Zügige politische Weichenstellungen in Brüssel und Berlin nach der Europawahl erwartet der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp. „Eine monatelange Hängepartie wäre nicht nur aus Sicht der Agrarwirtschaft, sondern auch gesellschaftspolitisch desaströs und hätte einen weiteren Vertrauensverlust in die Politik zur Folge“, warnt Holzenkamp mit Blick auf die Bildung einer neuen EU-Kommission.
Eine der wichtigsten Aufgaben im Agrarbereich ist für den DRV-Präsidenten die Sicherung des europäischen Binnenmarktes. Zunehmenden Wettbewerbsverzerrungen müsse die künftige Kommission ebenso entschieden begegnen wie Forderungen nach einer Renationalisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Die Regierungskoalition in Berlin ruft der frühere langjährige Bundestagsabgeordnete dazu auf, trotz der massiven Stimmenverluste bei der Europawahl den Koalitionsvertrag „in einem respektvollen Miteinander“ zügig abzuarbeiten. „Wenn das nicht gelingt, muss man aufhören“, sagt Holzenkamp. Dann sei ihm „ein Ende mit Schrecken lieber als ein Schrecken ohne Ende“.
Mit Nachdruck verteidigt der ehemalige CDU-Politiker die Reform der Düngeverordnung von 2017: „Ich war und bin von der Fachlichkeit und Richtigkeit der damals beschlossenen Änderungen überzeugt.“ Die gegenwärtigen Nachforderungen der Kommission seien damals nicht absehbar gewesen. Um eine neuerliche Verschärfung der Düngeverordnung wird man nach Einschätzung des Raiffeisenpräsidenten „wohl nicht“ herumkommen.
Wettbewerbsfähigkeit beachten
Im Vorfeld des in dieser Woche stattfindenden Deutschen Raiffeisentages betont Holzenkamp die Bereitschaft der genossenschaftlichen Unternehmen und der Agrarwirtschaft insgesamt, sich auf veränderte gesellschaftliche Anforderungen einzustellen. Allerdings dürfe bei den notwendigen Veränderungen die Wettbewerbsfähigkeit nicht aus dem Blick geraten: „Die Politik muss sachlich abwägen, bevor sie Entscheidungen trifft und zu vernünftigen Lösungen kommt.“ Die daraus resultierenden Regelungen müssten verlässlich sein, um den langfristig ausgerichteten Investitionen in der Agrarwirtschaft gerecht zu werden.
Das gestiegene politische Engagement junger Leute wertet Holzenkamp als Chance für die Genossenschaften: „Immer mehr junge Leute sehen den ‚Turbokapitalismus‘ kritisch; da können Genossenschaften mit ihren Idealen und nachhaltigeren Wirtschaftsmodellen punkten.“ Im Wettbewerb um geeignete Nachwuchskräfte müssten sich die Genossenschaften als „attraktive, moderne Arbeitgeber“ präsentieren.