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Extensivgrünland - wie weiter nach der Reform?

Lesezeit: 8 Minuten

Steht das Extensivgrünland vor dem Aus? Wie sich Entkoppelung und abgespeckte Förderung auswirken, zeigt Dr. habil. Hans Hochberg, Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Jena, auf. Saftiges Grün, bunt blühende Wiesen, schöne Landschaften mit Weidetieren, das sind die Erwartungen der Bevölkerung an Grünlandregionen. Aber wer sorgt dafür, dass dies auch so bleibt? Mit der Agrarreform ist eine Wende vollzogen worden, die auch auf dem Grünland deutliche Veränderungen auslöst. Die Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion wird bei etlichen Betrieben zum Ausstieg aus der Tierhaltung führen. Das Problem: Die an Wiederkäuer gebundene Verwertung des Grünlandfutters ist nicht mehr gewährleistet. Die Nutzung von Gras als Koferment und Brennstoff könnte teilweise eine alternative Verwertung bieten. Ansonsten bleibt nur der Ausstieg aus der Grünlandbewirtschaftung. Die Grünlandextensivierung und gezielte Biotoppfl ege tragen seit mehr als zehn Jahren dazu bei, dass weniger Futter anfällt und seine Qualität deutlich schlechter ist. Für Milchkühe ist es meist ungeeignet. In Regionen mit extrem hohem Anteil an Extensivgrünland, wie z. B. in den ostdeutschen Bundesländern (50 bis 80 % des Grünlandes), stellen die Veränderungen die Betriebe vor besondere Probleme. Cross Compliance auf Grünland Das Grünland hat massiv an Wert verloren. Die Folge: Auf vielen Flächen wird die Mindestpfl egeintensität unterschritten. Die Betriebe müssen nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für das Grünland suchen. Dazu zwingt sie vor allem das im Rahmen von Cross Compliance (CC) vorgegebene Erhaltungsgebot des Grünlandes. Die Direktzahlungen sind an das Einhalten von Vorschriften in den BereichenUmwelt, Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit sowie Tiergesundheit und Tierschutz gebunden (Cross Compliance). Diese enthalten Regelungen zum: Erhalt landwirtschaftlicher Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand, Erhalt von Dauergrünland und Erfüllen von 19 Einzelvorschriften geltender EU-Regelungen (Einführung in drei Schritten von 2005 bis 2007). Für das Grünland bedeutet dies Folgendes: 1. Flächen müssen zum Erosionschutz in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten werden. Beispiel: Das Beseitigungsverbot für Terrassen. 2. Aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genommene Flächen müssen instand gehalten werden. Der Aufwuchs muss jährlich einmal zerkleinert und ganzflächig verteilt oder alle zwei Jahre gemäht und das Mähgut abgefahren (zwischen 16. Juli und 31. März) werden. Sanktionen möglich 3. Bestimmte Landschaftselemente, z. B. Hecken ab 20 m, Baumreihen ab 50 m, Feldgehölze zwischen 100 und 2 000 m2, Feuchtgebiete bis 2 000 m2, dürfen nicht beseitigt werden. Bei Feldgehölzen, Lesesteinwällen und Feuchtgebieten gilt die Obergrenze von 2 000 m2 für jedes einzelne Element auf dem Feldstück. Landschaftselemente dürfen nur mit Ausnahmegenehmigung beseitigt werden. Ein Verstoß führt zu Kürzungen der Direktzahlungen. Eine Rücknahme von flächenhaften Verbuschungen auf Grünland ist kein Beseitigen eines Landschaftselementes. Sie sollten es sich jedoch durch die zuständige Behörde genehmigen lassen. 