Schon ein Jahr nach der Insolvenz zahlt die Dorfkäserei Geifertshofen in Nord-Württemberg ihren Bauern wieder über 56 ct pro kg Milch aus. Wie kann das angehen?
Es klingt wie aus einer anderen Zeit: Eine kleine Dorfkäserei, die von einer Handvoll Biomilch-Bauern in der Umgebung beliefert wird, garantiert ihnen mit dem Verkauf von Käsespezialitäten ganzjährig einen überdurchschnittlichen Milchpreis. Die Rede ist von der Dorfmolkerei in Geifertshofen, einem kleinen beschaulichen Örtchen in Hohenlohe. Hier hat man schon Ende der 90er – lange vor der aktuellen Heumilch-Welle – in der Erzeugung von Käse aus Bio-Heumilch eine Marktchance gesehen. Und sich seitdem beharrlich darauf konzentriert.
Nachfrage steigt:
Heute zahlen sich diese Idee und Beharrlichkeit mehr denn je aus: „Die Nachfrage nach unserem Käse steigt enorm“, berichtet Nadine Bühler, die für Finanzen, Personal und Verwaltung zuständig ist. Zurzeit werden aus rund 2,3 Mio. kg Milch pro Jahr 230 t Käse hergestellt.„Unsere Kunden schätzen es, dass wir nach handwerklicher Tradition ein hochwertiges Produkt herstellen, und sind bereit, dafür zu bezahlen“, so Bühler weiter. Mit diesem Konzept sei es gelungen, sich etwas vom übrigen Milchmarkt mit seinen Schwankungen abzukoppeln und den neun Bauern einen sehr guten Milchpreis auszuzahlen.
In der Tat: Mit einem Grundpreis von 56 ct/kg im Sommer und 62 ct/kg im Winter (4,2 % Fett, 3,4 % Eiweiß) liegen sie bundesweit mit an der Spitze. Darin enthalten ist ein Heumilchzuschlag von 2 ct im Sommer und 8 ct im Winter. Je nach tatsächlichem Eiweiß- und Fettanteil (E: 12 ct/%; F: 6,5 ct/%;) sowie den Zell- und Keimgehalten kann das Milchgeld sogar auf über 70 ct steigen.
„Uns ist wichtig, dass die Bauern einen kostendeckenden Preis bekommen und nicht, dass wir unseren Gewinn maximieren“, bekräftigt Nadine Bühler. Diesen „kostendeckenden Preis“ ließ das Unternehmen sogar von einem externen Betriebswirtschaftler anhand der Kostenstruktur der Betriebe ermitteln. Die Kalkulation werde zudem alle zwölf Monate wieder neu überprüft.
Käserei in der Krise:
So rosig wie heute waren die Zeiten für die Käserei jedoch nicht immer. Erst Anfang 2014 schlitterte sie in die Insolvenz. Ein Grund dafür waren massive Qualitätsprobleme beim Käse durch einen neuen, aber nicht funktionstüchtigen Reifekeller. Ein Großteil der Ware war nicht mehr verkäuflich. Die Bauern verloren das Milchgeld für drei Monate.Gerettet werden konnte das Unternehmen schließlich durch das Engagement von Rudolf Bühler, Gründer und Vorstand der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH). Der umtriebige Unternehmer hatte per DIN-A4-Zettel bei seinen Kunden und bei Bürgern zu dieser Rettungsaktion aufgerufen. „Die Welle der Solidarität war unfassbar, alle wollten die Dorfmolkerei erhalten und die Existenz der Höfe sichern“, berichtet Nadine Bühler.
Gründung einer AG:
Als Auffangunternehmen wurde eine kleine Aktiengesellschaft mit einem Stammkapital von mittlerweile rund 375 000 € gegründet. Die ersten 100 Aktien zu je 500 € waren schnell vergriffen und selbst heute kommen noch neue Aktionäre hinzu. Die meisten Anteile zeichneten die BESH, die VR Bank sowie die Stadt Schwäbisch Hall. Alle drei halten jedoch unter 25 %, damit die Käserei weiter eigenständig und berechtigt ist, Fördermittel zu beantragen.Neben den neun Milchbauern zählen zahlreiche Privatleute sowie die Anbauverbände Bioland und Demeter zu den Aktionären. Statt einer Dividende bekommen sie bei der Hauptversammlung 1 kg Käse. Vorstandsvorsitzende der AG ist Nadine Bühler, Aufsichtsratsvorsitzender Rudolf Bühler. Die Unternehmensspitze zeigt sich mit der bisherigen Entwicklung zufrieden, man habe keine Verbindlichkeiten und erziele bereits ein positives Ergebnis. Dazu war allerdings auch eine Erhöhung der Käsepreise um 10 bis 13 % nötig.
