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Wie verbreitet ist Kriminalität gegen Landwirte?

Gibt es eine besondere Kriminalität gegen Landwirte? Wir haben uns auf die Suche nach Antworten begeben: in Zeitungsmeldungen, Polizeiberichten und in der ersten deutschen „Farm-Crime-Untersuchung“.

Lesezeit: 7 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".

Unbekannte brachen im Mai dieses Jahres bei Kalletal, Kreis Lippe, in eine verschlossene Scheune ein. Sie stahlen mehrere Motorsägen, eine Motorsense und hochwertiges Werkzeug im Wert von rund 8.000 €.

Kurz zuvor entwendeten Diebe rund 160 l ­Diesel aus dem Tank eines Traktors, der auf einem Bauernhof bei Billerbeck im Münsterland abgestellt war.

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Ebenfalls im Münsterland, bei Vreden, wurde Mitte Juli eine Geldkassette aus einem Hofladen gestohlen. Die Täter blieben unentdeckt.

„Sachbeschädigung in Hofladen“, „In Eierladen eingebrochen“, „Geldkassette aus Hofladen gestohlen“ – im bundesweiten Presseportal der Polizeibehörden finden sich im Wochentakt Meldungen zum Tatort Bauernhof. Sie werden von Pressestellen regionaler Polizeibehörden veröffentlicht und meist im Lokalteil der Zeitung, über regionale Rundfunksender oder auf Internetseiten verbreitet.

Keine Kapitalverbrechen?

Über die Grenzen eines Ortes aber gelangt dergleichen nur selten hinaus. Die Diebesbeute hält sich ja meist in Grenzen – so etwa, als Ende Mai Unbekannte in einen Hofladen in Herringen bei Hamm einbrachen und neben Bargeld auch Lebensmittel, darunter einige Packungen Wurst entwendeten. Der Kommentar der örtlichen Polizei: „Vegetarier scheinen die Diebe nicht zu sein.“

Größer ist meist der angerichtete Sachschaden, etwa an aufgebrochenen Türen oder zerstörten Automaten. Im vergangenen Jahr erschien eine Untersuchung zu 17 Direktvermarkter-Tatorten in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und NRW. „Jeweils wurden Schäden in vierstelliger Höhe benannt“, heißt es dort zusammenfassend. „In einem Fall wurde der Schaden sogar auf 30.000 € geschätzt.“

Die genannten Fälle sind für die betroffenen Landwirte und ihre Familien ärgerlich bis schockierend, sie mögen Bedrohungsängste wecken und die Betroffenen am Guten im Menschen verzweifeln lassen. Aber: Es sind keine Kapitalverbrechen, die Stoff für landesweite Schlagzeilen liefern würden.

Um ein Vielfaches schwerer wiegen Fälle von Körperverletzung oder gar von schwerer Gewalt, die sich am „Tatort Bauernhof“ abspielen. Sie sind selten, kommen aber vor. Im Februar 2024 etwa überwältigten auf einem Hof bei Holdorf (Kreis Vechta) vier Räuber einen 59-jährigen Mann und fesselten ihn. Als ein Mitbewohner des Hofes auftauchte, suchten sie das Weite.

Ebenfalls im Februar 2024 brachen zwei Männer in der Nähe von Cuxhaven in einen Hof­laden ein. Als die installierten Sicherheitskameras Alarm schlugen, eilte das Eigentümerehepaar zum Laden und stellte sich den Tatverdächtigen in den Weg. „Die Personen schubsten die Frau zur Seite und versuchten zu flüchten“, heißt es im Bericht der Polizeiinspektion Cuxhaven. „Als der Mann versuchte, die Flüchtenden zu stoppen, wurde er körperlich massiv angegangen und verletzt.“

Die Täter flohen mit einem Pkw. Der Hofeigentümer musste in einem Krankenhaus behandelt werden, seine Frau blieb unverletzt.

