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Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

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Tier- und Umweltschützer machen mobil

Lesezeit: 6 Minuten

D ie geplante Wiederinbetriebnahme der Sauen- und Mastanlage ist für viele von uns der einzige Hoffnungsschimmer am Arbeitsmarkt, bringt es Frank Skomrock, ein früherer Mitarbeiter, auf den Punkt. Immerhin liegt die Arbeitslosenquote in diesem Teil Brandenburgs bei über 50 %. Seitdem die Anlage aus immissionsschutzrechtlichen Gründen 1991 stillgelegt wurde, haben mehr als 400 der ehemals rund 1 000 Einwohner Haßleben den Rücken gekehrt. Dabei hat es bereits vier Versuche gegeben, das gut 70 ha große Betriebsgelände und die ehemals für 185 000 Schweine konzipierten Stallanlagen zu reaktivieren. Über das Planungsstadium ist man aber nie hinausgekommen, weil die Investoren die hohen Umweltauflagen scheuten. Holländer will 30 Mio. Euro investieren Harry van Gennip, der die Anlage vor drei Jahren von einem Insolvenzverwalter gekauft hat, ist der erste, bei dem wir das Gefühl haben, dass er es ernst meint, gibt Skomrock die Stimmung im Dorf wieder. Der aus der Nähe von Eindhoven stammende Investor, der in den Niederlanden bereits sieben Betriebe mit 6 000 Sauen- und 28 000 Mastplätzen besitzt, will in Haßleben 30 Mio. E investieren. Geplant ist ein geschlossenes System mit 7 500 Sauen-, 25 000 Aufzucht- und 52 000 Mastplätzen. Ostdeutschland ist für den 49-Jährigen kein Neuland. In Sandbeiendorf, knapp 40 km nördlich von Magdeburg, betreibt er bereits seit 1995 eine Anlage mit 6 000 Sauen und 30 000 Mastplätzen. Und nur wenige Kilometer davon entfernt hat er in Mahlwinkel eine 45 Meter breite und 2 km lange Flughafen-Landebahn gekauft, auf der ein Stall für 7 500 Sauen und 50 000 Mastschweine entstehen soll. Angesichts dieser industriellen Dimensionen wundert es nicht, dass van Gennips Pläne nicht nur Zuspruch finden. Schon bald nachdem der Investor im Gemeinderat seine Pläne vorgestellt hatte, bildeten sich zwei Lager: Die Gegner formierten sich in der Interessengemeinschaft Kontra Industrieschwein Haßleben, der inzwischen bundesweit rund 400 Mitglieder angehören. Und die Befürworter, überwiegend aus der unmittelbaren Umgebung und größtenteils ehemalige Mitarbeiter der Anlage, gründeten die Interessengruppe Pro Schwein mit derzeit 22 aktiven Mitgliedern. Die Kritik der Kontra-Bewegung, der sich kürzlich auch der deutsche Tierschutzbund anschloss, konzentriert sich vor allem auf die Gefährdung der Oberflächengewässer durch die Gülle, die drohende Ammoniakschädigung der angrenzenden Wälder und die Belastung durch häufige Futter-, Schlachtvieh- und Gülletransporte. Zudem fürchten sie, dass die Mega-Anlage den in der Region langsam aufkeimenden Tourismus gefährdet. Schon zu DDR-Zeiten war die Anlage umstritten. Es existieren Gutachten, dass der Standort für eine Tierhaltung dieser Größenordnung ungeeignet ist. Zudem reichen die alten und neuen Gülleflächen teilweise in die Quellgebiete der Erholungsgewässer des Altkreises Templin hinein. Inzwischen liegt die Anlage völlig umgeben von FFH- und Naturschutzgebieten, fasst der Sprecher der Kontra-Bürgerinitiative, Claus Spangenberg, die Bedenken zusammen. Jeder neue Arbeitsplatz zählt! Die Befürworter der Wiederinbetriebnahme sehen indes in erster Linie die vom Investor in Aussicht gestellten Arbeitsplätze. Direkt in der Anlage sollen 50 bis 60 Mitarbeiter Arbeit finden. Hinzu kommen nach unseren Schätzungen je Primärarbeitsplatz ein bis zwei Stellen im vor- und nachgelagerten Bereich, z. B. als Güllefahrer, Schlosser oder Elektriker, kalkuliert der Sprecher der Interessengruppe Pro