Weil alle neun Milchbauern der Käserei auch in der schweren Zeit die Treue gehalten haben, enthält ihr Grundpreis eine Entschädigung von 2 ct/kg. Das unterstreicht die Nähe zu den Erzeugern: „Wir wollen unsere Betriebe dabei unterstützen, gesunde und vitale Kühe mit einer hohen Lebensleistung zu halten“, sagt Bühler. Für die Beratung der Betriebe gibt es sogar einen eigenen Unternehmensbereich.
Die Produktionskriterien wurden gemeinsam mit den Lieferanten festgelegt. Dazu gehören neben dem Verzicht auf Silage eine GVO-freie Fütterung sowie die Weidehaltung von April bis Oktober. In der Stallperiode wird Heu gefüttert und den Tieren ein Laufhof geboten. Die Höfe halten zwischen 20 und 70 Kühe mit einer durchschnittlichen Leistung von 6 500 kg Milch. Seit Anfang 2014 sind sie als Erzeugergemeinschaft (EZG) organisiert, damit sie mehr Mitspracherecht haben und nach dem Marktstrukturgesetz Fördermittel beantragen können. Zudem handelt die EZG einen Liefervertrag für alle aus.
Der Großteil des Geifertshofener Käses wird über Hof- und Naturkostläden sowie über Marktbeschicker und Metzgereien abgesetzt. „Insgesamt haben wir rund 500 Kunden“, berichtet Michael Rebmann, der für den Vertrieb zuständig ist. Der größte Abnehmer sei die BESH, die den Käse in ihren Filialen verkauft und an ihre eigenen Metzgereikunden weitervertreibt. Zur Käserei gehört neben einem Gasthof ein Dorfladen, wo neben dem eigenen Käse zahlreiche regionale Spezialitäten angeboten werden.
Insgesamt produziert die Käserei zwölf Hart- und Weichkäsesorten, die es zum Teil aufgrund der Zutaten nur eine gewisse Zeit lang gibt. „Unsere Sorten sind einzigartig und daher nicht austauschbar“, berichtet Michael Rebmann. Man probiere zwar auch Neues aus, bleibe aber im Prinzip der eigenen Linie treu. Allerdings bedeutet das keinen Stillstand: So wird derzeit mit der Molkerei Schrozberg ein Bioheumilch-Molkedrink entwickelt.
Professionelles Marketing:
An den Einzelhandel wird der Käse zu einem Nettopreis von ca. 14 €/kg abgegeben. Der Endkunde zahle zwischen 24 und 26 €/kg. Der Großteil der Ware wird selbst ausgeliefert, ein Teil versandt. Käse aus Geifertshofen ist bisher vor allem im Südwesten bekannt, aber auch in Berlin und Hamburg sei die Marke ein Begriff. Der Exportanteil ist gering.Pro Monat werden rund 15 t Käse abgesetzt. Dass der Absatz steigt, liegt neben der Qualität sicherlich auch an der intensiveren Kundenpflege und am professionelleren Marketing, das mithilfe der BESH möglich wurde.
Wie geht es weiter?
An wechselwilligen Landwirten mangelt es aufgrund des hohen Milchpreises nicht. Nadine Bühler ist überzeugt: „Mit mehr Rohstoff könnten wir auch noch mehr Käse verkaufen." Doch die Käserei ist vorsichtig: „Wir nehmen noch zwei Lieferanten auf, dann sind wir ausgelastet.“Nach kleineren Investitionen könne man pro Woche bis zu 60 000 l Milch verarbeiten. Größere Anlagen seien nicht geplant: „Wir und unsere Bauern wollen die Käserei im Ort belassen und bewusst keinen Massenkäse produzieren.“ Denn solchen gebe es schließlich schon genug. Silvia Lehnert