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Novelle Düngeverordnung – Landwirte sensibilisieren!

Deutschland steht unter dem Druck der EU, die Düngeverordnung zu novellieren. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat dazu im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMELV) Vorschläge erarbeitet.

Lesezeit: 10 Minuten

Deutschland steht unter dem Druck der EU, die Düngeverordnung zu novellieren. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat dazu im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMELV) Vorschläge erarbeitet.  Die Wissenschaftlichen Beiräte für Agrarpolitik (WBA)  und Umweltfragen (WBD) des BMELV und der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) fordern in ihrer gemeinsamen Stellungnahme deutliche Verschärfungen, um die Nährstoffüberschüsse in Problemregionen wirksam zu begrenzen. Prof. Dr. Friedhelm Taube, Mitglied des WBA, begründet dies in seinem Interview.


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DAS AKTUELLE INTERVIEW

(Langversion)

Novelle Düngungsverordnung: „Wir wollen die Landwirte sensibilisieren“

Prof. Dr. Friedhelm Taube, Uni Kiel und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik (WBA) des Bundeslandwirtschaftsministeriums, zur Stellungnahme der Wissenschaftlichen Beiräte zur Novellierung der Düngeverordnung (DüV)

 

top agrar: Deutschland steht unter dem Druck der EU, die Düngeverordnung zu novellieren. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG) hat dazu im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMELV) Vorschläge erarbeitet, die es aus Sicht der Praxis in sich haben. Warum gehen die Wissenschaftlichen Beiräte des BMELV und der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) jetzt noch weiter in ihren Forderungen?

 

Taube: Die „gute fachliche Praxis“ basiert auf den jeweils aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft und wird bei neuen Erkenntnissen entsprechend angepasst. Die „gute fachliche Praxis“ ist somit nicht statisch, sondern unterliegt einer ständigen Dynamik. Die Beiräte beim BMELV und SRU haben in Ihrer Stellungnahme vor diesem Hintergrund zunächst die Vorschläge der BLAG uneingeschränkt positiv gewürdigt in dem Sinne, dass neue Erkenntnisse in die Vorschläge eingeflossen sind. In einigen Punkten, z.B. bei der Phosphatdüngung, gehen unsere Vorschläge deshalb weiter, weil dies dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht und der Wissenschaftliche Beirat für Düngungsfragen (WBD) bereits 2011 dazu eine entsprechende Stellungnahme vorgelegt hat. Gleiches gilt für die Forderung der Wiedereinführung der Hoftorbilanz, denn auch dazu hat sich der WBD bereits 2009 entsprechend eindeutig geäußert. Grundsätzlich ist darauf hinzuwirken, dass die Düngegesetzgebung gleichermaßen den Bedarf der Nutzpflanzen wie den Schutz der Umwelt berücksichtigt.

 

top agrar: Was steht auf dem Spiel, wenn Deutschland keinen Entwurf auf die Beine stellt, den Brüssel akzeptiert?

Taube: Zunächst würde die Derogationsregelung mit Ablauf des Jahres 2013 auslaufen, wenn bis dahin keine von der EU-Kommission notifizierte neue DüV in Kraft tritt. Bisher betrifft das zwar noch relativ wenige Betriebe, die Zahl ist jedoch in den letzten beiden Jahren deutlich angestiegen. Darüber hinaus sind verschiedene Szenarien denkbar, im Extremfall könnte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren anstreben.

 

top agrar:  Die Beiräte fordern z.B. ab 2020 eine flächenbezogene Hoftorbilanzierung vorzuschreiben, um das N- und P-Management in den Betrieben zu kontrollieren. Diese ist sehr aufwendig und bürdet den Landwirten noch zusätzliche Arbeit auf. Bringt diese Form der Bilanzierung  einen Nutzen auch für die Landwirte?