Ein kriminologisches Brachland

Unsere Durchsicht aktueller Polizeimeldungen aus Nordwestdeutschland wirft die Frage auf: Wie häufig werden Bauernhöfe zu Tatorten? Wie oft und in welchem Ausmaß kommt es zu Kriminalität gegen Landwirtinnen und Landwirte? Um es vorweg zu sagen: Niemand weiß es genau. Die Suche nach einer Antwort führt in „kriminologisches Brachland“, wie die Uni Vechta sich vor Jahren ausdrückte.

Zu den wenigen, die bislang solche Fragen gestellt haben, zählt das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen. Es hat vor Jahren versucht, ländliche von städtischer Kriminalität zu unterscheiden. Ihr Ergebnis: Bei der Zahl der schweren Gewaltdelikte gibt es keine nennenswerten Unterschiede, bezogen auf die Größe der Bevölkerung. Auch die Sorge, einer kriminellen Tat zum Opfer zu fallen, ist zwischen Stadt und Land weitgehend gleich verteilt.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam vor Jahren ein Forschungsprojekt der Universität Vechta. Sie hat vor einigen Jahren die Kriminalität im ländlichen Raum erforscht und sich seinerzeit auf Aussagen der Polizei und der Justiz sowie auf Befragungen der Bevölkerung gestützt.

Einwohner in kleinen ländlichen Gemeinden sind aber „direkter mit Kriminalität konfrontiert, wenn etwas geschieht“, betont die Juristin Kirstin Drenkhahn im Gespräch mit dem Wochenblatt. Sie ist Professorin an der Freien Universität Berlin und auf Strafrecht und Kriminologie spezialisiert. Kürzlich hat sie die erste deutsche „Farm Crime-Untersuchung“ veröffentlicht.

Das Thema kennt Kirstin Drenkhahn aus eigenem Erleben. Sie ist auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein groß geworden und weiß, wie die Menschen im ländlichen Raum „ticken“. Die Juristin hebt hervor, dass die persönlichen Kontakte in einer ländlichen Gemeinde relativ eng sind. „Die Menschen erfahren also schneller und direkter, wenn anderen etwas zustößt – und sie erzählen auch unmittelbar, was ihnen selbst geschehen ist.“

Auf dem Land werde zwar von einem recht ­hohen Maß an gefühlter Sicherheit berichtet – „hier ist die Welt noch in Ordnung“, lautet eine Formel, die Landbewohner gerne verbreiten. Doch Drenkhahn weist darauf hin, dass es auf dem Land etliche Orte gibt, an denen Personen sich eher unsicher fühlen. „Dies hat gerade mit den besonderen Merkmalen des ländlichen Raums zu tun: viel Grün, viel Wald, lange Wege, wenig öffentlicher Nahverkehr, Abgeschiedenheit und Einsamkeit abends und in der Nacht.“ Frauen auf dem Land, so Drenkhahn, sehen sich als noch weniger wehrhaft an als Frauen in der Stadt. Und mehr als Männer setzen sie darauf, gefährliche Situationen zu vermeiden.

Aber wie steht es nun um den „Tatort Bauernhof“? Wie häufig werden Landwirtinnen und Landwirte Opfer von Kriminalität? „Jedenfalls nicht so häufig, wie man nach der Lektüre der vielen Regionalkrimis denken könnte“, schränkt Kirstin Drenkhahn ein und muss dabei unweigerlich schmunzeln. Doch rasch legt sich wieder Ernst in ihre Stimme: Schwere ­Gewaltverbrechen seien auf dem Land sehr ­selten, betont die Wissenschaftlerin im Gespräch mit dem Wochenblatt.

Ebenso selten sei das unbefugte Eindringen von Tierschutz-Aktivisten in Mastställe – „auch wenn das starke Emotionen unter Landwirten weckt und für enorme Schlagzeilen sorgt“. Mit weitem Abstand am häufigsten seien hingegen Eigentumsdelikte.

