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Pflanzenschutz 2012

Herbizidresistenz: Höchste Zeit zum Umdenken!

Lesezeit: 11 Minuten

Im Kampf gegen Unkräuter und Ungräser wird das Schwert der Herbizide immer stumpfer. Zunehmend perlen die Mittel wirkungslos an den Konkurrenten unserer Ackerkulturen ab. Sind unsere Anbausysteme ausgereizt? Müssen wir umdenken?*


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Die Weltkarte der gemeldeten Herbizidresistenzen zeigt rapide Zunahmen in Australien, Nord- und Südamerika, aber auch bei uns in Europa. Betroffen waren zunächst Wirkmechanismen bei selektiven Herbiziden. Seit einigen Jahren steht auch Glyphosat (Roundup) auf der Liste. Mit Resistenzfällen gegen Glyphosat in Italien und Spanien hat dieses Problem mittlerweile Europa erreicht. Auch wenn Glyphosat-Resistenzen bisher vor allem in Dauerkulturen aufgetreten sind, lässt der massiv gestiegene Einsatz in einjährigen Ackerbaukulturen nichts Gutes ahnen.


Weg von der Kurzfriststrategie!

Ein wichtiger Schritt für den Umgang der Praxis mit der Herbizidresistenz war, die Kennzeichnung der Wirkmechanismen der Herbizide (siehe Kasten) durchzusetzen. Denn die Basis für das Resistenz-Management ist, zu wissen, dass es unterschiedliche Wirkmechanismen gibt und dass auf keinen Fall immer Herbizide der gleichen Wirkmechanismengruppe eingesetzt werden dürfen.


Der konsequente Wirkstoffwechsel wird die Resistenzbildung zwar verzögern, aber ohne weitere Schritte nicht verhindern. Deshalb bemüht sich die Pflanzenschutzbranche (Beratung, Wissenschaft, Industrie), Landwirte anzuregen, über ihre Anbaupraktiken nachzudenken. Veränderungen sind hierbei aber deutlich schwerer zu erreichen. Denn für viele Landwirte hört bei Fragen der Fruchtfolgegestaltung, der Bodenbearbeitung oder des Saattermins die Bereitschaft zur Veränderung auf. Aspekte des kurzfristigen betriebwirtschaftlichen Erfolgs der Anbausysteme dominieren das Vorgehen.


Da Ackerbauern natürliche Systeme bewirtschaften, die sie auch mittel- bis langfristig im Griff behalten wollen, ist dies jedoch zu kurz gedacht. Warum? Die Antwort gibt ein Blick auf die Situation und Zusammenhänge der Herbizidresistenz.


Resistenz bei uns:

Auch in Deutschland treten immer häufiger Feldpopulationen von Unkräutern und Ungräsern auf, die Herbizidresistenz aufweisen. Das bestimmte Wirkstoffe betroffen sind, äußert sich darin, dass die Bekämpfungswirkung gegenüber bestimmten Arten immer stärker nachlässt. Früher oder später sind einzelne Arten mit dem Wirkstoff nicht mehr zu bekämpfen.


Betroffen sind in Deutschland und im nordwestlichen Europa vor allem Ungräser wie Ackerfuchsschwanz, Windhalm und Weidelgras-Arten, aber auch breitblättrige Unkräuter wie Weißer Gänsefuß, Kamille, Amarant, Schwarzer Nachtschatten oder Hirsen. Seitens der Herbizide können ein Wirkmechanismus, aber auch mehrere betroffen sein. Mittlerweile führen Pflanzenschutzdienste und Industrie immer mehr Monitorings durch, um den Resistenzstatus in Regionen oder überregional zu ermitteln.


Seit 30 Jahren nichts Neues:

Wagen wir zunächst einen Blick in die Zukunft: Wie wird es weitergehen mit der chemischen Unkrautbekämpfung in Zeiten der Resistenzbildung? Am einfachsten wäre es, Herbizide mit neuen Wirkmechanismen zur Verfügung zu haben. Diese könnten die Wirkstoffpalette bereichern, so dass sich im Kampf gegen Unkräuter und Ungräser mehr unterschiedliche Register ziehen lassen.


