Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Baywa in Insolvenzgefahr Ernte 2024 Afrikanische Schweinepest

Aus dem Heft

Den Pflanzenbau neu gestalten

Lesezeit: 7 Minuten

Die Erträge sind enorm gestiegen. Seit einiger Zeit stagnieren sie jedoch und Resistenzen nehmen zu. Müssen wir uns wieder mehr auf ackerbauliche Maßnahmen besinnen? Berater Ulrich Henne, LUB, Eckhorst/Schleswig-Holstein, plädiert dafür.


Das Wichtigste zum Thema Ackerbau dienstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Seit 10 bis 15 Jahren treten in der Praxis trotz steigendem Aufwand die Getreide- und Raps­erträge auf der Stelle. Auch die Ertragsschwankungen nehmen zu. In den Zuchtgärten ist der Ertragsanstieg jedoch leicht positiv. Das zeigt: Entweder werden die neuen Sorten den veränderten Produktionsbedingungen nicht gerecht und/oder im Anbau läuft etwas verkehrt. Es macht aber auf jeden Fall deutlich, dass N-Düngung und Pflanzenschutz nicht die Lösung des Problems sind. Denn daran hat es nie gefehlt. Es besteht vielmehr grundsätzlicher Anpassungsbedarf in der landwirtschaftlichen Produktion! Ein genauer Blick auf die Situation verrät, warum.


Größe und Struktur der Ackerbaubetriebe in Ost und West haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert. So ist der Arbeitskräftebesatz stark gesunken. Der klassische Futterbau ist aus den Fruchtfolgen vieler Marktfruchtbetriebe verschwunden. Die Fruchtfolge konzentriert sich nur noch auf wenige Früchte. Je nach Region oder Betriebstyp dominieren Winterkulturen oder eine hohe Anbaukonzentration von Mais, Kartoffeln oder Rüben, in spezialisierten Betrieben auch Sonderkulturen. Frühsaaten haben sich sowohl im Herbst als auch im Frühjahr durchgesetzt. Stickstoff und Pflanzenschutzmittel werden nicht nur eingesetzt, um Ertrag und Qualität zu steigern, sondern auch, um vorübergehende Fehlentwicklungen zu korrigieren. Regional drängen relativ hohe Güllemengen auf den Acker. Es dominiert der Einsatz immer leistungsfähigerer Maschinen.


Klimawandel ändert Wuchs:

Lange ging diese Entwicklung gut. Seit Anfang der 2000er-Jahre zeichnen sich jedoch zunehmend stärkere pflanzenbauliche Probleme ab. Dazu trägt auch der Klimawandel bei. Der Herbst dauert länger und ist meist milder. Früher beendete eine Frostperiode Mitte/Ende November die Vegetation. Jetzt beginnt der Winter immer später, wenn überhaupt, dann oft erst ab Ende Januar. Dabei nehmen abweichende Witterungsperioden zu. In einzelnen Jahren treten lang anhaltende Nässe- oder Wärmeperioden mit außergewöhnlich hohen Temperaturen auf.


Das hat Folgen: So hat sich das Wuchsverhalten der Getreidearten im Herbst deutlich geändert. Besonders ausgeprägt ist dies bei frühen, aber auch bei späteren Saatterminen – nicht nur in warmen Jahren. Auch bei alten Sorten ist festzustellen, dass diese sich deutlich schwächer bestocken. Während früher der Wuchs überwiegend mehr kriechend war, herrscht heute weitgehend eine aufrechte Triebstellung mit meist ausgeprägter Haupttrieb­dominanz vor. Die veränderte Trieb­hierarchie wird dadurch deutlich, dass selbst die ersten Nebentriebe erkennbar gegenüber dem Haupttrieb abfallen.


Auffällig sind auch die oft großen Blätter. In wüchsigen Jahren bilden die älteren Triebe relativ schnell einen stängelähnlichen „Schaft“ zwischen Bestockungsknoten und Austritt des jüngsten Blattes aus der Blattscheide. Nicht nur die Frosthärte der Pflanzen nimmt dadurch ab, sie scheinen auch vorzeitig zu altern. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass der Wurzeltiefgang und vor allem der Fein- und Haarwurzelanteil über die Jahre anscheinend abgenommen hat. Bei alten Sorten ist dies ebenfalls zu beobachten.


Auch Raps wächst im Herbst anders. Erst wollen die Bestände oft nicht in Gang kommen. Sofern fachgerecht bestellt, setzt dann aber im Oktober ein Massenwachstum ein. In den letzten Jahren ist dies zunehmend mit der Entwicklung großer Blätter und Stängelbildung verbunden. Aufgrund der längeren Herbstphase wächst der Raps meist bis in den Dezember. Die Folge: Der Landwirt muss den Raps vermehrt zweimal einkürzen.


Probleme durch Frühsaaten:

Enge Winterkulturfruchtfolgen, die verlängerte Vegetation vor Winter und Frühsaaten wirken sich auch deutlich auf die Pflanzengesundheit und Resistenzbildung aus. So steigt die Verungrasung und Verunkrautung seit ca. 15 Jahren wieder deutlich. Ackerfuchsschwanz ist das Leit- Ungras auf fast allen schwereren Standorten mit Winterkulturfrucht­folgen. FOP’s und zunehmend auch DIM’s wirken auf vielen dieser Standorte wegen Resistenzbildung gar nicht mehr oder nur noch schlecht. Zudem nimmt auf immer mehr Flächen die Resistenz gegen Atlantis deutlich zu. Nicht nur Küstenregionen, auch warme Binnenlandstandorte sind davon betroffen. Weitere problematische Entwicklungen:


