Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Waldumbau Seelische Gesundheit Steuern in der Landwirtschaft

Aus dem Heft

Israel: Kartoffeln in der Krise

Lesezeit: 8 Minuten

Israel erntet zweimal im Jahr Kartoffeln. Beregnung, intensiver Anbau und Beratung ermöglichen hohe Erträge und Qualitäten. Trotzdem steckt die Kartoffelbranche in der Krise.


Das Wichtigste zum Thema Ackerbau dienstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Ich bin Landwirt und kein Politiker“, so kommentiert Ori Rabinovich (55) den zunehmenden Export seiner Kartoffeln und Möhren nach Russland. Der Export in die EU läuft immer schleppender. Denn der Lebensmitteleinzelhandel setzt hier verstärkt auf regionale Produkte. Zudem haben es die Israelis bei dem schwachen Euro schwer, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten.


Rabinovich, der 100 ha Ackerland am nordöstlichen Stadtrand von Tel Aviv bewirtschaftet, steht noch aus weiteren Gründen unter Druck. Der Kartoffelkonsum sinkt auch in Israel. Er liegt nur noch bei 40 kg pro Kopf, Tendenz weiter fallend. An Frischkartoffeln verzehrt ein Israeli nur noch 27 kg pro Jahr. Stattdessen sind Pasta und Reis angesagt, denn auch in Israel haben sich die Lebensgewohnheiten geändert. Zudem rückt dem Landwirt die Bebauung immer näher an seine Flächen. Diese hat er für 750 ¤/ha zu 100 % gepachtet. Sie gehören Investoren und Privatleuten, die damit spekulieren und die Pachtverträge jederzeit kündigen können.


Strategie Exklusivsorten:

Dennoch stürzt er sich mit vollem Elan in den Anbau von Kartoffeln, Möhren, Süßkartoffeln, Erdbeeren, Wassermelonen und Weizen. Insgesamt baut er 33 ha Kartoffeln an. Seine Strategie, mit der er auf die Probleme am Kartoffelmarkt reagiert: Er setzt auf Spezialsorten. Dabei hält er bewusst die Ware knapp, damit die Preise nicht unter Druck geraten und setzt auf diese Spezialitäten:


  • Magenta Love (Züchter: HZPC). Er baut nur 0,1 ha dieser rotfleischigen Sorte an, deren Ertrag bei 40 t/ha liegt, und die er für 2,50 €/kg (250 €/dt!) verkauft.
  • Bergerac (TPC). Auf 1 ha baut er diese lilafleischige „Trüffelkartoffel“ an. Bei einem Preis von 2,50 €/kg kaufen Kunden diese nur stückweise ein.
  • La Ratte d’Ardèche, eine weißfleischige nach Kastanien schmeckende Kartoffel, die er an Restaurants verkauft.
  • Blue Belle (Germicopa) ist seine wichtigste Sorte, die auf 30 ha steht. Für sie erzielt er 0,50 €/kg.


Seine Kartoffeln vermarktet Rabinovich vor allem direkt über Stände auf dem Markt, aber auch an Supermärkte und Restaurants. Um das Gefühl nicht dafür zu verlieren, was die Kunden wünschen, stellt er sich ab und zu selbst auf den Markt. Um Exklusivsorten aufzuspüren, besucht er regelmäßig die Food Logistica in Berlin.


Warten auf Nematizid:

Der intensive Anbau – alle drei Jahre stehen Kartoffeln auf der gleichen Fläche – und die besonderen klimatischen Bedingungen (Trockenheit, Hitze) führen zwangsläufig auch zu Problemen. So wartet Ori Rabinovich ungeduldig auf die Zulassung des neuen Nematizids, das Adama auf den Markt bringen will. Der Hersteller von Pflanzenschutzmitteln ist aus dem israelischen Unternehmen Makhteshim Agan hervorgegangen, nachdem der chinesische Staatskonzern Chem China 60 % des Unternehmens gekauft hat. Probleme bereiten bei Rabinovich, aber auch in anderen kartoffel- und gemüseanbauenden Betrieben in Israel vor allem Wurzelgallennematoden (Meloidogyne chitwoodii). Früher setzten israelische Betriebe das Boden­entseuchungsmittel Methylbromid ein. Es ist wegen seines Treibhausgaseffektes mittlerweile verboten.