Taube: Zunächst einmal wollen wir damit an erster Stelle die Landwirte sensibilisieren; Kontrolle rangiert dahinter. Ein zusätzlicher Aufwand ist nicht wirklich gegeben, denn es handelt sich lediglich um eine andere Form der Bilanzierung. Das jetzige Bilanzierungsverfahren ist de facto wesentlich aufwändiger, da für jede einzelne Kulturart die Flächenbilanz zu erstellen ist. Wir haben in der Stellungnahme ausgeführt, dass als technische Voraussetzung für die Hoftorbilanz ein bundesweit einheitliches, einfach handhabbares EDV-gestütztes Werkzeug zur Bilanzierung zu schaffen ist. Ist dies vorhanden, verringert sich der Aufwand für viele Betriebsleiter im Vergleich zur derzeitigen Regelung.

Der Nutzen für die Landwirte ist eindeutig darin zu sehen, dass sie Defizite in der Düngerausnutzung für ihren Betrieb schnell und einfach erkennen können. Insbesondere in vielen Futterbaubetrieben ist das mit dem bisherigen Verfahren nicht der Fall, da Ertragsmessungen auf den Flächen in der Regel nicht vorhanden sind und durch unzureichende Schätzverfahren ersetzt werden. Im Übrigen hat Deutschland bis zur Einführung der verpflichtenden Flächenbilanz bzw. Feld-/ Stallbilanz gute Erfahrungen mit der Hoftorbilanz gesammelt.

 

top agrar:  Pauschale Düngungsobergrenzen wie in den Niederlanden und Dänemark, lehnen Sie ab. Sie fordern stattdessen den Nährstoffüberschuss als relevante Größe heranzuziehen. Warum und wie soll das funktionieren?

Taube: Genau so wie es mit der bisherigen DüV funktionieren soll, nur auf Basis eines aussagekräftigeren Bilanzierungsverfahrens; wie bisher, also mit fixen Obergrenzen unter Berücksichtigung unvermeidbarer Verluste. Der Unterschied ist nur der, dass Betriebe, die diesen maximalen Wert bisher deutlich überschreiten, in keiner Weise Konsequenzen ziehen müssen. Das halten wir nicht für zielführend, vielmehr sollte in diesem Fall eine Beratungspflicht einsetzen, um den Betrieben zu helfen, zurück in den Zielkorridor der N- und P-Salden zu kommen.

 

top agrar:  Den P-Überschuss auf 20 kg/ha (P2O5) auf hoch versorgten Böden (Stufe D und E) im 6-jährigen Durchschnitt zu begrenzen geht Ihnen nicht weit genug. Sie wollen für diese Böden von 2020 bis 2026 sogar vorschreiben, dass sie nur noch unterhalb des Entzuges gedüngt werden dürfen. In Stufe C soll dann kein Überschuss mehr erlaubt sein. Ist das nicht für betroffene Veredlungsbetriebe, die alle anderen Möglichkeiten ausgereizt haben, um von den hohen P-Salden runterzukommen, ein Abstockungsgebot? Welche bezahlbaren Chancen/Lösungen haben denn die Landwirte, das Problem zu lösen?

Taube: Entscheidend sind die Erkenntnisse aus düngungsfachlicher Sicht. Der WBD hat sich dazu 2011 eindeutig in der von uns vorgeschlagenen Weise geäußert. Zum einen sind Phosphatdünger ein weltweit endliches Gut. Deshalb müssen die Signale klar gesetzt sein, dass nicht mehr eingesetzt wird als notwendig, um einen hohen Ertrag abzusichern. Dies ist mit unseren Vorschlägen gegeben. Zum anderen tragen hohe Phosphatüberschüsse maßgeblich zur Eutrophierung bei. So weist die Nordsee an allen 28 Messstellen einen Eutrophierungsgrad aus, der nicht den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie entspricht. In Veredlungsregionen wird dies ohne Frage einen Anpassungsdruck erzeugen, aber was wäre die Alternative? Abstockungsdrohungen sind nicht zielführend. Abstockung ist zum einen die am wenigsten rentable Anpassungsmaßnahme, zum anderen haben die allermeisten Betriebe andere Anpassungsmöglichkeiten, nur wurden diese bisher nicht wirklich eingefordert. Sollten wir etwa wider besseren Wissens Transferzahlungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft (CC) tolerieren, die nicht dem wissenschaftlichen Stand zur guten fachlichen Praxis der Düngung entsprechen? Das kann keine Option sein, will man nicht die Akzeptanz der Intensivlandwirtschaft gefährden.

