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Zick-Zack-Kurs bei VION?

Lesezeit: 8 Minuten

Über Nacht sind dänische Schweine bei den Schlachtern in Ungnade gefallen. Auf Kosten der Mäster! top agrar hat bei Dr. Heinz Schweer (VION) nachgefragt.


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top agrar: Vor wenigen Monaten haben Sie die Vorteile des dänischen und niederländischen Schlachtschweins gelobt. Nun wollen alle wieder fleischreichere Tiere. Warum dieser Zick-Zack-Kurs?


Schweer: Ich habe mich damals nicht für bestimmte Herkünfte ausgesprochen, son­dern für Schweine mit durchschnittlich 55 bis 56 % Muskelfleischanteil. Und dabei bleibe ich! Unser Problem sind die so genannten „Nadelschweine“. Damit meine ich z. B. dänische Herkünfte, die wegen des geringen Speckmaßes bei der FOM-Klassifizierung gut abschneiden, aber in Wirklichkeit bei Schinken und Kotelett zu wenig Fleisch mitbringen. Das haben wir in eigenen Zerlegeuntersuchungen nachgewiesen. Diese Tiere haben wir einfach zu teuer bezahlt. Wir mussten also reagieren und haben an den Standorten Lingen, Zeven und Emstek komplett auf AutoFOM umgestellt.


top agrar: Also wollen Sie doch keine dänischen Schweine mehr?


Schweer: Wir sprechen über den Muskelfleischanteil und nicht über Herkünfte. 55 bis 56 % reichen nach AutoFOM ermittelt völlig aus, denn dann stimmen auch die Edelteilgewichte. Durch die natürliche Streuung der Tiere bekommen wir die Schweine, die wir brauchen. Beim FOM-Gerät reicht die­se Vorgabe nicht mehr aus. Deshalb haben die, die mit FOM weitermachen, das Schinkengewicht in die Maske mit aufgenommen. Natürlich nehmen wir die „Dänen“ weiterhin, aber die Teilstücke müssen einfach schwerer werden.


top agrar: Brauchen niederländische und dänische Schlachtbetriebe ein anderes Tiermaterial? Wir bewegen uns doch auf denselben Märkten?


Schweer: Wir haben zwar teilweise die gleichen Absatzmärkte, aber ganz andere Verhältnisse. Die Dänen haben einen Selbstversorgungsgrad von knapp 700 % und exportieren insbesondere Bacon nach England, Lachse nach Japan und Bäuche nach Korea. Da reichen 82 kg Schlachtgewicht aus. Die Holländer liegen bei 200 % und beliefern neben dem britischen auch den deutschen und andere europäische Märkte. Dort hat sich das optimale Schlachtgewicht bei etwa 90 kg eingestellt. Sogar innerhalb Deutschlands sind die Unterschiede beachtlich. Bei unseren süddeutschen Standorten Vilshofen, Waidkraiburg oder Landshut geht ein Drittel der Schweine als Schlachthälften nach Süditalien. Dort brauchen sie schwere, vollfleischige, hochprozentige Tiere.


top agrar: Die Maskenumstellung war für Landwirte zu kurzfristig. Warum gibt VION keine längere Vorlaufzeit?


Schweer: Sie haben natürlich recht. Aber wir stehen im scharfen Wettbewerb und müssen auf die Änderungen der anderen Unternehmen reagieren. Trotzdem zeigt es, dass Fleisch- und Landwirtschaft zu wenig miteinander reden. Das gilt auch für die Preisfindung. Hier wünschen wir uns, dass die Fleischwirtschaft stärker einbezogen wird.


top agrar: Durch die Umstellung steigen die Schlachtgewichte. Somit können Sie mit geringeren Schlacht­kosten pro kg SG kalkulieren. Reichen Sie den Vorteil an die Bauern weiter?


Schweer: Das ist Bauernschläue. Ich habe noch nie erlebt, dass die Schlachtstufe ge­fragt hat, was sie vom Landwirt bekommt, wenn dieser die Produktion umstellt und einen ökonomischen Vorteil hat.


top agrar: 2011 kommen neue Schätzformeln für die Klassifizierung. Geht der Maskenball dann wieder los?


