Der Schweizer Fleischkonzern Micarna plant mit seiner Tochter Geflügel Stauß in Süddeutschland ein neues Markenfleischprogramm. Jetzt werden noch Mäster gesucht.
Markenfleischprogramme, die immer noch mehr Tierwohl und eine regionale Herkunft versprechen, haben seit Jahren Hochkonjunktur: Ob das Privathof-Programm von Wiesenhof oder Primahuhn von Feneberg – die Jagd der Händler und Verarbeiter nach Mehrwert und Marktanteilen hat für eine fast unüberschaubare Vielfalt an der Fleischtheke gesorgt. Da müssten doch sämtliche Nischen längst besetzt sein?
Weit gefehlt, meint Robert Stauß von der Stauß Gefügel GmbH in Ertingen (Lkr. Biberach). „Am süddeutschen Markt fehlt ein artgerecht gemästetes Hähnchen als Alternative zu Bio-Ware. Das signalisieren uns die Verbraucher immer wieder“, sagt der Unternehmer, der bisher nur Bio-Geflügelfleisch produziert hat. Deshalb will er gemeinsam mit seinem Mehrheitsgesellschafter, dem Schweizer Fleischkonzern Micarna, ein neues, regionales Label auf den Markt bringen. Geplant ist, im Umkreis von ca. 200 km zum Schlachthof in Lohnmast Hähnchen unter Bedingungen erzeugen zu lassen, die über das Tierschutzbund-Label hinausgehen (Auflagen siehe S. 18).
Vorbild Schweiz:
In der Schweiz gibt es dieses Programm artgerecht erzeugter Hähnchen bereits seit den 1960er Jahren unter dem Namen „Optigal.“ Zurzeit produzieren nach Auskunft von Dr. Roland Pfister von Micarna in Bazenheid etwa 480 Betriebe dafür. Sein Unternehmen, das zum Lebensmittelgigant Migros gehört, setzt jährlich von rund 38 500 t Geflügelfleisch über 90 % als Optigal-Ware ab. In der Fleischtheke sei das Produkt bei Qualität und Preis zwischen konventionell produzierter Ware und dem Bio-Segment anzusiedeln.Die ersten Lohnmäster zu finden, war laut Robert Stauß kein Problem: Zehn seien bereits unter Vertrag. Pro Jahr sollen 15 neu hinzukommen. Zielgröße sind insgesamt 120 Betriebe. Während die ersten Ställe im Frühjahr 2016 in Bau gehen, hat Stauß seine Schlacht- und Zerlegekapazitäten bereits für 4 Mio. € auf 32 000 Tiere/Tag verdoppelt.
Im Einzelhandel in Baden-Württemberg und Bayern soll das artgerecht erzeugte Hähnchen ab Mai 2016 erhältlich sein. Über den Produktnamen werde derzeit noch mit dem Handel diskutiert.
Die Investition:
Die Kosten für eine Stalleinheit mit 9 000 Plätzen beziffert Stauß auf etwa 400 000 €. Über AFP sei ein Zuschuss von mindestens 20 % möglich.Den Produzenten verspricht er zehnjährige Abnahmeverträge und einen Gewinn von etwa 22 200 €. Die jeweiligen Auszahlungspreise sind an die Futtermittelpreise gebunden und sollen halbjährlich neu festgelegt werden.
Die Marktchancen:
Ob das Produkt beim Verbraucher ankommt, lässt sich schwer prognostizieren. Die Erfahrungen aus der Schweiz zeigen, dass das Label vor allem Kunden anzieht, die bisher konventionell hergestellte Ware gekauft haben und denen Bio-Ware zu teuer ist.Denkbar ist aber auch, dass mit dem Produkt neue Kundenkreise angesprochen werden: Denn der Konsum von Geflügelfleisch steigt in Deutschland immer noch an (Übersicht). Dr. Roland Pfister erklärt: „Geflügelfleisch ist nicht nur schmackhaft, sondern leicht zu verarbeiten und im Preis attraktiv. Zudem erlauben alle Religionen dessen Verzehr.“
Um den nach wie vor steigenden Absatz decken zu können, suche man auch in der Schweiz weitere Mäster. „Unser Konzept wird auch in Süddeutschland aufgehen“, so Pfister.
Deutsche Marktexperten äußern dennoch Bedenken. Margit Beck von der Marktinfo Eier & Geflügel in Bonn: „Bisher erzielen solche Premiumprogramme bei Geflügel nur geringe Marktanteile, weil der Konsument die höheren Anstrengungen der Landwirte nicht honoriert.“ In der Tat: Wiesenhof zum Beispiel musste nach eigenen Angaben seine Absatzerwartungen beim Privathof-Label, das die Anforderungen des Tierschutzbundes erfüllt, schon nach kurzer Zeit wieder zurücknehmen.
Die Bio-Branche hat jedenfalls keine Angst, dass ihr durch das neue Label Markt verloren geht: „Wir sprechen andere Kunden an und bieten mehr als nur Tierschutz“, erklärt Gerald Wehde von Bioland. Ohnehin sei der Marktanteil von Bio-Geflügelfleisch mit unter 1 % bisher sehr gering: „Der Verbraucherwunsch nach mehr Bio ist da, aber der Handel zeigt wenig Interesse unsere Produkte in der Breite zu listen.“ Ob da der süddeutsche Handel am neuen artgerecht erzeugten Hähnchen von Stauß mehr Interesse zeigt, bleibt abzuwarten.Silvia Lehnert
Wie die Hähnchenmast im Lohn funktioniert, zeigt unsere Reportage.