Seit fast 30 Jahren ist jedoch kein einziger neuer Wirkmechanismus bei den Herbiziden dazugekommen. Der letzte „neue“ waren die Sulfonylharnstoffe, eine der fünf chemischen Gruppen in der HRAC-Wirkmechanismenklasse A. Und die Pflanzenschutzmittelfirmen signalisieren klar, dass keine neue Wirkstoffgruppe in der „Pipeline“ ist. Das heißt: In den nächsten 10 bis 15 Jahren ist nichts Neues zu erwarten.


Lassen Sie sich nicht davon täuschen, dass der Herbizidmarkt mit neuen Namen und neuen Produkten immer unübersichtlicher wird! Es handelt sich stets nur um neue Komponenten aus den vorhandenen Wirkstoffklassen, veränderte Mischungen oder wieder aufgewärmte alte Wirkstoffe in veränderten Dosierungen.


Die Pack-Plage:

Hinzukommen im Mo-ment vor allem Packs – Gebinde aus zwei und mehr zugelassenen Herbiziden, die zwar getrennt verpackt, aber nur zusammen vermarktet werden. Packs werden häufig zu günstigeren Preisen angeboten. Dennoch ist die Pack-Flut auf dem Herbizidmarkt ärgerlich. Sie trägt nicht zu Transparenz, gezielter Bekämpfung bei entsprechender Indikation und verantwortungsvollem Umgang mit den herbiziden Wirkstoffen bei.


Gewollte Herbizidresistenz:

Neben spontan auftretenden, ungewollten Herbizidresistenzen bei Unkräutern gibt es in vielen Teilen der Welt die gewollte, gentechnisch erzeugte Herbizidresistenz bei Kulturpflanzen, wie z. B. Sojabohnen, Raps und Mais. Herbizidresistente Kulturpflanzen, gentechnisch erzeugt, sind in Europa wohl kein Thema mehr. Aber inzwischen gibt es konventionell gezüchtete Herbizidresistenzen, bereits seit längerem bei Sonnenblumen und Mais, nun auch bei Raps (siehe top agrar 12/2011, Seite 68).


Die Vorteile herbizidresistenter Kulturpflanzen hängen vom Einsatz des entsprechenden Herbizids ab. Führt die Technologie dazu, dass immer wieder gleich wirkende Herbizide eingesetzt werden, so trägt sie, egal ob sie gentechnisch oder konventionell erzeugt wurde, auf jeden Fall dazu bei, dass sich die Unkräuter anpassen und ebenfalls resistent werden.


Dies alles im Blick, sind die Bemühungen von Beratung und Praxis im Moment vorrangig darauf ausgerichtet, einseitige Herbizid-Rotationen zu vermeiden und Unkräuter so zu bekämpfen, dass keine Überlebenden eine Resistenz aufbauen können. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dies wird aber auf Dauer nicht ausreichen.


Warum kann geschicktes Herbizidmanagement Resistenz nicht dauerhaft verhindern? Was muss zusätzlich getan werden? Dafür lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.


Spiegel der Anbausysteme:

Unkräuter gehören zu den ständigen Begleitern des Ackerbaus. Bislang haben sie sich jeder Änderung der Anbausysteme angepasst. Das hat zwar den Ackerbauern nie gefallen, aber sie mussten sich immer irgendwie damit arrangieren. Verglichen mit Krankheiten oder Schädlingen, die zwar große Schäden anrichten, aber nicht immer auftauchen, sind Unkräuter immer vorhanden.


Wenn sich die Unkräuter in der Vergangenheit so hervorragend angepasst haben, werden sie dies auch in Zukunft tun. So gesehen bilden sie einfach einen großen Pool an Pflanzeneigenschaften, um künftig auf alle möglichen Maßnahmen reagieren zu können. Dieser Pool setzt sich aus den verschiedenen Unkrautarten zusammen. Hinzukommt, was wichtig für die Herbizidresistenz ist, die genetische Variabilität innerhalb der einzelnen Unkraut- und Ungrasarten.


Verschiedene Entwicklungen verdeutlichen das Potenzial dieser Reaktions- und Anpassungsmaßnahmen: Der dominierende Anbau bestimmter Früchte führt über kurz oder lang zu einer Verschiebung der Artenzusammensetzung der Unkräuter, zum Beispiel:


  • Wintergetreide fördert Gräser, die im Herbst keimen,
  • Sommergetreide pusht dagegen Flughafer, Senf und Hederich,
  • Winterraps bietet bevorzugte Bedingungen für andere Kreuzblütler,
  • Maisanbau fördert Hirsen.


