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Kräuterheu für Kaninchen und Köche

Lesezeit: 10 Minuten

Im Thüringer Wald kombiniert Junglandwirt Heinrich Meusel Grünlandwirtschaft, Naturschutz und Wellness. Mit seinen pfiffigen Heuprodukten zeigt er, dass ein extremer Standort kein Nachteil sein muss.


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Bereits seit über zehn Jahren erntet Heinrich Meusel von den kleinsten Bergwiesen rund um Friedrichshöhe Bio-Heu für Kleintiere. Mit diesem lässt sich auch in der Badewanne entspannen oder sogar der Weihnachtsbraten zubereiten – klingt komisch, ist aber so. So oder ähnlich würde die „Sendung mit der Maus“ den Betrieb „Heu-­Heinrich“ im Fernsehen vorstellen. Die Redakteure haben kürzlich tatsächlich bei dem 26-Jährigen für eine Reportage angefragt. Denn der ideenreiche Meisterlandwirt kommt mit seinen Heuprodukten sogar in Marokko gut an.


Das nutzen, was man hat:

Besonders an Meusels Heu sind die vielen Kräuter. Auf seinen Wiesen wachsen ca. 20 bis 30 Arten, darunter auch Heilkräuter. „Der natürliche Kräuteranteil ist mit 60 bis 70 % sehr hoch“, berichtet er. Häufig vertreten sind z. B. Bärwurz, Arnika, Gänsefinger-, Johannis- und Labkraut, Herbstlöwenzahn sowie Scharfgarbe. Aber auch Rot- oder Weißklee und Gräser wie der Wiesenfuchsschwanz finden in der Höhe gute Bedingungen.


Ursache für diese Vielfalt sind das raue Mittelgebirgsklima und die mageren Bodenverhältnisse. Die etwa 10 cm dünne Bodenauflage mit viel organischem Material ist steinreich, aber nährstoffarm. Zudem fallen im Jahresschnitt über 1 000 mm Regen, von Dezember bis nach Ostern meist als Schnee. „Die Flächen können wir daher nur sehr extensiv bewirtschaften“, erklärt Meusel.


Hinzu kommt Folgendes: Unter den 32 500 ha Grünland im Naturpark Thüringer Wald sind viele wertvolle Bergwiesen. Auf über 750 m gelegen haben sie oft eine starke Hangneigung (bis 70 %). Meusel heut von diesen aktuell 90 ha, zersplittet in über 300 Einzelflächen. Im Schnitt sind diese kleiner als 0,3 ha, seine größte Fläche umfasst nur 3 ha. Die Stücke sind zudem von Wald umrandet, enthalten Baumstümpfe und lassen sich nur über schmale Zuwege erreichen. Dass er zu einigen Schlägen bis zu 20 km fahren muss, erschwert zudem eine wirtschaftliche Nutzung.


Doch Meusel hat Wege gefunden, die eiweiß- und energiearmen, aber rohfaserreichen Bestände optimal zu verwerten. Dazu hat er seinen Betrieb breit aufgestellt (siehe Kasten) und vermarktet das Heu unter der Marke Heu-Heinrich® als Futter für Kaninchen und Meerschweinchen. Zudem ist es in Form von Wellness-Produkten, wie z. B. Körperpeeling, Massage-Öl oder Tee, erhältlich. Zusammen mit dem von ihm entwickelten Heubad ist daraus das Konzept „Ritual Heu-Heinrich®“ entstanden, das bereits einige Hotels anwenden. Damit auch jeder bei sich zu Hause im Heu baden kann, hat sich Meusel etwas einfallen lassen: den Teebeutel für die Badewanne. Mit dem im Baumwollsack verpackten Heu lässt sich in der eigenen Wanne entspannen.


Das Heu in der Suppe:

Seine neueste Vermarktungsidee ist das Kochen mit Heu. „Das liegt richtig im Trend“, berichtet er. Einige Fernsehköche hat er damit bereits beliefert. Auch Meusel versucht sich an verschiedenen Gerichten und serviert sie in seiner Familienpension „Arnika“ in Friedrichshöhe. Bei den Gästen beliebt ist die Heusuppe. „In der schwimmt aber kein Heu“, klärt er auf. „Sie wird aus dem Sud zubereitet.“ Doch bevor der Thüringer mit seinem Heu kochen kann, muss er es ernten.


Kräuter im Blick:

Um zu lernen, wie man Bergwiesen richtig bewirtschaftet, zog Meusel in die Ferne und absolvierte eine 3-jährige Ausbildung an der Fachschule in Tamsweg (Österreich). „Auf Bergwiesen spielen die Kräuter eine wichtigere Rolle als die Gräser in einem intensiv geführten Grünlandbestand“, erklärt der Heuspezialist. Daher orientiert er sich bei anstehenden Maßnahmen an ihrer Entwicklung.