4. Dauergrünland zu erhalten ist für die EU-Mitgliedsstaaten Pflicht (siehe dazu Kasten auf Seite 106). Der Gesamtbetriebsansatz bei den Regelungen zu Cross Compliance und das zweistufige Kontrollsystem in Verbindung mit Sanktionen können im Einzelfall schnell zur Existenzbedrohung für landwirtschaftliche Betriebe werden. Sie sollten sich intensiv mit den verbindlichen Rechtsvorschriften beschäftigen! Je nach Standort, Produktions- und Vermarktungsbedingungen sowie der regionalen Förderung, bewirtschaften Betriebe ihr Grünland unterschiedlich. Die verschiedenen Nutzungsformen entnehmen Sie der Übersicht 1 (Seite 107). Immer mehr Grünland wird extensiv genutzt. Auch fallen Grünlandflächen völlig aus der Futtergewinnung aus. Wie weiter auf Gunststandorten? Auf Gunststandorten von den Niederungen bis in die Vorgebirgslagen ist die Grünlandbewirtschaftung wegen des Tierbesatzes und der Konzentration der Milchviehbestände auf höchste Futterqualität und optimierte Standortproduktivität ausgerichtet. Intensiv-Weidesysteme bzw. Stall-/Weide-Haltung mit optimalem Maissilageeinsatz und Weidegang als diätetische Ergänzung werden hier auch weiterhin dominieren. Die Betriebe setzen dort weiter auf produktives Wirtschaftsgrünland. In diesen Regionen wird sich die Polarisierung der Grünlandnutzung aber wegen der wirtschaftlichen Zwänge weiter verstärken. Neben effizienter Grünlandnutzung wird dort eine auf kleinste Gebiete beschränkte, an Naturschutzzielen orientierte und anspruchsgerecht aus Fördermitteln bezahlte Biotoppflege betrieben. Aber auch diese Gebiete bleiben nicht verschont vom massiven, europaweiten Eingriff des Naturschutzes (z. B. Natura 2000, FFH, Vogelschutzgebiete, u. a.) in die Grünlandbewirtschaftung. In den Mittelgebirgsregionen sieht die Polarisierung der Grünlandnutzung anders aus. Die Tallagen werden weitgehend nachhaltig Silage und Frischfutter erzeugen. In oft strukturreichen Hanglagen werden dagegen traditionelle Extensivweidesysteme angewendet. In diesen Bergregionen verursachen aber u. a. Verbuschung und Wiederbewaldung heute bereits Umweltprobleme. Diese lassen sich mit dem low-input-System nicht aufhalten. In einigen Regionen wird es wegen des weiteren Abbaues der Tierbestände möglich sein, einen Teil des Grünlandes für die Biomasseproduktion zu nutzen. Allerdings werden an die Produktqualität bestimmte Anforderungen gestellt, die bislang noch nicht konkret genug definiert sind. Weiteres Problem: Das Pflanzenmaterial vom Grünland ist sehr inhomogen. Das erschwert die Nutzung als Ausgangsmaterial bzw. Zuschlagstoff für Industrieprodukte. Grünlandprämie senkt Silagekosten An die Qualität des Grases bzw. der Silage als Koferment in Biogasanlagen werden höchste Anforderungen gestellt. Grobstengeliges, spät geschnittenes, ligninreiches Material weist dagegen eine geeignete Brennstoffstruktur auf. Je nach Intensität des Grünlandstandortes bietet sich die eine oder andere Verwertungsrichtung an. Die Biomassebereitstellung von Grünland für den Non-Food-Bereich ist eine Chance für Grünlandbetriebe. Eine effektive Nutzung dieses Biomassepotenziales hängt jedoch von den Verwertungsmöglichkeiten in der jeweiligen Region ab. Produktives Grünland sollte weiterhin für die Qualitätsfuttererzeugung, aber mbkünftig auch für die Biomasseproduktion genutzt werden. Die Herstellungskosten für die verschiedenen Grünfuttergebrauchswerte entnehmen Sie Übersicht 2. Am