In Baden-Württemberg werden jedes Jahr rund 25.000 Kälber aus der Biohaltung vermarktet. 90 % davon konventionell und nicht gewinnbringend. „Die Zahlen machen das Problem sehr deutlich“, erklärte Sören Binder beim Bioland-Online-Seminar „Vermarktungskonzepte für Kälber aus der ökologischen Milchviehhaltung“. Er hatte weitere Zahlen parat: Die Rinderunion Baden-Württemberg (RBW) vermarktet rund 60.000 Kälber jährlich, darunter sind etwa 4.800 Biokälber. „Von den 4.800 Biokälbern geht kein einziges an einen Biobetrieb“, unterstrich er die Problematik.
Biorindfleisch ist gefragt
Dass Biorindfleisch allerdings zurzeit gefragt ist, konnte Binder anhand von Auswertungen der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) belegen. Demzufolge ist der Biorindfleischverkauf von 2019 auf 2020 um 54 % gestiegen. Außerdem seien die Ausgaben für das Produkt um rund 69 % gestiegen. „Es gibt unterschiedliche Ansätze, um die Vermarktungssituation zu verbessern“, erklärte Binder. Als Beispiele nannte er unter anderem Kooperationen zwischen Milchvieh- und Mutterkuhbetrieben, die Zucht auf Zweinutzungsrassen, das Erschließen neuer Märkte (z.B. ab Hof-Verkauf) sowie den Einsatz von gesextem Sperma und die Querfinanzierung der Aufzucht/Mast über die Milch.
Bruderkalb-Initiative
Als Paradebeispiel nannte er die Bruderkalb-Initiative von Hohenloher Biobauern. Ziel der Bruderkalb-Initiative ist die artgerechte Kälberaufzucht und Mast aller auf dem Bio-Milchviehbetrieb geborenen Kälber sowie eine anschließende regionale Bio-Kalbfleischvermarktung. Als Stärken des Systems nannte er unter anderem die Aktualität des Themas, das Alleinstellungsmerkmal der kuhgebundenen Kälberaufzucht, die Umsetzbarkeit von Milchviehbetrieben sowie die hohen Erzeugerpreise die damit erzielt werden können.
Notwendiger Preis: 8,40 €/kg
„Es gibt aber auch Herausforderungen“, so Binder. Das sei zum einen der sehr hohe Milchverbrauch von etwa 1.200 kg Milch je Kalb, die Schwankungen der Fleischqualität sowie zum anderen die Abstimmung über Verfügbarkeit und Bedarf des Fleisches sowie die Wirtschaftlichkeit. Binder stellte Berechnungen von Martin Haugstätter vor: „Für ein Fleckviehkalb, das fünf Monate mit Vollmilch aufgezogen wurde, sind bei einem Schlachtgewicht von 130 kg rund 8,40 € (netto) pro kg notwendig, um den Aufwand der Aufzucht zu finanzieren.“
Die nächsten Schritte der Bruderkalb-Initiative sind der Ausbau der Vermarktung, die Verbesserung der Produktionstechnik, die Entwicklung eines Kontrollsystems sowie der Nutzung weiterer Schlachtstätten.
Zusammenarbeit ist wichtig
„Es ist wichtig, dass Mutterkuh-, Mast und Milchviehbetriebe aufeinander zugehen, um gemeinsame Konzepte zu entwickeln“, brachte es Binder auf den Punkt. Marktpotenzial sei vorhanden, da die Nachfrage nach Rindfleisch hoch ist. Allerdings sei noch viel Arbeit notwendig: „Der Markt für Kalbfleisch muss erst noch etabliert werden. Bisher ist die ökonomische Situation noch nicht zufriedenstellend.“