Beschleunigte Selektion:

Das Ganze funktioniert auch ohne die Einwirkung von Herbiziden. Das verdeutlichen Versuchsdaten und Beispiele aus dem Öko-Landbau. Der Herbizideinsatz beschleunigt die Vorgänge durch gleiche Selektivität in denselben Pflanzenfamilien (z. B. Kreuzblütler im Raps) allerdings massiv.


Auch umgekehrte Entwicklungen sind möglich: Vielfältige Anbausysteme haben langfristig auch viele Unkrautarten. Das zeigen die vielfältigen Anbausysteme im „Vor-Herbizidzeitalter“. Die Gesamtmenge an Unkrautpflanzen war damals zwar auch höher als heute – aber einzelne Arten traten nicht so stark hervor. Windhalm und Ackerfuchsschwanz, die heute den Wintergetreidebau dominieren, ordneten sich z. B. ein in eine ganze Korona von häufigen Arten.


Damit verglichen bewirkten alle der seitdem durchlaufenen Schritte der Intensivierung des Ackerbaus mit mineralischer Düngung und Pflanzenschutzmitteln Verschiebungen zu weniger Unkrautarten auf den Äckern. Diese Verschiebungen sind zunächst träge. Sie brauchen Zeit. Sie treten aber langfristig mit hoher Sicherheit ein.


Unkräuter bilden also im Ackerbau eine allgegenwärtig vorhandene, reaktionsfähige Menge an spontanen Pflanzen. Sie sind sehr anpassungsfähig. Bisher sind die Anpassungen für uns vor allem auf der Ebene der Unkrautarten sichtbar geworden: Einige Arten gehen stark zurück. Aus Sicht des Artenschutzes ist dies durchaus zu beklagen. Andere Arten nehmen stark zu und sorgen als Problem-unkräuter für Ärger. Was hat das Ganze jedoch mit Herbizidresistenz zu tun?


Unkräuter profitieren:

Unkräuter müssen heute neue Herausforderungen meistern, weil sich die Anbaumethoden verändert haben: Deckungs­beitragsstarke Früchte in hoch spezialisierten, kurzen Fruchtfolgen zu kombinieren, bietet ökonomische und oft auch technische sowie organisatorische Vorteile.


Saattermine im Herbst soweit wie möglich vorzuziehen, verlängert nicht nur die Wachstumszeiten, sondern auch die „Winterruhe“ auf den Betrieben. Intensive Bodenbearbeitung kostet Geld und steht dem Bodenschutz entgegen. Insofern strebt alles in eine Richtung: Wenige Ackerfrüchte, egalisierte Saattermine, so wenig Bodenbearbeitung wie möglich.


Davon profitieren einzelne Unkrautarten massiv, z. B. die Gräser in den Winterungen oder Hirsen im Mais. In den stark vereinfachten Anbausystemen ist die Unkrautbekämpfung nur mit sehr gut wirksamen Herbiziden durchzuhalten. Diese haben wir in den meisten Fällen (noch) und sie werden entsprechend eingesetzt – mal intelligent (mit wechselnden Wirkmecha­nismen) mal weniger intelligent (immer oder häufig derselbe Wirk­mechanismus). Das hat über lange Zeiten problemlos fast unkrautfreie Äcker ergeben – auch wenn dabei ackerbauliche Maßnahmen vollkommen vernachlässigt wurden.


Es wäre jedoch naiv zu glauben, die Unkräuter geben einfach auf und passen sich nicht an. Zunächst läuft dies über Artenverschiebungen: Etliche Arten verschwinden, andere sind deutlich stärker vertreten. Bei gleich bleibendem Druck durch dieselben Bekämpfungsmechanismen reicht dieser Prozess irgendwann nicht mehr aus.


Natur züchtet Unkräuter:

Wie der Mensch in der Pflanzenzüchtung, greift die Natur auf die genetische Variation innerhalb der Arten zurück. Auch die Prozesse sind sehr ähnlich: Mutation, Kreuzung und Selektion. Das sind klassische Evolutionsprozesse – wie ein britischer Wissenschaftler es ausgedrückt hat: „Herbicide resistance is evolution in action“ (Übersetzung: Herbizidresistenz ist Evolution in Aktion).