 

top agrar:  Sie wollen die Gülle- bzw. Gärrestlagerkapazitäten für flächenlose Viehhaltungsbetriebe und Biogasanlagen auf 9 Monate raufsetzen. Das lässt sich finanziell nicht aus dem Stand stemmen. Wie soll das gehen?

Taube: Zunächst ergibt sich dieses Maß an Güllelagerkapazitäten auf vielen Betrieben (ohne Grünland) schon aus den Vorschlägen der BLAG. Betriebe mit Biogasanlagen setzen als pflanzliche Substrate vornehmlich Mais ein, daraus resultiert ein pflanzenbaulich sinnvolles Düngefenster von ca. drei Monaten und somit eine notwendige Lagerkapazität von neun Monaten. Wir fixieren damit das, was bereits heute die gute fachliche Praxis der Düngung darstellt. Weil uns klar ist, dass das nicht aus dem Stand zu stemmen ist, haben wir gleichermaßen Übergangsfristen formuliert wie Vorschläge zur finanziellen Abfederung unterbreitet. Es ist zudem für flächenlose Biogas-/Viehhaltungsbetriebe, die nicht den CC-Kontrollen unterliegen, sicher zu stellen, dass die Stoffflüsse dort ebenso dokumentiert werden, wie dies bei CC-Betrieben der Fall ist.

 

top agrar: Mit den Kontrollvorschlägen (webbasierte Datenbank, Kontrolle Mineraldüngerverkauf beim Landhandel) und Sanktionen (kostenpflichtige Beratung, Ordnungswidrigkeit usw.) schießen die Beiräte weit über das Ziel hinaus. Warum holen sie den Knüppel des Ordnungsrechtes aus dem Sack?Das ist doch der Weg in den Kontrollstaat.

Taube: Das sehe ich völlig anders: Bereits die bestehende DüV sieht Kontrollen und Sanktionen bei Fehlverhalten vor. Niemand spricht derzeit vom „Kontrollstaat“. Wenn allgemein akzeptierte Regeln formuliert sind, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, muss es auch Kontrollen und Sanktionen geben, um diejenigen, die Regeln einhalten, nicht vor den Kopf zu stoßen (denn diejenigen, die die Regeln einhalten, haben Wettbewerbsnachteile). Das derzeitige Problem ist nur (wie schon oben ausgeführt), dass die Nährstoffbilanzen auf vielen Betrieben nicht korrekt erfasst werden können, das sollte geändert werden. Wenn dann ein Fehlverhalten vorliegt, ist es konsequent, die Beratungspflicht anzuwenden, und es ist ebenso konsequent, dann Sanktionen anzuwenden, wenn diese Beratung keine Früchte trägt. Wir wissen aus vielen eigenen Untersuchungen, dass die Wahrnehmung einer intensiven Beratung eine deutliche Verbesserung herbeiführt und zwar zum Nutzen der Betriebe, die betroffen sind, da viel Geld für Düngemittel eingespart werden kann. Im Übrigen sind die diesbezüglichen Regelungen in Nachbarstaaten mit intensiver Viehhaltung wie den Niederlanden oder Dänemark deutlich restriktiver. Wir wollen mit unseren moderaten Vorschlägen erreichen, dass sich die Nährstoffüberschussproblematik mit stagnierenden knapp 100 kg Stickstoff/ha ohne Düngeobergrenzen etc. lösen lässt. Das ist die beste Werbung für die Akzeptanz einer effizienten, intensiven Landwirtschaft und ein erfolgversprechender Weg, um die Nährstoffnutzungseffizienz auf den Betrieben zu steigern.

