Am heutigen Donnerstag will das Land Berlin seine gestern veröffentlichte Klageschrift gegen die gesetzlichen Mindeststandards für die Schweinehaltung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einreichen. Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt den Schritt und fordert vom BMEL schon sofortige Konsequenzen. „Solange das Verfahren läuft und bis Klarheit entsteht, wäre die Bundesregierung gut beraten, einen „Stand-Still“ im Stallbau für Schweine zu verhängen, damit keine weiteren tierschutzwidrigen Bauten entstehen, die dann jahrzehntelangen Bestandsschutz haben“, sagte der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder. Aus seiner Sicht ist das Bundesverfassungsgerichtsverfahren auch im Interesse der Landwirte. „Die oft angemahnte Planungssicherheit für Investitionen in Stallbauten wäre dann endlich gegeben“, so Schröder weiter.
Greenpeace hat Weg zur Klage bereitet
Ein Erfolg ist die Klage für die Umweltorganisation Greenpeace. Sie hatte mit einem im Mai 2017 vorgestellten Rechtsgutachten zur Verfassungsgemäßheit der gesetzlichen Regelungen für die Schweinehaltung den Anstoß für die nun ausgearbeitete Klage des Landes Berlin gegeben. Dieses hatte einen rechtlichen Nachweis ausgeführt, laut dem die in der Nutztierhaltungsverordnung festgeschriebenen Haltungsbedingungen den Schweinen Leid und Schaden zufügen und damit verfassungswidrig sind. Nun kritisiert Greenpeace, dass das BMEL seitdem nicht reagiert hat. „Landwirtschaftsministerin Klöckner hat viel zu lange versäumt, den grundgesetzlich garantierten Tierschutz in deutschen Ställen durchzusetzen“, sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Stephanie Töwe. Aus Sicht von Greenpeace bietet auch das von Klöckner geplante freiwillige Tierwohl-Siegel wenig Änderung. Es würde die Bedingungen für die meisten Tiere kaum bessern, prophezeit Töwe. Die Umweltorganisation fordert stattdessen eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für alle Fleischprodukte in Handel und Gastronomie.
Ostendorff hält Klage für notwendig
Die Grünen stärken ihrem Berliner Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt den Rücken. „Wir begrüßen die Initiative der Berliner Kolleginnen und Kollegen. Es ist gut, dass sich mit dem Bundesverfassungsgericht das höchste juristische Organ mit den Praktiken der Schweinehaltung befassen wird, schließlich ist der Tierschutz im Grundgesetz verankert“, sagte der Agrarsprecher der Grünen im Bundestag, Friedrich Ostendorff. Die Klage sei notwendig und werde offene Fragen klären, die von der unionsgeführten Agrarpolitik seit Jahren unbeantwortet sind, so Ostendorff weiter. „In der Realität ordnen sich die Haltungsbedingungen dem Diktat der Kostenminimierung unter - die Bedürfnisse der Tiere sind nachrangig“, sagte er. Die wiederkehrenden Schock-Bilder aus Mastställen und Schlachthöfen dürften nicht unter den Teppich gekehrt werden.
Kernforderung ist die Abschaffung des Kastenstandes
Beifall für die Klageeinreichung gibt es auch von anderen Tierschutzorganisationen wie zum Beispiel Vier Pfoten. „Die katastrophale Haltung von Schweinen in Deutschland wird einer Verfassungsprüfung nicht standhalten. Wir hoffen, dass das Resultat ähnlich positiv wie beim Normenkontrollverfahren zur Käfighaltung von Legehennen ausfällt: Diese ist seitdem verboten", sagte der Geschäftsführer der Organisation Rüdiger Jürgense. Die Tierschützer von Vier Pfoten plädieren vor allem für die Abschaffung der Kastenstandhaltung, die auch Teil der Berliner Klageschrift ist.
Legehennenurteil als Vorbild
Vorbild für die Klage ist das Verfassungsgerichtsverfahren gegen die Käfighaltung von Legehennen aus den 1990gern. Im Jahr 1999 hatte das Bundesverfassungsgericht mit dem sogenannten „Legehennenurteil“ das Ende der Käfighaltung in Deutschland eingeleitet. Es muss allerdings damit gerechnet werden, dass sich die Prüfung des Bundesverfassungsgerichtes im aktuellen Fall zur Schweinehaltung um mehr als 2 Jahre hinziehen wird. Die Klage richtet sich auf die Mindeststandards für Schweine aus der Nutztierhaltungsverordnung. Dort entsprächen die Mindestvorgaben zum Platz, zum Stallklima sowie zur Stalleinrichtung nicht den Grundbedürfnissen der Schweine.