Die bei diesen Prozessen entstehenden Resistenztypen versuchen wir zu unterscheiden:


  • Die target-site oder Zielort-Resistenz braucht als Auslöser eine Mutation, die spontan entsteht und sich dann in der Population durchsetzt.
  • Die metabolische Resistenz beruht hingegen auf Selektionsprozessen aus der vorhandenen genetischen Variabilität.


Je nach Unkraut- und Herbizidart sind die Resistenztypen unterschiedlich ver-breitet oder auch miteinander kombiniert. Regionale Unterschiede weisen außerdem darauf hin, dass biologische Prozesse natürlich immer mal anders verlaufen.


Unkrautproblem wird Resistenz:

Ein Phänomen ist ihnen auf jeden Fall gemeinsam: Sie treten nur in Verbindung mit großen Populationen der betroffenen Unkrautart auf. Bisher vorliegende Untersuchungen zeigen zunächst immer ein Unkrautproblem, auf dessen Basis erst ein Resistenzproblem erwächst.


Obwohl es in Experimenten möglich ist, Herbizidresistenz mit wenigen Pflanzen, gezielten Kreuzungen und hohem Selektionsdruck in einigen Generationen stabil zu etablieren, braucht die Natur dafür einfach genügend “Material”, um zu züchten. Dann ist es eine Frage von Wahrscheinlichkeiten, ob und wie schnell sich die zunächst äußerst geringen Anteile von herbizidresistenten Biotypen, die durch Selektion oder Mutation oder beidem entstanden sind, durchsetzen.


  • Spätestens jetzt werden Sie als Praktiker einwerfen: „Große Populationen an resistenten Ungräsern oder Unkräutern habe ich doch gar nicht zugelassen. Denen bin ich doch immer mit Herbiziden begegnet.”


Massenvermehrung:

Herbizide sind, wenn sie gut gewählt werden, meistens sehr effektiv. Bei aller Effektivität sind sie aber letztendlich doch nur eines von vielen „Rädchen“, die für die Unkrautkontrolle wichtig sind. Wenn immer mehr Rädchen – statt bei der Kontrolle mitzuhelfen – einzelne Unkrautarten fördern, wird auch der Erfolg der Herbizide anfälliger. Dann kommt es doch zu Massenvermehrungen einzelner Arten. Dies geschieht nicht immer auf dem ganzen Schlag und in allen Jahren, aber lokal und gelegentlich massiv.


Jetzt kommt noch der Faktor Zeit ins Spiel: Natürliche Unkrautpopulationen reagieren auf alles, aber sie brauchen dafür etwas Zeit. Die ersten Schritte beim langsamen Resistenzaufbau von Unkräutern auf einem Acker werden Sie als Landwirte gar nicht bemerken. Erst bei gleichen oder sehr ähnlichen Bekämpfungsstrategien bleibt der Selektionsdruck gleich und fördert die Resistenz weiter, bis das Problem offensichtlich wird.


Aus diesem Grund werden momentan für ein Resistenzmanagement hauptsächlich Strategien beraten, die geprägt sind von der Idee, mit wechselnden Wirk-mechanismen den Selektionsdruck zu variieren und damit keiner Pflanze der betroffenen Art das Überleben zu ermöglichen.


Kurzfristig verschafft dieses Vorgehen sicher Luft. Langfristig birgt es aber ein Dilemma: Der Selektionsdruck wird zwar etwas breiter, liegt aber weiterhin einseitig und hoch auf Merkmalen, die mit der Herbizidentgiftung zu tun haben. Darauf werden die Unkrautpopulationen reagieren und sich anpassen. Erste Entwicklungen, die auf metabolischer Resistenz, also im Grunde auf Selektion beruhen, zeigen, dass sie dies auch können.


Deswegen müssen wir uns auch über die langfristigen Ziele klar werden. Denken wir ernsthaft, dass Unkräuter vollständig beseitigt werden können? Ganz abgesehen davon, dass wir uns einen unkrautfreien Acker nicht wünschen sollten, weil dann auch andere wichtige Regelungs­mechanismen wegfallen würden, wird sich die Natur dies wohl schlicht nicht bieten lassen.


Wo Sie als Praktiker ansetzen können, Herbizidresistenzen zu vermeiden, lesen Sie auf der folgenden Seite.j

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