Der Kommentar von Peter Röhrig ist zuerst erschienen im bioland magazin 12/2019:
"Ein Blick in den Agrarpolitischen Bericht 2019 zeigt: Allein für chemisch-synthetische Pestizide und Düngemittel gehen der Industrie bei einer Umstellung der Fläche auf ökologischen Landbau im Schnitt über 100 Euro verloren – pro Hektar.
Und wo der Verlust des Kerngeschäfts droht, wird mobilgemacht: Zuletzt riefen 23 Agro-Chemie- und Futtermittelverbände dazu auf, das Gentechnikrecht zu ändern. Der Europäische Gerichtshof hatte 2018 entschieden, dass neue Gentechniken als Gentechnik reguliert und gekennzeichnet werden müssen.
Die Profiteure der industriellen Landwirtschaft wissen, dass die Bürger Agro-Gentechnik mehrheitlich ablehnen und gekennzeichnete Produkte das verheißungsvolle Geschäft mit der neuen Gentechnik verhageln würden. Auch die Wissenschaft, die an CRISPR/Cas und Ähnlichem forscht, hofft auf zusätzliche Forschungsgelder und -karrieren und verbreitet deshalb gerne die falsche Nachricht von einem angeblichen Forschungsverbot.
Die EU-Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides, ging in ihrer Bewerbung im EU-Parlament auf die Forderungen der Industrie ein: Verlangte die Wissenschaft eine Änderung des Gentechnikrechts, würde sie nicht zögern, einen entsprechenden Vorschlag einzubringen.
Fraglich ist, wie das zum „Green Deal“ ihrer Kabinettschefin Ursula von der Leyen passen soll. Für die Bio-Branche, Umwelt- und Verbraucherschützer ist klar: Was Gentechnik ist, muss wie Gentechnik reguliert werden – nur so werden Vorsorgeprinzip und Wahlfreiheit gesichert. Und: Die Lebensmittelproduktion von heute und morgen wird nicht mit Konzepten der Agrochemie von gestern funktionieren.
Der BÖLW und viele Verbände haben deshalb an die Adresse der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und an Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner die Forderung gerichtet, das EuGH-Urteil vollständig umzusetzen."
Hinweis der Redaktion: Gastkommentare geben nicht in allen Bereichen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie dann, wenn wir sie für einen interessanten Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft halten.