Die ISN-Umfrage zeigt: Wenn die Politik nicht endlich handelt, bricht die Ferkelerzeugung weg. Wie können wir das verhindern? top agrar hat Experten aus Deutschland befragt.
Gleiche Vorgaben für Importtiere
Wir können die Ferkelerzeugung in Deutschland nur dann halten, wenn sich auch die ausländischen Ferkellieferanten an unseren gesetzlichen Mindeststandard halten müssen – Stichwort Ferkelkastration.
Wenn die Abnehmer auch in Zukunft Fleisch „Made in Germany“ haben wollen, müssen sie ehrlicher werden. Wer zuerst lange Zeit behauptet, Eber sind kein Problem und damit den Gesetzgeber und die Bauern in Sicherheit wiegt, dann aber – wenn das Ausstiegsdatum naht – einen Rückzieher macht, weil das Produkt doch nicht marktfähig ist, muss auch für die Ferkelerzeuger praktische Alternativen parat haben.
Für höhere Ferkelpreise werben
Ein Grund, warum in Baden-Württemberg viele Sauenhalter frustriert aufgeben, sind die nicht kostendeckenden Ferkelpreise und die unsicheren rechtlichen Rahmenbedingungen.
Im Bundesvergleich sind die süddeutschen Ferkelerzeuger eher kleinstrukturiert, sie entsprechen aus Sicht der Verbraucher eher dem bäuerlichen Familienbetrieb. Damit diese Höfe überleben können, müssen wir die im „Ländle“ lebenden, kaufkräftigen Verbraucher endlich dazu bewegen, für das regional erzeugte Fleisch mehr Geld auszugeben. Nur dann lassen sich auch die geforderten höheren Produktionsstandards realisieren.
Paket „Zukunft Sau 2030“ nötig
Unternehmer investieren nur, wenn sie die künftigen Rahmenbedingungen kennen. In der Landwirtschaft fehlen diese seit Jahren, besonders in der Veredelung. Das muss sich ganz schnell ändern: Wir brauchen ein Gesetzespaket „Zukunft Sau 2030“. Darin muss u.a. geregelt werden, wie groß Abferkelbuchten künftig sein müssen, wie das Deckzentrum demnächst aussehen soll, wie man Ferkel kastrieren darf usw. Nur wer weiß, was die Zukunft bringt, wird als junger, gut ausgebildeter Betriebsleiter den elterlichen Hof übernehmen. Das gilt sowohl für Familienbetriebe mit 300 Sauen als auch für Großbetriebe.
Fachleute einbinden
Damit wir auch in Zukunft erfolgreich Ferkel produzieren können, müssen Politiker mehr Berater und Wissenschaftler in ihre Entscheidungsprozesse einbeziehen. Gesetzliche Vorgaben dürfen nicht mehr nur das Ergebnis politischen Tauziehens sein. Oft enden diese mit Kompromissen, sie hemmen aber den Fortschritt. Gleichzeitig muss mehr Geld in die Forschung investiert werden. Wenn deutsche Ferkelerzeuger künftig neue Haltungsverfahren nutzen sollen, müssen diese im Vorfeld in den Lehr- und Versuchsstationen auf Herz und Nieren geprüft worden sein. Und das mit möglichst vielen Sauen.
Auch der Handel ist in der Pflicht
Das Wohl oder Übel der Ferkelerzeuger hängt maßgeblich vom mächtigen deutschen Lebensmittel-einzelhandel ab. Wenn die Supermarktbetreiber und Discounter ihren Kunden auch in Zukunft deutsche Fleischwaren anbieten wollen, müssen sie die Bauern stärker mit ins Boot holen. Dabei sind unrealistische Forderungen nach einer radikalen Neuausrichtung der Veredlung kontraproduktiv. Dadurch treibt man immer mehr Ferkelerzeuger „aus der Sauenhaltung“ raus. Der Ansatz der Initiative Tierwohl, wo alle Markt-partner am Tisch sitzen, ist der richtige Weg. Die Bauern müssen mitreden und mitbestimmen.
Neue Steuermodelle erarbeiten
Damit die Ferkelerzeugung im Land bleibt, sind zwei Punkte wichtig: Erstens muss die Förderpraxis überarbeitet werden. Wer auf freiwilliger Basis z.B. Bewegungsbuchten im Abferkelstall einbaut – also schon vor dem Ablauf von gesetzlichen Fristen in neue Technik investiert –, sollte finanziell stärker unterstützt werden. Die Sauenhalter brauchen zweitens neue Steuermodelle. Derzeit müssen sie in guten Wirtschaftsjahren einen beträchtlichen Anteil des Gewinns ans Finanzamt abführen. In schlechten Jahren fehlen den Betrieben dann die finanziellen Reserven, weil sie keine Rücklagen bilden konnten.