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Im Revier der starken Weißtanne

Lesezeit: 5 Minuten

Wenn man „richtige“ Tannen sehen möchte, muss man nach Gersbach in den Schwarzwald. Wir lassen uns das Bewirtschaftungs-Prinzip des Starkholzreviers erklären.


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Auf dem kleinen Wegweiser steht ziemlich nüchtern „Dicke Tanne“. Steht man dann vor einer der größten Weißtannen Deutschlands, stellt sich die Umschreibung „Dicke Tanne“ als ziemliche Untertreibung heraus: Vor uns türmt sich ein rund 50 m hoher Riese auf. Brusthöhendurchmesser (BHD) über 1,80 m, 40 Festmeter (Fm) in einem Stamm! Wir sind im Revier der starken Weißtannen, in Gersbach im Schwarzwald, direkt an der Grenze zur Schweiz.


Das Revier Gersbach ist Teil der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Kleines Wiesental. Der Vorsitzende, Landwirt Werner Kuttler, Geschäftsführer Dr. Michael Meyer-Heisig und Forstbezirksleiter Markus Rothmund haben uns eingeladen, um uns die starken Schwarzwälder Weißtannen anzusehen. Und dazu fährt man am besten ins Revier von Förster Jörg Gempp. Bei Insidern ist das Revier bekannt: Von hier (und aus dem Revier Todtmoos-Schwarzenbach) stammen die Bäume für das spektakuläre Expodach, das zur Weltausstellung in Hannover im Jahr 2000 errichtet wurde. Vorgabe: Die Stämme mussten noch in 22 m Höhe einen Zopfdurchmesser von 72 cm haben! Die gelieferten Bäume waren im Schnitt 230 Jahre alt, 43 m hoch und hatten einen BHD von 1,16 m. Ohne Rinde enthielten die gelieferten Stämme zwischen 9,5 und 24 Fm Holz – pro Stück!


Das Revier umfasst ca. 1 900 ha rund um die Gemeinde Gersbach. Neben dem Gemeindebesitz gibt es viele private Waldbesitzer mit kleinen Flächen. Insgesamt verteilt sich das Revier auf 450 Eigentümer, die im Schnitt 2,5 ha besitzen, dem größten gehören 50 ha.


Die Weißtanne spielt hier auf durchschnittlich 950 m über NN die wichtigste Rolle. Ihr Anteil beläuft sich auf 50 %. Auf die Buche entfallen 30 %, der Rest sind Fichten und einzelne Bergahorn-Stämme. Das Klima ist mit 1 800 bis 2 000 mm Jahresniederschlag wie geschaffen für die Tanne. Förster Gempp hat einen Zuwachs von rund 12 Fm/ha und Jahr ermittelt. Auch die Buche wächst mit 9 bis 10 Fm ordentlich zu. Und die Fichte bringt es gar auf bis zu 18 Fm pro Jahr.


Bei ihrem Bewirtschaftungskonzept setzen die Gersbacher auf den naturnahen Dauerwald. Darauf stimmt Gempp alle Hiebsmaßnahmen ab. Durch geschickte Plenterhiebe und Einzelstammnutzung verzichtet er komplett auf Kahlhiebe. Unterschiedlich starke und alte Bäume wachsen in einem Bestand. Dieser „Gemischtwarenladen“, wie die Leute von der FBG sagen, ermöglicht dem Förster, flexibel auf den Markt zu reagieren und gezielt die zurzeit gefragten Sortimente einzuschlagen: „Vom Vollernter-Holz fürs Profilzerspanerwerk bis zur überstarken Weißtanne zum Export können wir alles anbieten.“ Vor allem die Japaner interessieren sich stark für die Gersbacher Tannen. Sie verarbeiten das helle, harzfreie Holz der Weißtanne zu Grabtafeln, die traditionell zum Totengedenken verwendet werden, wie bei uns Kerzen oder Kränze.


Durch den Plenterhieb fördert Gempp gezielt die Naturverjüngung. Mittlerweile kommt er komplett ohne Pflanzung und auch ohne Gatter aus. Das geht nur durch ein strenges Jagdregime. Somit ist die Jagd ein ganz zentraler Teil des Gersbacher Konzepts: Als eine der wenigen in Baden-Württemberg hat sich die Gemeinde bereits 1972 entschieden, keine einzelnen Jagdreviere zu verpachten, sondern ein Regiejagdsystem einzuführen. Chef des Jagdreviers ist formal der Bürgermeister, doch die volle Verantwortung liegt beim Revierförster Gempp. Er erstellt die Abschusspläne und kontrolliert sie. Revierlose Jäger können zeitlich begrenzte Jagdrechte erwerben. Zusätzlich arbeitet Gempp mit zwei beauftragten, nebenberuflichen Jägern aus der Gemeinde. Alle erlegten Rehe müssen dem Förster gezeigt werden. Erst mit diesem „körperlichen Nachweis“ werden sie in die Statistik aufgenommen. Dadurch erhält der Förster die 100%-ige Kontrolle über den Abschussplan. Im Schnitt erlegen die Gersbacher 80 Stück Rehwild pro Jahr.


Die Zahl scheint zu passen: Denn nach den Belichtungshieben stellt sich dichte Naturverjüngung ein. Durch die große Holzmenge pro Stamm sind die Bestände trotz ihrer 600 bis 700 Fm/ha recht hell. Gut für die Naturverjüngung der Tanne. Der Boden ist grün bedeckt, die Rehe finden ordentliche Äsung, ohne sich ausschließlich auf junge Tannen zu stürzen. Das verbesserte Nahrungsangebot schont nicht nur den Tannennachwuchs, auch das Gewicht der erlegten Rehe ist heute deutlich höher als zur Zeit der dichteren Baumbestände.


Bei den Eingriffen arbeitet Förster Gempp grundsätzlich mit Lohnunternehmern aus der Region zusammen. Im Schnitt entnehmen die Profis alle 10 Jahre 120 bis 160 Fm/ha. In den letzten Jahren war die Entnahme an der oberen Grenze, um Bäume mit Tannen-Krebs radikal zu entfernen. Danach orientiert sich die Einschlagmenge am jährlichen Zuwachs. Sie bewegt sich also zwischen 100 und 120 Fm pro Hektar und Dekade.


Im Jahr setzen die Gersbacher 16 000 bis 18 000 Festmeter ab. Den Einschlag organisiert überwiegend Förster Gempp. Die komplette Abrechung läuft dann über die FBG Kleines Wiesental. Die Waldbesitzer erhalten zum Schluss den Überweisungsträger mit ihrem Erlös.


Nach jedem Einschlag folgen Pflegemaßnahmen. Neben den Einschlagschäden regulieren Waldarbeiter per Freischneider die Buchen-Naturverjüngung, um die Tannen gezielt zu fördern. Natürlich ist die Buche willkommen, doch die Tanne hat Vorrang.


Von den 18 000 Festmetern pro Jahr übernehmen Harvester übrigens lediglich 3 000 bis 4 000. Der Rest wird motormanuell gefällt und mit Sechs- oder Achtradmaschinen gerückt. Vor den Kalibern in Gersbach kapitulieren sogar die größten Raupenharvester.G. Höner

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