Deutschlands führende Wursthersteller sind nicht bereit, auf ihren Produkten die Haltungsbedingungen der Tiere, von denen das Fleisch stammt, freiwillig kenntlich zu machen. Das ist das Ergebnis einer Befragung der zwölf größten Fleischverarbeiter durch Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation hat unter anderem die zum Tönnies-Konzern gehörende Zur-Mühlen-Gruppe, die Nestlé-Tochter Herta sowie Meica und Rügenwalder um Stellungnahme gebeten, und die Ergebnisse nun veröffentlicht.
Die befragten Unternehmen sehen für ein freiwilliges Label demnach keine Nachfrage. Für fast alle großen Wursthersteller kommt lediglich ein gesetzlich verpflichtendes Kennzeichen in Frage. Diese Regelung sollte dann allerdings europaweit gelten, damit „Schaden durch nationale Abgrenzung“ vermieden werde.
Die Verarbeiter halten eine freiwillige Kennzeichnung auch nicht für erfolgsversprechend. Das zeige der Marktanteil von Biofleisch, der trotz Label nur bei einem Prozent liege. Völlig fremd sind den Unternehmen die freiwilligen Kennzeichnungen aber nicht. Bei eigenen Markenprodukten werden sie demnach schon eingesetzt. So gab die Zur-Mühlen-Gruppe (Tönnies) an, Produkte aus dem „Fair und Gut-Programm“ zu kennzeichnen. Auch der Wursthersteller Stockmeyer kennzeichnet seine Produktlinie „Teutoburger Hofschwein“.
Jedes zweite Tier geht in die Wurst
Die deutsche Verarbeitungsbranche hat nach Meinung von Greenpeace einen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung in Sachen Tierwohl. So gehe in Deutschland die Hälfte des erzeugten Fleischs in verarbeitete Produkte - gut 2,4 Millionen Tonnen pro Jahr. „Die Tierhaltung lässt sich nur verbessern, wenn auch die fleischverarbeitende Industrie ihren Beitrag leistet und die Verbraucher aufklärt“, sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Stephanie Töwe. „Doch die Wurstersteller wollen offenbar verschleiern, dass in Deutschland vor allem Billigfleisch in die Wurst kommt.“
Die Verarbeiter dürften das etwas anders sehen. So erklärt das Unternehmen Hertha (Nestlé) in seiner Stellungnahme, dass es gerne höhere Standards bei der Haltung bezahlen würde, aber natürlich nur kosteneffizient, d.h. nur wenn die Marge stimmt. „Der Verbraucher ist nicht zahlungsbereit“, stellt das Unternehmen Rügenwalder.
Greenpeace fordert faire Bezahlung für Landwirte statt Preisdumping
Töwe fordert, dass mehr Geld bei den Tierhaltern ankommen muss, damit in eine umweltschonende und artgerechtere Haltung investiert werden kann. „Das Preisdumping bei Fleisch und Wurst muss ein Ende haben. Die Hersteller sind ebenso wie der Handel und die Politik in der Pflicht, eine faire Bezahlung der Landwirte zu sichern.“
Auslöser der Umfrage war der Vorstoß des Lebensmittelhandels. Die führenden deutschen Supermarktketten Aldi, Lidl, Edeka und Rewe führten zum 1.April die einheitliche Kennzeichnung von Frischfleisch in ihren Märkten ein. In vier Stufen – vom gesetzlichen Mindeststandard bis zum Bio-Fleisch – zeigt das Label an, unter welchen Bedingungen die Schlachttiere gehalten wurden.