  • Früh gesäte Getreidebestände werden in milden Herbsten stärker von Pilzkrankheiten im Blattbereich und vor allem auch an der Halmbasis befallen. Da Fungizide für Blattbehandlungen im Herbst keine Zulassung haben, ist in stärkeren Befallsjahren die Ausgangsbelastung im Frühjahr hoch.
  • In Raps ist der Insektendruck im Herbst gestiegen. Der Rapserdfloh wandert mittlerweile bis Dezember in die Bestände ein. In den alten Kerngebieten des Rapsanbaues ist der Schädling gegen Pyrethroide resistent, andere Mittel haben dagegen keine Zulassung.
  • Bedingt durch den langjährigen engen Rapsanbau und Durchwuchsraps in allen Kulturen, nimmt Kohlhernie in den letzten Jahren auf diesen Standorten stark zu. Man kann nur hoffen, dass die rassenspezifische Resistenz entsprechender Sorten hält.
  • Auf vielen Flächen in den Marschen, aber auch auf ersten Flächen im Binnenland wirken im Raps die blattaktiven Gräsermittel nicht mehr ausreichend. Auf betroffenen Flächen entwickelt sich ein derart großflächiger Ackerfuchsschwanzbesatz, dass der Raps Schwierigkeiten hat, bis zur Kerb-Anwendung nicht unterdrückt zu werden. Kerb wirkt dann selbst unter besten Bedingungen nicht mehr vollständig, sodass die zu stark entwickelten Fuchsschwanzpflanzen die Behandlung überleben.


Der Trend geht nicht nur zu einem späteren Ende der Vegetation, sie beginnt auch früher. Für die meist weit entwickelten Winterkulturen sowie Ungräser und Unkräuter verfrüht sich der Start zunehmend auf Anfang März. Allerdings gibt es häufig länger anhaltende Perioden mit Nachtfrösten bis weit in den Mai hinein. Außerdem beginnt die Frühjahrstrockenheit oft bereits im März und dauert dann sechs bis acht Wochen. Das hat Folgen: Aufgrund des meist starken Ausgangsbefalls der Winterkulturen mit Pilzkrankheiten genügen bereits schwache Infektionsbedingungen im Frühjahr zu ihrer Verbreitung.


Grenzen durch Resistenzen:

Da die meisten Pflanzenschutzanwendungen im Frühjahr erfolgen, ist die Resistenzfrage hier besonders akut. Kritisch ist die Insektizidsituation in Raps wegen der B 1-Auflagen beim Rapsglanzkäfer. Der Kohlschotenrüssler ist zumindest in Norddeutschland resistent gegenüber Pyrethroiden. Biscaya zeigt nicht die früher von dieser Wirkstoffgruppe erzielten Wirkungsgrade und muss für den Einsatz in blühenden Beständen geschont werden.


Gegen Septoria tritici in Weizen erzielen die Azole weder eine ausgeprägte Kurativ- noch Protektivwirkung. Vor rund 10 Jahren hat man die Strobilurine gegen diese Pilzkrankheit innerhalb weniger Jahre „verbrannt“.


Es ist zu befürchten, dass die Fungizid-Palette über kurz oder lang stark eingeschränkt sein wird. So gelten die derzeit so überragend wirkenden Carboxamide ebenfalls als stark resistenzgefährdet. Gegen Netzflecken in Gerste haben sich bereits Resistenzen entwickelt. Dies könnte auch bald bei Septoria tritici der Fall sein. Das wäre fatal, da die nächst wirksame Wirkstoffgruppe – die Azole – ernsthaft unter Druck steht. Ihr wird eine Wirkung auf das Hormonsystem beim Menschen nachgesagt.


Schärfere Gesetze:

Mittlerweile belasten Gesetze, Verordnungen und Auflagen zum Pflanzenschutz den Ackerbau weit stärker als die fachlichen Probleme. So entsteht in der Praxis der Eindruck, dass z. B. die EU-Pflanzenschutzrichtlinie von 2009 und der Nationale Aktionsplan eine Flut von Auflagen und Beschränkungen ausgelöst hat. Offensichtlich haben die Zulassungs- und Ordnungsbehörden im Pflanzenschutz bei der Umsetzung eine Eigendynamik entwickelt.


Weil die Pflanzenschutzindustrie kaum noch neue Wirkstoffe entwickelt, viele ältere Wirkstoffe die Zulassung verlieren und die Anwendungsbeschränkungen noch weiter zunehmen, wird die Pflanzenschutzmittel-Palette vermutlich noch deutlich enger werden. Der Praxis wird dann nicht mehr für jedes Problem ein Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen. Mit der Folge, dass die Lücken erheblich größer werden. Auch dadurch nimmt der Zwang zu ackerbaulichen Lösungen weiter zu.


Die neue Düngeverordnung, die vermutlich in 2016 in Kraft treten wird, erhöht mit ihren strengeren Vorschriften ebenfalls den Anpassungsdruck. Kurzfristig werden sich Betriebe vom Stoppelweizen oder Bestellungen unter grenzwertigen Bedingungen verabschieden müssen. Die vorgegebenen niedrigeren Bedarfswerte und das Absenken der zulässigen N-Bilanzüberschüsse werden dazu führen, dass mittelfristig das Ertrags- und Qualitätsniveau weiter stagnieren oder sogar sinken wird. Denn durch Düngung lässt sich nicht mehr gegensteuern. Um sich darauf einzustellen, werden Betriebe schon kurzfristig über veränderte Fruchtfolgen nachdenken müssen.


Wo ackerbauliche Ansatzpunkte liegen, um der Entwicklung gegenzusteuern, lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Die Redaktion empfiehlt

top + Ernte 2024: Alle aktuellen Infos und Praxistipps

Wetter, Technik, Getreidemärkte - Das müssen Sie jetzt wissen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.