Schweer: Jeder experimentiert derzeit mit den neuen Formeln. Parallel warten wir auf die Zulassung aus Brüssel bevor das neue Gesetz dann durch den Bundestag und -rat geht. Ich rechne nicht vor nächsten Sommer mit der neuen Handelsklassenverordnung. Tritt diese in Kraft, werden auch die Masken wieder geändert. Ich glaube nicht, dass wir dann überall die gleichen Systeme sehen werden, schon gar nicht in Nord und Süd.


top agrar: Eine „Einheitsmaske“ für AutoFOM gibt es dann nicht mehr?


Schweer: Die ist doch nur aus Wettbewerbsgründen entstanden. Wir wollten vermeiden, dass noch mehr Unruhe am Markt entsteht und sich die Warenströme zu stark verändern. Aber wir wollen auch künftig vermeiden, dass Landwirte und Händler bei den Schweinen zu stark selektieren. Das passiert, wenn sich die Masken zwischen den Unternehmen erheblich unterscheiden. Dann stimmt der Mix nicht mehr. Von daher spricht einiges für ähnliche Masken in einer Region.


top agrar: Bekommen die Bauern beim nächsten Mal mehr Vorlaufzeit?


Schweer: Ich würde es mir wünschen. Aber wir stehen in einem intensiven Wettbewerb. Wer den ersten Schritt macht, muss die Reaktion der Mitbewerber abschätzen. Sonst könnten sich Warenströme schnell ändern.


top agrar: Wettbewerb haben Sie auch im Fleischverkauf. Was tun Sie für eine höhere Wertschöpfung?


Schweer: Im Export müssen wir eine bestimmte Unternehmensgröße haben, um Teilstücke dort hinzubringen, wo sie die höchsten Preise erzielen. Deshalb gehen die Schwänze nach China, die Lachse nach Japan und die mageren Bäuche nach Korea. Zudem verwertet VION die Schweine zu 99 %. Egal ob Knochen, Blut oder Borsten, alles wird bei uns veredelt. Im Schnitt der letzten Jahre haben wir in Deutschland deshalb mit die höchsten Erzeugerpreise in Europa gezahlt. Und das obwohl die Produktion massiv ausgedehnt wurde. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und sowohl Wettbewerbs- als auch Exportfähigkeit bewiesen.


top agrar: Das ist der Export, aber was tun Sie auf dem Binnenmarkt?


Schweer: Wir haben im deutschen Lebensmitteleinzelhandel einen extrem scharfen Wettbewerb. Hier können Sie mit Standardware kaum noch Geld verdienen! Der Verbrauch an Rind- und Schweinefleisch wächst nicht mehr und Verzehrgewohnheiten ändern sich. Wir sind mit dem Handel in konkreten Gesprächen, bessere und nachhaltigere Vermarktungswege zu finden, z. B. im Convenience-Bereich. VION macht damit schon heute mehr als 1 Milliarde € Umsatz. So können wir auch den Fleischabsatz zumindest stabilisieren. Weitere große Themen sind Tierwohl und Regionalität. Wir überlegen deshalb zusammen mit dem Lebensmittelhandel, wie wir gerade dem Frischfleisch mehr Profil geben. Wenn das gelingt, ist durchaus höhere Wertschöpfung möglich.


top agrar: Was kommt denn davon beim Bauern an?


Schweer: Für Regionalität allein gibt es wohl nicht mehr Geld. Aber es sichert den Inlandsabsatz für unsere heimische Landwirtschaft. Wenn wir dann künftig sogar Regionalität mit Tierwohl verbinden, müssen die höheren Anforderungen an die Haltung vom Kunden honoriert werden.


top agrar: Welche Bedeutung hat Regionalität für den VION-Konzern?


