Mit dem Deutschen Bauernverband (DBV) teilt die Geschäftsführerin vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen (KÖN), Carolin Grieshop, die Befürchtung eines Strukturbruchs in der Tierhaltung. „Die Nachfrage nach Tierwohl-Produkten steigt, das sehen wir im Ökolandbau besonders deutlich. Doch es fehlen wichtige Voraussetzungen für die Umsetzung von mehr Tierwohl“, stellte Grieshop auf Nachfrage gegenüber Agra-Europe fest. Die Politik müsse dafür die Voraussetzungen schaffen. Dazu zählt die KÖN-Geschäftsführerin die Vereinfachung des Stallbaurechts oder ein staatliches Tierwohllabel. Beides sei jedoch nicht in Sicht. Die Landwirte blieben in der Kostenführerschaft gefangen und könnten sich nicht weiterentwickeln, kritisierte Grieshop. Das sei für viele Betriebe „keine Perspektive“. Unter diesen Bedingungen werde der Ökolandbau eine Diversifizierung sein, aber kein Weg, um den Strukturwandel in der Tierhaltung aufzuhalten.
Der Fachfrau zufolge werden weitere Landwirte auf die ökologische Tierhaltung umstellen, weil sie vom Ökolandbau überzeugt und die individuellen Bedingungen für die Umstellung günstig seien. Bei Geflügel oder Rindern seien die Umstellungsbedingungen dabei einfacher als bei Schweinen. Für die KÖN-Geschäftsführerin ist es nun interessant, wie sich der Handel verhält. „Er möchte die Nachfrage seiner Kunden bedienen, und dafür braucht er Landwirte, die mehr Tierwohl umsetzen können“, so Grieshop. Die „Landwirte in Niedersachsen wollen, können aber nicht“.
Klarheit erhalten
Die KÖN-Geschäftsführerin berichtete, dass in den tierhaltungsintensiven Regionen in Westniedersachsen derzeit besonders die Schweinehalter umstellen wollten. Sie scheiterten aber an den Baugenehmigungsverfahren. Das Baulandmobilisierungsgesetz hätte - so wie im Entwurf vorgesehen - den Bau von Tierwohlställen vereinfachen können. Da die meisten Umsteller neue Ställe bauten oder alte Ställe umbauen müssten, um die Anforderungen der EU-Ökoverordnung umzusetzen, helfe das beschlossene Baulandmobilisierungsgesetz hier aber nicht. Besser dran seien Ökobetriebe mit der novellierten Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft). Diese besage, wenn die Anforderungen der TA Luft im Widerspruch zu denen der EU-Ökoverordnung stünden, müssten diese nicht umgesetzt werden. Grieshop wertete dies als Erfolg, da lange Zeit Klimaschutz gegen Tierwohl ausgespielt worden sei. „Jetzt haben wir hier Klarheit“, so die KÖN-Geschäftsführerin. Die neue TA Luft begünstige also die umstellungsinteressierten Schweinebetriebe in Niedersachsen. Das gelte jedoch nicht für das Baugenehmigungsverfahren, das von Region zu Region unterschiedlich sei.
Öko-Erzeugerpreise auf auskömmlichem Niveau
Zur Frage, wie viel mehr ökologische Tierhaltung in welchem Zeitraum möglich ist, erklärte Grieshop, dass die Grenze für die Umstellung der Markt ziehe. Der Anteil von Bioschweinefleisch am gesamten Schweinefleischkauf der Konsumenten liege erst bei 1 % bis 2 %. Bei Rindfleisch seien es rund 5 %, und bei Eiern liege der Bioanteil bei 15 %. Insofern bestehe bei Fleisch und insbesondere Bioschweinefleisch noch Nachholbedarf. Die KÖN-Geschäftsführerin wies zudem darauf hin, dass die Abnehmerstruktur für Bioschweine in Niedersachsen differenziert und dezentral sei. Hier seien auch die Ökoanbauverbände stark, die über eigene Vermarktungswege verfügten. So gelinge es im Ökolandbau bisher „sehr gut“, durch angepasstes Wachstum und angepasste Umstellung die Erzeugerpreise auf einem auskömmlichen Niveau zu halten.