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„Ich will wissen, was wirklich geht“

Lesezeit: 5 Minuten

Schweinemäster Jürgen Beneke ist einer von 15 Testbetrieben. Er will selbst herausfinden, wie man das Tierwohl in der Praxis optimieren kann.


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Jürgen Beneke bereitet die Tierwohl-Diskussion schon seit längerem Sorge. „Jeder meint, er wüsste, was richtig und wichtig für unsere Schweine ist. Das ist nicht in Ordnung, denn viel zu häufig wird die Debatte ohne uns Landwirte geführt“, erklärt der 47-jährige Landwirt aus Heeslingen, einer Gemeinde zwischen Bremen und Hamburg.


Deshalb zögerte er auch nicht lange, als er im Sommer 2012 gefragt wurde, ob er als Testbetrieb am Tierwohl-Projekt der Vion teilnehmen möchte. „Ich will selbst herausfinden, was in puncto Tierwohl realistisch und was für meine Schweine gut ist“, macht Beneke seinen Standpunkt klar.


50 % mehr Platz pro Tier:

Der Landwirt hat sich durch die Teilnahme verpflichtet, seine Mastschweine für zwei Jahre anders zu halten als üblich. Er setzt in seinem Betrieb die folgenden Maßnahmen um:


  • Jedem seiner 3 000 Mastschweine steht ab 50 kg Lebendgewicht eine Fläche von 1,1 m2 zur Verfügung. Das sind 50 % mehr als üblich!
  • In mehreren Mastbuchten hängt ein Beschäftigungsautomat, der mit gepressten Strohpellets befüllt wird. Zusätzlich hängen in jeder Bucht drei Ketten mit Hart- und Weichholz sowie Gummirohren.
  • Für jeweils 9 Mastschweine steht mindestens eine Wassertränke zur Verfügung, ab 25 Tieren kommt eine dritte Tränke hinzu.
  • Zwischen zwei Buchten ist ein rund 1 m langes „Kontaktgitter“ in die Buchtentrennwand eingebaut, das aus senkrechten Eisenrohren gefertigt ist. Das soll bei der Buchtenstrukturierung helfen.
  • In einem Mastabteil installierte der Landwirt eine Wasserkühlung.
  • Die Schwänze der Schweine werden im Ferkelerzeugerbetrieb maximal um ein Drittel gekürzt, und männliche Tiere werden nicht mehr kastriert.
  • Bei Bedarf wird den Tieren etwas Heu oder Langstroh in die Bucht gegeben.


Seit Dezember 2012 ist Benekes Tierwohl-Konzept zertifiziert. Die Zertifizierung erfolgte durch unabhängige Prüfer, die im Auftrag des Deutschen Tierschutzbundes vorab geschult wurden. „Durch die Einbeziehung des Tierschutzbundes wollen wir von Anfang an signalisieren, dass wir mit offenen Karten spielen“, erklärt Landwirt Beneke die bislang eher ungewöhnliche Zusammenarbeit. „Zudem kann ich dadurch belegen, dass ich die zuvor aufgelisteten Vorgaben tatsächlich einhalte.“


Die Zertifizierung selbst dauerte über fünf Stunden. Beneke fiel auf, dass sich der Prüfer sehr viel Zeit für die Tierbeobachtung nahm. „Das kannte ich bislang so nicht“, erinnert sich der niedersächsische Unternehmer. Aber auch die Buchtenabmessungen und die Luftqualitäten wurden genauestens überprüft. „Der Prüfer war technisch auf dem neuesten Stand. Neben einem Schadgasmessgerät hatte er einen hochmodernen Laserzollstock dabei. Damit ging das Vermessen der Buchten ruckzuck“, so Beneke.


Tierbeobachtung kostet Zeit:

Mittlerweile sind die ersten „Tierwohl-Mastschweine“ verkauft – für Jürgen Beneke Zeit, ein erstes Zwischenfazit zu ziehen.


Mehr Zeit nimmt die Tierkontrolle in Anspruch, da der Landwirt seine Schweine viel intensiver beobachten muss. „Ich muss jedes Tier genauer in Augenschein nehmen. Denn schon ein kleiner roter Punkt an der Schwanzspitze deutet darauf hin, dass es in der Bucht Probleme mit Schwanzbeißen geben könnte“, berichtet der Unternehmer.


Entscheidend ist dann, die Entwicklung in den nächsten Tagen genau zu verfolgen. Sollte sich die Situation zuspitzen, muss das betroffene Tier sofort aus der Bucht genommen werden. „Noch besser ist es, den Beißer zu entfernen. Doch das ist leichter gesagt als getan und erfordert viel Wissen über das Verhalten meiner Schweine“, lautet die Erfahrung des Landwirts.


In puncto Buchtenstrukturierung beobachtet der Landwirt, dass seine Schweine Liege- und Aktivitätsbereiche anlegen. Als nützlich erwies sich der Einbau eines Kontaktgitters sowie die Platzierung der Tränken und der Spielmaterialien in der Nähe des Kontaktgitters im hinteren Bereich der Bucht. „Interessant zu sehen ist, dass viele Schweine den Kotbereich zwar durchaus aktiv aufsuchen, einzelne Tiere koten aber auch an der Längsseite der Bucht ab“, erklärt Jürgen Beneke.


Aus diesem Grund steht er dem Einbau fester Liegeflächen in die Mastbuchten derzeit auch sehr kritisch gegenüber. Doch kneifen will er nicht, seine Neugierde treibt ihn an. Und so wird Beneke ab Sommer 2013 in einigen Mastbuchten probehalber Festflächen einbauen. „Ich will ganz einfach wissen, was geht und was nicht funktioniert“, legt er sich fest.


Zunächst ist geplant, relativ kleine Festflächen einzubauen. Nach und nach wird die Festfläche dann auf bis zu 55 % der Gesamtbuchtenfläche vergrößert. Gleichzeitig sollen verschiedene Materialien getestet werden. Neben Beton werden Gummimatten in einigen Buchten verlegt. Bei diesen wird besonderes Augenmerk auf die Haltbarkeit und die Hygiene gelegt.


Mehraufwand wird honoriert:

Für den zeitlichen Mehraufwand und die höheren Kosten wird Jürgen Beneke finanziell entschädigt. Die Vion zahlt ihm pro kg Schlachtgewicht einen Zuschlag auf den Vereinigungspreis. Auch einen Teil der Umbaukosten erstatten ihm die Projektpartner. Den genauen Zuschlag verrät Beneke nicht. „Nur so viel: Er deckt meine Kosten ab, das ist ein faires Geschäft“, lobt der Unternehmer seine Marktpartner.


Hat der Landwirt denn bereits ein Gefühl dafür bekommen, was höhere Tierwohlstandards insgesamt kosten könnten? „Ich bin mir sicher, die Produktion wird sich um 15 bis 20 Cent je kg Schlachtgewicht verteuern. Das hängt immer davon ab, welche Ausgangssituation im Betrieb vorliegt und mit welchen Tierschutz-Labelkriterien man startet“, so die Einschätzung des Landwirts. Vor allem das deutlich größere Platzangebot schlägt ins Kontor.


„Am Ende wird sich zeigen müssen, ob der Verbraucher tatsächlich bereit ist, die Mehrkosten, die er durch seine Forderungen nach höheren Tierwohlstandards selbst verursacht, auch bereit ist zu tragen“, bringt es Beneke auf den Punkt.


Marcus Arden

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