Schwein, Frank Skomrock. Mir liegen inzwischen rund 400 Bewerbungen vor, alles gut ausgebildete und hoch motivierte Leute, die nach jahrelanger Arbeitslosigkeit endlich wieder Hoffnung schöpfen, bestätigt Harry van Gennip. Wie in Sandbeiendorf werde ich deshalb auch in Haßleben nur Leute aus der Umgebung beschäftigen und keine Billigarbeitskräfte aus Osteuropa, wie man mir unterstellt, verspricht der Investor. Nur die Leitung der Anlage will er in holländischer Regie wissen. Dass seine Aussagen für Sandbeiendorf zutreffen, davon konnten sich rund 100 Interessierte im letzten Jahr vor Ort überzeugen. Damals charterte van Gennip zwei Reisebusse und lud alle Interessierten zur Besichtigung der Ställe ein. Diese vertrauensbildende Maßnahme war für den Investor zwar mit einem enormen Hygienerisiko verbunden, zahlte sich jedoch aus. Van Gennip ist der erste Interessent, der von Anfang an mit offenen Karten gespielt hat und ein schlüssiges Konzept vorlegen kann, begründet Skomrock sein Vertrauen. Die meisten Anwohner begrüßen deshalb sein Vorhaben. Bei den Gegnern handelt es sich überwiegend um Zugezogene, Künstler und Rentner, die nicht auf die Jobs angewiesen sind. Doch die machen dem investitionswilligen Holländer das Leben ganz schön schwer. Obwohl van Gennip einiges unternehmen will, um die Mega-Anlage umweltverträglicher zu gestalten. So wird z. B. die Zuluft über Grundwassertauscher gekühlt, um die Ammoniak-Emissionen zu reduzieren. Zusätzlich wird die Abluft gereinigt und die Abluftkamine werden gebündelt. Um den LKW-Verkehr aus dem Ort fernzuhalten, lässt van Gennip eine 700 Meter lange Umgehungsstraße bauen. Die komplette Gülle soll in vier Biogasanlagen vergoren werden. Und für das aufgeschlossene und geruchsgeminderte Gärsubstrat hat der Unternehmer im 20 km-Umkreis bereits für 9 000 ha Gülle-Abnahmeverträge abgeschlossen. Das ist anderthalb mal so viel, wie die Gülleverordnung vorgibt. Im Gegenzug bezieht der Investor von den Ackerbauern der Region das Getreide für sein betriebseigenes Mischfutterwerk. 1 243 schriftliche Einwendungen Dennoch gingen beim zuständigen Landesumweltamt seit Mai dieses Jahres 1 243 schriftliche Einwendungen gegen die geplanten Umbaumaßnahmen ein. Ein Großteil davon wurde von dem Berliner Anwalt Peter Kremer formuliert, der sich darauf spezialisiert hat, Großanlagen wie Haßleben den Kampf anzusagen. Die ersten vier Tage des Erörterungstermins Ende August glichen daher auch eher einem juristischen Schlagabtausch, als einer klärenden Diskussion. Mehrfach warf Kremer den Behörden mangelhafte Sorgfalt vor und versuchte, das Verfahren in die Länge zu ziehen wohl auch, um den Investor mürbe zu machen. Dass van Gennip die Genehmigung bekommt, daran besteht für Projektleiter Dr. Helmut Rehhahn jedoch kaum ein Zweifel. Der politische Wille, die Anlage wiederzubeleben ist da, auf Gemeinde- ebenso wie auf Kreis- und Landesebene, ist der Ex-Landwirtschaftsminster Sachsen- Anhalts, der heute als Unternehmensberater tätig ist, überzeugt. Fakt ist, dass die Behörden sieben Monate nachdem die Antragsunterlagen vollständig sind, eine Entscheidung fällen müssen, spätestens also zum Jahresende. Harry van Gennip gibt sich deshalb optimistisch: In den nächsten Tagen werden wir mit dem Entkernen der Ställe beginnen. Noch im Oktober stallen wir dann in einen Teilbereich, der im Rahmen einer kleinen Baugenehmigung bereits modernisiert wurde, 700 SPF-Zuchtläufer ein, mit denen dann Stück für Stück die neue Sauenherde aufgebaut wird. Wenn alles gut geht, können wir in 1,5 Jahren die ersten Mastschweine verkaufen. Und in vier bis fünf Jahren wird der Umbau abgeschlossen sein. Henning Lehnert

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