Ist der Schnee im Frühjahr geschmolzen, lüftet Meusel zunächst mit dem Striegel die Narbe. „Stark vermooste Flächen haben dies besonders nötig, damit sich die Kräuter danach optimal entwickeln können“, erläutert er. Vor allem Arnika reagiert positiv auf diese Pflege. Manchmal setzt er auch die Schleppe ein, um Maulwurfshügel einzuebnen.


Da Meusel für seine Flächen die Förderung als Agrarumweltmaßnahme (KULAP) nutzt, hat der Bestand nach der Frühjahrspflege viel Zeit, um zu wachsen. Erst ab dem 20. Juni – auf wertvollen Flächen mit Orchideen nicht vor dem 20. August – darf er mit dem 1. Schnitt beginnen. „Die Kräuter müssen zudem verblüht sein“, so seine Erfahrung. „Denn nur so sichere ich mir kräuterreiche Bestände für das nächste Jahr. Er orientiert sich vor allem an der Arnika, da sie die wichtigste Heilpflanze in seinem Heu ist.


Um den Boden nicht unnötig zu ­be­las­ten, erfolgt die Ernte sehr scho­nend. Auch wegen der starken Hangneigung nutzt er Spezialtechnik aus der Schweiz. „Mit der modernen Technik schaffe ich 4 ha pro Tag“, ergänzt Meusel. Der mit Scheiben- oder Doppelmäh­werk ausgerüstete Hangmäher schneidet den Bestand auf 6 bis 8 cm Höhe. „So haftet möglichst wenig Schmutz am Mähgut, und ich riskiere keine Qualitätsverluste“, ist der Landwirt überzeugt.


Bewährt hat sich auch, direkt nach der Mahd intensiv zu zetten. Das öffnet die Wachsschicht der Blätter und hat nach seiner Erfahrung folgende Vorteile: Die Bröckelverluste sind sehr gering, und der Trocknungseffekt ist am größten. „So geht mir nur wenig von der Heublume verloren und ich kann zügig pressen“, ergänzt er. Unter Heublume versteht man neben den Blüten weiteres, feines Pflanzenmaterial, wie z. B. Blätter und Sämereien. Sie ist die Grundlage seiner Wellness-Produkte, wie z. B. der Heu-­Lotion.


Hohe Sorgfalt bei der Ernte:

Am Tag nach dem Mähen wendet er das Schnittgut ein- bis zweimal vorsichtig, schwadet jedoch nicht – wie praxisüblich – zum Abend hin. „Das lohnt sich einfach nicht bei den vielen kleinen Flächen“, so Meusel. Am dritten Tag schwadet er das Grüngut möglichst nach dem Mittag mit einem Bandrechwender und beginnt mit dem Pressen. Auch dies muss sehr sorgfältig erfolgen, um möglichst wenig Feinmaterial zu verlieren. Daher nutzt „Heu-­Heinrich“ dafür eine Bänderpresse. Locker gepresst mit weniger als 14 % Feuchte wickelt Meusel von seinen Flächen insgesamt ca. 600 Heuballen.


Einen 2. oder gar 3. Schnitt gibt es auf seinen Bergwiesen nicht, da kaum Pflanzen nachwachsen. Einige Flächen lässt er aber noch von anderen Landwirten mit Hochlandrindern, Ziegen oder Schafen nachbeweiden. Eine Düngung der Bergwiesen ist nicht nötig. Im Gegenteil: Ein nährstoffarmer Boden ist Voraussetzung für die Kräutervielfalt. Biologischer Pflanzenschutz ist dagegen regelmäßig Pflicht. Dazu sticht Meusel unerwünschte Kandidaten, wie z. B. Disteln, aus. Sein Vorteil: Wegen der Höhenlage hat er mit dem giftigen Jakobskreuzkraut keine Probleme.


Ein Ballen, viele Produkte:

In seiner 600 m2 großen Lagerhalle in Scheibe-­Alsbach verarbeitet Meusel mit seinen sechs Mitarbeitern die Heuballen. „Nicht jeden Ballen kann ich für jedes Produkt nutzen“, erklärt er. „Für das Premium-Heu zum Kochen wähle ich z. B. nur das von Wiesen mit viel Bärwurz und wenig Arnika.“ Auch muss er das Grobheu von der Heublume trennen. Das übernimmt seit diesem Jahr der vollautomatische Ballenauflöser. Anschließend wird das Heu für Kleintiere oder zum Kochen automatisch von einer weiteren Anlage in 1 kg- und 750 g-Plastikbeutel verpackt. „Diese Spezialanlage haben wir uns in Niedersachsen bauen lassen“, so Meusel. „Wir können unser Heu nur über den Großhandel vermarkten, wenn es die richtige Verpackungsgröße hat.“


Seine wichtigsten Abnehmer sind Rewe Ost und tegut. Meusel liefert sein Bio-Heu aktuell an über 1 000 Filialen. „Ich musste viele Klinken putzen, um einen Schritt in die Tür beim Großhandel zu bekommen“, berichtet er. Neben dem Heu verkauft er auch Bio-Stroh, das er aus der Region bezieht.