Farm Crime: 500 Landwirte antworten

Diese Aussagen kann Kirstin Drenkhahn gut belegen. Sie hat gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter Christoph Nagel eine Befragung unter Landwirten durchgeführt und kürzlich als erste „Farm-Crime-Untersuchung“ veröffentlicht. Grundlage ist ein Fragebogen von Forscherkollegen aus Australien, der in vielen Ländern eingesetzt wird. Für ihre Farm-Crime-Untersuchung haben ihn Drenkhahn und Nagel den hiesigen ländlichen Verhältnissen angepasst und über Mailinglisten, WhatsApp-Gruppen und diverse Agrarzeitschriften verbreitet.

Am Ende waren rund 500 Landwirte in ganz Deutschland bereit, den Fragebogen auszufüllen. Ihre Antworten liefern einen guten Einblick, auch wenn das Profil der Befragten nicht im strengen Sinne repräsentativ verteilt ist:

Antworten von Landwirten aus NRW sind eher unterrepräsentiert, während Landwirte aus Bayern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein eher überrepräsentiert sind.

57% der Befragten sind Vollzeit-Landwirte, 34,7% arbeiten im Nebenerwerb.

Knapp 40% bewirtschaften weniger als 50 ha, 44% bewirtschaften 50 bis 200 ha, 16% mehr als 200 ha. An der Untersuchung beteiligten sich also eher Personen mit größeren Betrieben, „die allerdings vor allem von Familien bewirtschaftet werden“, betont Drenkhahn. Und: Im Mittel leben vier bis sechs Personen auf den beteiligten Betrieben.

Was wird Bauern gestohlen?

Fast zwei Drittel aller Befragten gab an, Opfer eines Diebstahls auf ihrem Hof geworden zu sein. Gestohlen wurden demnach vor allem Werkzeug oder Ausrüstung, Ersatzteile von Maschinen oder Fahrzeugen oder landwirtschaftliche Betriebsmittel: Kraftstoff, Chemikalien, Zaunzubehör, Viehfutter, Tierarztbedarf oder auch Saatgut. Ein Landwirt gab sogar an, ihm sei eine Schusswaffe gestohlen worden. Unter den „sonstigen“ gestohlenen Gegenständen wurden vor allem genannt: Feldfrüchte, Waren aus dem Hofladen, Fahrräder und kleinere Maschinen.

Zwei Drittel der Befragten sagten, sie hätten den Diebstahl bei der Polizei angezeigt. Doch das Diebesgut blieb in den allermeisten Fällen (93,2%) verschwunden.

„Was sollte die Polizei anders machen, um die Kriminalität in der Landwirtschaft zu bekämpfen?“ Fast 60% der Befragten fordern eine stärkere Präsenz und mehr zufällige Patrouillen der Polizei. Eine etwa gleichhohe Zahl von Landwirten spricht sich für ein härteres Vorgehen gegen Diebstahl aus. Die Polizei solle mehr Anstrengungen unternehmen, um Straftäter vor Gericht zu bringen – diese Aussage befürworten 42% der Befragten. Die Polizei solle häufiger mit Landwirten persönlich in Kontakt treten – das wünschen sich 40% der Befragten.

Insgesamt aber zeigen sich die Befragten „eher zufrieden mit der Polizeiarbeit in ihrer Region“. Unzufriedenheit unter den Landwirten herrscht hingegen in Bezug auf das Strafrecht, wenn es um Diebstahl aus landwirtschaftlichen Betrieben geht. Unzufrieden zeigen sie sich auch mit dem Strafrechtssystem und mit der Arbeit der Gerichte.

„Befragte waren nur wenig besorgt“

Sehen sich die befragten Landwirte als besonders bedroht an? In landwirtschaftlichen Chatgruppen sei eine allgemeine Besorgnis vor Übergriffen durchaus verbreitet, haben Drenkhahn und Nagel herausgefunden. Werden hingegen Landwirte gefragt, wie sie ihre eigene, persönliche Sicherheit einschätzen, fällt die Antwort anders aus. „Die Befragten“, so heißt es in der Farm-Crime-Studie, „waren nur ­wenig besorgt über körperliche Gewalt gegen sich selbst“.

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