Leichtes Spiel haben die Erreger von Alternaria. Je nach Situation (Stress) sind bis zu drei Behandlungen pro Saison notwendig. Als hartnäckiges, schwer bekämpfbares Ungras, macht Rabinovich das Erdmandelgras zu schaffen. Das Problemunkraut überdauert und vermehrt sich über Rhizome, die bis in 50 cm Tiefe reichen können. Da auch Bearbeitungsgeräte es verbreiten, besiedelt es rasch ganze Flächen.


In Pflanzenschutzfragen steht dem Landwirt Berater Ron Epstein (55) zur Seite. Der Agraringenieur betreut ca. 20 Betriebe. In der rund um das Jahr dauernden Saison unterstützt er diese im 24-Stunden-Service bei Bestandskontrollen, Pflanzenschutzempfehlungen, Monitoring und Untersuchungen. Sie bezahlen ihn dafür nach Aufwand.


Der arbeitsintensive Kartoffel- und Gemüseanbaubetrieb beschäftigt 20 Saisonarbeitskräfte. Sie stammen aus Thailand und kommen für 5 Jahre mit einer Aufenthaltsgenehmigung nach Israel. Sie erhalten einen Mindestlohn in Höhe von 1 000 bis 1 300 € pro Monat. Zusätzlich stellt der Betrieb Unterkunft und Verpflegung. In der fremden Umgebung und Kultur tun sich die Thais aber schwer. „Sie sind ein bisschen wie Kinder“, erklärt Ori Rabinovich. „Man muss sie bei allem an die Hand nehmen, vom Einkaufen, über das Saubermachen der Unterkünfte bis hin zum Arztbesuch.“


Kartoffel-Kibbuz:

Privatlandwirte wie Rabinovich sind in Israel eher Exoten unter den landwirtschaftlichen Betrieben. Die meisten Kartoffeln erzeugen Kibbuzim (genossenschaftliche Siedlungen) oder Moschawim (private Siedlungen). Eine davon ist der Kibbuz Nirim, der in der Wüste Negev, ca. 100 km südlich von Tel Aviv, in Sichtweite des Gazastreifens (palästinensisches Autonomiegebiet) auf kargem Sandboden und bei 150 mm Jahresniederschlag 300 ha Kartoffeln anbaut. Der Betrieb pflanzt, wie in Israel üblich, zweimal im Jahr Kartoffeln:


  • Frühjahrskartoffeln, Pflanztermin von Januar bis Februar, Ernte von Mai bis Juli. Der Absatz erfolgt auf dem heimischen Markt, in der verarbeitenden Industrie und als Pflanzgut für den eigenen Betrieb.
  • Herbst-/Winterkartoffeln, gepflanzt von September bis November und geerntet von Dezember bis April. Sie sind vor allem für den Export bestimmt.


Um die Krautfäule-Infektionen unter Beregnung im Griff zu halten, wendet der Kibbuz Nirim zwei Systeme an. Vor dem Auflaufen der Kartoffeln wird der Boden mit Sprenkleranlagen feucht gehalten. Nach dem Auflaufen stellt man auf Tröpfchenbewässerung um. Diese ermöglicht es, Wasser mit einem etwas höheren Salzgehalt zu verwenden, da weniger Wasser verdunstet. Außerdem nutzt man sie zur sogenannten Fertigation, das heißt, Nährstoffe (inkl. Spurenelemente) kommen per Bewässerungswasser an die Wurzel. Weiterer Vorteil: Die Tröpfchenbewässerung aktiviert die Wirkung von Bodenherbiziden. In der Regel hält die teure Tröpfchenbewässerung für 14 bis 16 Ernten, das sind ca. 7 bis 8 Jahre. Dann muss sie ausgetauscht werden.


Beregnen mit Recyclingwasser:

Für die Beregnung nutzen die Israelis verschiedene Wasserquellen. Neben Brunnenwasser (sehr salzhaltig), Wasser aus Zisternen und entsalztes Meerwasser hat im Laufe der letzten Jahre der Einsatz von recyceltem Abwasser aus Privathaushalten in der Landwirtschaft stark zugenommen. Mittlerweile sind 78 % recyceltes Wasser, das über ober­irdische Wasserleitungen über 100 km von Tel Aviv auf die landwirtschaftlichen Flächen gelangt. Bei den Frühjahrskartoffeln ist der Wasserbedarf mit 5 500 m3/ha höher als bei den Winterkartoffeln (3 800 m3/ha). Die Wasserkosten betragen 20 ct/m3. Bei durchschnittlich 4 500 m3/ha Wasser sind dies 1 125 € pro ha. Insgesamt betragen die Produktionskosten rund 8 000 €/ha. Bei einem Ertrag von 50 t je ha sind dies 13 ct/kg.