Schweer: Sie ist Teil unserer Strategie: „Die Zukunft in Balance halten“. Neben gesunder Ernährung, Tierwohl und Nachhaltigkeit ist die Regionalität ein Kernthema. Die Voraussetzungen vor Ort müssen aber stimmen, deshalb spezialisieren wir unsere Standorte. In Niederbayern gehen wir beispielsweise in Abstimmung mit unserem Partner EZG Südostbayern in Vilshofen und Landshut komplett auf Schwein, während wir in Pfarrkirchen die Rinderschlachtungen ausbauen.


Durch unsere zahlreichen Standorte sind wir in Sachen Regionalität gut aufgestellt. Selbst bei unseren grö­ßeren Betrieben kommen mehr als 90 % der Schweine aus einem Umkreis von 100 km.


top agrar: Glauben Sie, dass die „Deutsche Geburt“ beim Schwein zu einem Qualitätsmerkmal wird?


Schweer: Der Hauptgrund für diese Forderung ergibt sich durch die Exportauflagen für die Märkte China, Korea und Japan. Das hat in erster Linie mit der Furcht vor Tierseuchen zu tun. Unsere Landwirtschaft hat sich auf die Exportmärkte in den letzten Jahren hervorragend eingestellt und könnte die „Deutsche Geburt“ zum international anerkannten Qualitätsmerkmal ausbauen wie „Made in Germany“.


top agrar: Sie haben den Tierschutz angesprochen. Einige Verbände haben angekündigt, die Ferkelkastration 2011 stärker zu thematisieren. Wie geht es weiter?


Schweer: Der deutsche Tierschutzbund hat gefordert, dass bis spätestens 2011 eine Lösung gefunden werden muss. Bei VION laufen hierzu zahlreiche Projekte mit Lieferanten und Wissenschaft. Wir zeigen den Tierschützern regelmäßig, dass wir mit Hochdruck daran arbeiten, aber noch einige Probleme lösen müssen. Trotzdem dauert es ihnen zu lange, so dass sie den politischen Druck wieder erhöhen wollen. Wir müssen also zügig zur Ebermast kommen.


top agrar: Gibt es dazu keine Alternative und welche Probleme meinen Sie?


Schweer: Die Ebermast ist alternativlos. Sie müssen das mediale Gefahrenpotential sehen: Untersuchungen zeigen, dass über 90 % der Verbraucher gar nicht wissen, dass Schweine kastriert werden. Wenn solche Bilder in die Presse kämen, könnte das verheerende Folgen haben.


Bei der Geruchserkennung müssen wir auf die „elektronische Nase“ noch warten. Deshalb setzen wir in den Niederlanden die „menschliche“ Nase vorerst ein. Bei der Verarbeitung von Eberfleisch müssen wir ebenfalls weiter forschen, denn das Fett ist deutlich weicher. Gerade in der Wurstverarbeitung werden sich die Rezepturen möglicherweise verändern. Auf Erzeugerseite sind die Probleme geringer. In den Niederlanden haben die Bauern seit 10 Jahren Erfahrungen mit der Ebermast, und ich habe nicht den Eindruck, dass sie weniger Geld verdienen.


top agrar: Nach der Ferkelkastration kommt das Schwänze kupieren. Welche Entwicklungen erwarten Sie hier?


Schweer: Die Bauern müssen sich darauf einstellen, dass auf Dauer alle körperlichen Eingriffe, die im Tierschutzgesetz ja nur als Ausnahme akzeptiert werden, verschwinden werden. Das geht nicht von heute auf morgen, das ist allen klar. Aber wir müssen erforschen, unter welchen Bedingungen wir auf diese Eingriffe verzichten können. Der Verbraucher wird es auf Dauer nicht akzeptieren.


top agrar: Was halten Sie von Tierwohllabeln?


Schweer: Wir wollen keine gesetzlichen Label, sondern Marktlösungen. In den Niederlanden startet VION in der 48. KW mit dem Label des niederländischen Tierschutzbundes „Beter-Leven“. Wir kooperieren mit dem größten Lebensmittelhändler Albert Hejn, der 35 % des Marktes abdeckt. Schon in einem Jahr sollen umgerechnet 20 000 Schweine pro Woche über diese Label vermarktet werden. Sie sehen, es gibt einen Markt dafür.


Das Interview führte top agrar-Redakteur Andreas Beckhove.

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