibt eine Nische wie Bio, die wir aber aufmerksam beobachten.


Handel, Schlachter und Bauern ringen um eine Lösung für die unterfinanzierte Initiative Tierwohl. Ist schon eine Einigung in Sicht?


Stange: Wir sind mit der Initiative bislang sehr erfolgreich unterwegs. Deshalb ist mir die aktuelle Diskussion viel zu negativ. Fakt ist, dass der Handel ursprünglich 20 bis 25 Cent pro Kilogramm Fleisch in den Topf der Initiative einzahlen wollte. Am Ende sind es nur 4 Cent geworden. Die Bauern und die Schlachter haben die Initiative Tierwohl von Anfang an positiv begleitet. Deshalb hat es uns nicht überrascht, dass viele Schweinehalter mitmachen wollen. Jetzt kann man das fehlende Geld nicht einfach bei den Schlachtern oder bei den Bauern holen. Das muss vom Endverbraucher kommen. Wenn es freiwillig nicht geht, muss man sogar über eine staatlich festgesetzte Abgabe nachdenken. Ich weiß, dass die Politik das auch schon tut. Besser wäre es allerdings, wenn wir das Problem ohne die Einmischung der Politik lösen.


Gibt es Bewegung?


Stange: Die Schwarz-Gruppe (Lidl) würde auch 6 Cent zahlen. Bislang gibt es dafür noch keine Unterstützer.


Mit dem Deutschen Tierschutzlabel und der Kooperation mit dem Tierschutzbund sind Sie noch einen Schritt weitergegangen. Warum?


Stange: Wir haben sehr früh erkannt, dass sich die Verbrauchereinstellungen ändern und uns gefragt, wie wir als Vion darauf reagieren müssen? Wir profitieren dabei von unseren Erfahrungen mit dem „Beter Leven“-Programm in den Niederlanden und versuchen, diese auf Deutschland zu übertragen.


Wie ist der Stand?


Stange: Gegenwärtig nehmen sechs Betriebe teil. Das bewegt sich noch auf der Ebene eines Marktforschungsprogramms, allerdings mit interessanten Ergebnissen.


Welches Marktvolumen hat „Beter Leven“ in den Niederlanden?


Stange: Das Programm wird fast im gesamten Lebensmitteleinzelhandel angeboten und hat einen Marktanteil von ca. 20 %.


Warum funktioniert das in den Niederlanden und bei uns nicht?


Stange: Es gibt drei wichtige Unterschiede: Erstens protestieren in den Niederlanden die Tierschützer nicht gegen die Landwirte sondern gegen den Handel. Das macht diesem Druck. Zweitens wird in Deutschland Schweinefleisch zu 70 % als Sonderangebotsware verkauft. Da stören Zuschläge z. B. für mehr Tierwohl nur. Und drittens müssen Sie immer das ganze Schwein vermarkten, nicht nur die Edelteile. Das bedeutet, auch die Wursthersteller müssen mitmachen. In den Niederlanden tun sie das. Aber auch bei uns könnte sich bald etwas bewegen. Das haben die Gespräche auf der Anuga gezeigt.


Sie sind also optimistisch?


Stange: Die Initiative Tierwohl darf nicht scheitern, sonst wird der gesellschaftliche Druck noch größer. Die bislang nicht zum Zuge gekommenen Bauern sind zutiefst enttäuscht und frustriert. Ich kann das verstehen.


Viele in Deutschland glauben, die Vion schaue nur mit der „niederländischen Brille“ auf den Markt.


Stange: Wir investieren erheblich in unsere deutschen Standorte. Ich glaube, dass die angebliche „niederländische Brille“ von Vion in Deutschland viel stärker wahrgenommen worden ist, als sie tatsächlich war.


Wo stehen Sie in fünf Jahren?


Stange: Wir werden wieder stärker in die Wertschöpfungstiefe investieren. Nur allein mit Schlachten und Zer­legen wird es nicht gehen. Wenn das gelingt, wird die Vion auch in fünf Jahren in Deutschland noch die Nummer 1 bei den Rindern und unter den Top 3 bei den Schweinen sein. Und in Europa bleiben wir einer der drei größten Schlachtkonzerne.


Das Interview führte top agrar-Chef-redakteur Dr. Ludger Schulze Pals.

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