Der Preis für sein Heu hängt vor allem von der Qualität ab. Daher legt „Heu-Heinrich“ darauf besonders viel Wert. So sind seine Produkte neben den gängigen Kontrollen auch nach dem International Food Standard (IFS) zertifiziert. Damit unterliegen sie dem Lebensmittelstandard. Für seine Bio-Zertifizierung nach EU-Richtlinien erhält er nur einen kleinen Preisaufschlag.


Internet macht es möglich:

Um seine Produkte deutschland- und sogar weltweit zu verkaufen, gründete Meusel 2011 einen Online-Shop. Die Kunden zahlen im Internet nicht mehr als bei Rewe. „Über den Online-Shop erhoffe ich mir, den Gewinn im Vergleich zum Großhandel zu verdoppeln“, erklärt er. „Denn dieser beansprucht für sich eine ordentliche Spanne.“


Im Internet verkaufte er zunächst nur Heu, Stroh und das „Heubad für zu Hause“ im Geschenkkarton. Jedoch lief der Absatz nur schleppend an. „Am Anfang haben wir jede Bestellung gefeiert“, erinnert sich der Heuprofi. „Eine pro Woche war schon ein echter Erfolg.“ Heute brummt das Geschäft über das Netz. Seine rund 2 800 Online-Kunden bringen ihm rund 10 Bestellungen pro Tag – Tendenz steigend.


Seit 2012 hat er seine Produktpalette deutlich erweitert. Zwar kaufen die meisten Kunden immer noch Heu und Stroh, aber der Umfang der Bestellungen ist größer geworden.


Zukünftig will Meusel das Online-­Angebot um weitere Artikel ergänzen, vor allem mit den Wellness-Produkten. Sie machen bereits heute ca. ein Drittel seines Umsatzes aus. „Einen Shop im Internet muss man auf jeden Fall immer langfristig sehen“, erklärt der junge Unternehmer. „Der Erfolg kommt dabei nicht von heute auf morgen.“


Für Heinrich Meusel ist es auch wichtig, seine Stammkunden an sich zu binden und neue zu werben. Dafür ist der Betrieb „Heu-Heinrich“ in den sozialen Medien aktiv. Auf Facebook haben fast 2 000 Fans seine Seite mit „Gefällt mir“ bewertet. Viele von ihnen sind Kleintierhalter. „Für uns ist Facebook eine ideale Plattform, um auf uns aufmerksam zu machen“, ist sich Meusel sicher. „Doch es kostet auch viel Zeit, das Portal zu pflegen.“ Denn seine „Anhänger“ erwarten regelmäßig Neuigkeiten und Gewinnaktionen. Zudem ist er mit seinem Team auf Messen, wie z. B. der Grünen Woche, unterwegs.


Nicht ohne Risiko!

So steinig wie seine Flächen, ist auch der Weg, seinen Heubetrieb zu finanzieren. Denn Meusel startete ohne eine einzige Fläche und Maschine. „Ein bißchen Idealismus ist schon nötig“, gibt er zu. Doch als studierter Betriebswirt weiß er, dass es ohne ein stabiles Konzept nicht geht. Und so investiert er weiter. „Denn nur mit moderner Technik kann ich zukunftsfähig bleiben“, erklärt er. So hat er kürzlich in eine spezielle Heutrocknungsanlage für Rundballen investiert. Mit dieser Technik aus Österreich möchte er erreichen, dass er sein Heu bereits am Tag nach dem Mähen mit ca. 35 % Feuchte einfahren kann. Die Anlage trocknet 32 Ballen in ca. 20 Stunden. „Das sichert mir bei Extremwetter meine Ernte“, so Meusel. Wegen seiner Lieferverpflichtungen beim Großhandel ist er darauf angewiesen, die optimalen Inhaltsstoffe und den Trockengehalt zu halten – egal, wie das Wetter ist. Zudem reduzieren sich so die Bröckelverluste und er erhält mehr Heublumen.


Nur das Heu im Kopf:

„Heu-Heinrich“ hat noch mehr Pläne: Die Feuchtwiesen in seiner Region zu bewirtschaften, die Großkunden auszubauen und weitere Einzelhändler direkt zu beliefern. Dafür braucht er mehr Bio-Heu und versucht andere Landwirte vor Ort mit ins Boot zu holen.


Gemeinsam mit dem Landschaftspflegeverband Thüringer Wald startet er daher ab 2016 ein Projekt. Dieses soll es Thüringer Landwirten ermöglichen, bei einem Betriebsaustausch mit Österreich die Kniffe der Berglandwirtschaft zu erlernen. Wer daran Interesse hat, kann sich beim Landschaftspflegeverband melden (Tel.: 03 67 04/8 05 97).


Mit diesem Projekt kommt Meusel dann vielleicht auch seinem größten Wunsch noch ein Stück näher: So wie Leute den Schwarzwald mit dem Schinken verbinden, so sollen sie künftig den Thüringer Wald mit duftendem Kräuterheu assoziieren. Anne Borchert

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