„Die wichtigste Pilzkrankheit in Kartoffeln ist bei uns nicht Krautfäule, sondern Alternaria“, erklärt Tsalik Hertzl, der im Kibbuz für den Kartoffel­anbau verantwortlich ist. „60 Tage nach dem Pflanzen führen wir die erste Spritzung gegen Alternaria durch, die Anschlussspritzung erfolgt 20 Tage später. Frühjahrskartoffeln sind anfälliger als die Winterkartoffeln, da sie mehr Blattmasse bilden. Meist ist eine dritte Behandlung nach über 120 Tagen erforderlich. Das Ertragsniveau ist mit 60 bis 70 t/ha auch deutlich höher als das der Winterkartoffeln (45 t/ha).


Da die Böden in der Negev-Wüste nur 0,6 % Humus enthalten, bringt man vor dem Pflanzen eine Kompostgabe von 30 bis 40 m3/ha aus. Auch Phosphor und Kali gibt man vor dem Pflanzen. Die Stickstoffdüngung erfolgt hauptsächlich in flüssiger Form als Harnstoff über die Tröpfchenbewässerung. Pflanzkartoffeln erhalten 200 bis 250 kg N/ha und Konsumkartoffeln 300 bis 350 kg N/ha, je nach Sorte. Um sich ein Bild von der N-Versorgung der Bestände zu machen, führt man in Winterkartoffeln nach 35 und in Frühjahrskartoffeln nach 50 Tagen alle 10 Tage eine Stängeluntersuchung durch. Nach 24 Stunden liegt das Ergebnis vor.


Um die Kartoffeln zu vermarkten, hat der Kibbuz Nirim mit zwei weiteren Kibbuzims die Vermarktungs-Genossenschaft Hallutza errichtet. Ernüchtert ist man im Kibbuz mittlerweile vom Biokartoffel-Anbau, der 10 % der insgesamt 800 ha Kartoffeln ausmacht. „Bei 30 % weniger Ertrag beträgt der Preisaufschlag 20 bis 25 %. Um Krautfäule im Griff zu behalten, setzt man 3 kg/ha Kupfermittel ein. Allerdings werden die Anforderungen – speziell aus Deutschland – an die Biokartoffeln immer höher. Daher fahren israelische Betriebe ihren Biokartoffelanbau zurück. Im Kibbuz bevorzugt angebaute Sorten sind Nicola, Ditta und Alliance.


Vermarktung wird schwieriger:

Unweit des Gazastreifens in Hevel Maon steht der gemeinsame Abpackbetrieb Yacham von insgesamt zehn Kibbuzims. Diese bauen ca. 300 ha Kartoffeln pro Betrieb an. Bei zwei Ernten sind es insgesamt 4 500 ha pro Jahr. Rund 55 000 t der 140 000 t Jahresproduktion gehen von Ende März bis Mitte Juni in den Export in die EU. Zu den angebauten gelbfleischigen Kartoffelsorten zählen Nicola, Ditta, Yelli, Vivaldi, Annabelle, Charlotte, Mondial und zu den weißfleischigen Winston und Sifa. Die Bezahlung erfolgt nach Qualität und Vermarktung. Kartoffeln, die in die Schweiz gehen, bringen höhere Preise als Exporte nach England.


Yacham zählt zu den vier Abpackbetrieben, über die in Israel der gesamte Kartoffelexport abläuft. Sein Anteil beträgt 27 %. Wegbrechende Exporte in die EU hat man bislang durch den Absatz auf dem russischen Markt kompensieren können. Doch schätzt Nuki Neufeld, Marketing-Manager von Yacham, den russischen Markt skeptisch ein. Auch bekommen die Israelis zunehmend die Konkurrenz durch europäische Handelshäuser zu spüren, die selbst Kartoffeln in Spanien, Tunesien, Marokko und Ägypten kostengünstig anbauen lassen. Dennoch will Yacham die Kartoffelproduktion steigern. Dazu hat man Anfang 2015 ein Joint Venture mit dem französischen Großhändler Compagnie Fruitiere abgeschlossen. Hildegard Moritz

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Bestens informiert zur EuroTier 2024

Über 60 % sparen + Gewinnchance auf einen VW Amarok sichern!

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.