kostengünstigsten ist Weidefutter. Die Kosten für die Silagenutzung werden gegenüber Weide durch den deutlich höheren Arbeitserledigungsaufwand für Ernte und Lagerung bestimmt. Die Herstellungskosten von Qualitätsanwelksilage vom Wirtschaftsgrünland liegen mit 14,80 E/dt TM über denen für Luzerne- bzw. Rotkleegrassilagen (13,20 E/dt TM). Für mehrschnittige Futterpflanzen (einschließlich Grünland) gilt im Gegensatz zu Marktfrüchten, dass bei höherem Ertrag und intensiverer Bewirtschaftung nicht unbedingt die Herstellungskosten sinken. Die neue grünlandbezogene Direktzahlung bewirkt, dass nach Berechnung von Dr. Joachim Degner, TLL Jena, die Herstellungskosten sinken. Anwelksilage aus Wiesengras kostet statt 14,80 E pro dt TM nur noch 11 E/dt TM (TM-Ertrag brutto 65 dt/ha). Auf Grünlandstandorten lässt sich in Verbundbetrieben bei einer jährlichen Leistung von deutlich über 8 000 kg/Kuh wirtschaftlich Milch erzeugen. Hohe Kosten auf Extremstandorten Für bereits langjähriges Extensivgrünland, unabhängig ob Weide oder Wiese, ist aus Gründen des Umwelt-/Naturschutzes das Weiterführen extensiver Nutzungssysteme sinnvoll. Voraussetzung mbist allerdings, dass im Rahmen von gezielten Agrarumweltmaßnahmen eine anspruchsgerechte Beihilfe gezahlt wird. Andernfalls wird ein Teil der Flächen aus der Produktion genommen und dem Mulchgerät zum Opfer zu fallen. Extremstandorte mit aus Sicht des Naturschutzes wertvollen Vegetationstypen sind durch die Entkoppelung besonders gefährdet. Das hätte schwerwiegende Folgen nicht nur für den Naturschutz. Fällt die Förderung und damit die Nutzung des Grünlandes weg, müssten Betriebe mit dem Aufgeben von Betriebszweigen auch Personal abbauen. Die Bewirtschaftung dieser Grünlandflächen verursacht auch bei extensiver Bewirtschaftung Kosten. So erfordet die effiziente Nutzung von Wirtschaftsgrünland eine entzugsorientierte, regelmäßige Düngung mit Phosphor und Kalium orientiert am Entzug von 0,3 kg P/dt TM und 2,0 kg K/dt TM. Außerdem müssen regelmäßig Nachsaaten mit Deutschem Weidelgras erfolgen. Extensive Nutzung mit Mutterkühen vor dem Aus Extensive Weidesysteme mit Mutterkühen sind mit vergleichbaren Lebendgewichtszunahmen der Kälber, einer Halbierung des Lebendgewichtzuwachses je Hektar Weide und deutlich geringerem Tierbesatz (unter 1,4 RGV/ha HF) verbunden (siehe Übersicht 3). Die Wirtschaftsdaten zur Mutterkuhhaltung in Thüringen zeigen, dass sie ohne staatliche Zuwendungen nicht existenzfähig wäre (siehe Übersicht 4). Nur 28 % des Unternehmensertrages stammt aus dem Erlös tierischer Erzeugnisse. Trotz einer guten Ausstattung der Betriebe mit Beihilfen erwirtschaften sie ein verfügbares Betriebseinkommen von weniger als 22 000 E/AK im Jahr. Mit Blick auf die Jahre 2007 bis 2012 bleibt festzustellen, dass die Betriebsprämie als einzige staatliche Zuwendung die Wirtschaftlichkeit der Mutterkuhhaltung nicht sichern kann. Die Folgen, Grünland aus der Produktion zu nehmen, sind: Jährlich einmal Mulchen, schneller Artenverlust bei artenreichem Grünland, die Chance der Gewinnmaximierung auf der Fläche (bei entsprechender Flächenausstattung), aber verbunden mit weiterem Wertschöpfungsverlust für den Gesamtbetrieb und negative Wertschöpfung im betroffenen ländlichen Raum, kein Zugang zu Beihilfen wie Ausgleichszulage und Agrar-Umweltmaßnahmen.

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