 

top agrar:   Sie unterstützen die Pläne, Gärreste pflanzlicher Herkunft auf die Obergrenze für die Ausbringung organischer Dünger tierischer Herkunft strikt auf 170 kg N/ha anzurechnen. Warum haben Sie nicht eine Derogationsregelung wie auf dem Grünland vorgeschlagen?

Taube: Es ist auf fachlicher Ebene völlig unstrittig, dass Gärreste in einer novellierten DüV wie andere organische Dünger zu behandeln sind. Ist das der Fall, gilt für diese Gärreste automatisch auch die Derogationsregelung bei organischer Düngung auf Grünland. Die Kieler Gruppe hat mit verschiedenen Projekten gezeigt und auch in top agrar publiziert, dass die Derogationsregelung auf Grünland Sinn macht, im Ackerbau jedoch nicht. Insoweit macht es natürlich Sinn, die Derogationsregelung für Grünland in einer novellierten DüV fortzuschreiben.

 

top agrar:  Haben die Beiräte berechnet, welche Kosten Sie den Landwirten durch ihre Forderungen durch höhere Pachtpreise, Transport von Gülle und Gärresten, Investitionen in Güllelager und neue Technik verursachen?

Taube: Drei Punkte dazu: Erstens sind es ganz andere primäre Treiber, die hohe Pachtpreise verursachen. Zweitens: „den Landwirt“, als Modell für solche Kostenkalkulationen gibt es nicht, weil die einzelbetriebliche Situation äußerst unterschiedlich ist und man somit verschiedenste Szenarien unterstellen müsste mit dem Ergebnis, dass es Gewinner geben wird (geringere Düngekosten durch bessere Produktionstechnik, bessere Ausnutzung organischer Dünger, höhere Erträge), aber auch Betriebe, denen höhere Kosten entstehen (Regionen mit sehr hohen Viehdichten). Drittens sind dem die eingesparten gesellschaftlichen Kosten (Emissionsreduktion) gegenüber zu stellen. Die Beiräte haben Vorschläge unterbreitet, um die einzelbetrieblichen Kosten durch Investitionsförderung abzufedern.

 

top agrar:  Wie realistisch ist es, dass diese Verschärfungen tatsächlich in eine novellierte Düngeverordnung gegossen werden? Welche Voraussetzungen müssen dazu erfüllt werden?

Taube: Die Beiräte gehen davon aus, dass die unterbreiteten Vorschläge ebenso wie die der BLAG in den politischen Prozess zur Novellierung der Düngeverordnung einfließen werden.

 

top agrar: Wie sieht der Zeitplan aus? Wann muss die neue DüV in trockenen Tüchern sein?

Taube: Dazu können wir keine Angaben machen, die Agenda dazu liegt in der Verantwortung des BMELV. Zeitdruck entsteht in meiner Wahrnehmung vornehmlich aus dem Auslaufen der Derogationsregelung zum Ende dieses Jahres.  (hm)


finden Sie unseren Beitrag top agrar 3/2013 "Wie scharf wird die neue Düngeverordnung?"


Gemeinsame Kurzstellungnahme „Novellierung der Düngeverordnung: Nährstoffüberschüsse wirksam begrenzen“ der Wissenschaftlichen Beiräte und des SRU finden Sie hier


Außerdem finden Sie hier die

des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik und des Wissenschaftlichen Beirats für Düngungsfragen des BMELV und des Sachverständigenrats für Umweltfragen vom 23.8.2013.

 

 

Die neue Studie darüber, wie sich die novellierte Düngeverordnung in einer Region wie Schleswig-Holstein auswirkt, die durch Veredlungs- und Milcherzeugung – verknüpft mit Biogaserzeugung – geprägt ist, lesen Sie hier

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