Die Ertragsschwankungen des Weizens haben deutlich zugenommen. Der Weizen galt bisher als sichere Kultur, da seine späte Entwicklung von der Frostgare profitiert. Heute liegen aber zwischen sehr guten und sehr schlechten Jahren im Norden Ertragsunterschiede von rund 50 dt/ha!
Ein Grund hierfür ist die häufig schlechte Fruchtfolgestellung des Weizens nach Weizen oder nach spät räumenden Früchten wie Mais und Rüben. Neben Problemen bei der Bodenstruktur kommen auch Schaderreger zum Tragen, die sich erst spät zeigen und oft gar nicht erkannt werden. Dazu gehören vor allem Schwarzbeinigkeit und Fusarien. Hinzu kommen Minimalstrategien bei Bodenbearbeitung und Bestellung, weil viele noch immer glauben, dass der Weizen das am besten verkraften kann.
Ein weiterer Grund ist die Veränderung in der Umweltreaktion der Sorten. Während die Sorten der „Ritmo“-Ära eine Wärmesumme von 70 °C pro Blatt benötigten, haben aktuelle Sorten einen Bedarf von 100 °C! Eine voll bestockte Pflanze wird heute somit erst bei 900 °C erreicht – eine Wärmesumme, die nur bei extremer Frühsaat und auf sehr warmen Standorten (Rheinland) erreicht wird.
Der Haken: Selbst bei normal-früher Aussaat nach Raps wird es schwierig, die Ähren bildenden Nebentriebe schon im Herbst mit Kronenwurzeln auszustatten. Im Frühjahr bildet die Pflanze dann nur noch in geringem Umfang Kronenwurzeln, zumal die zunehmende Tageslänge das Tiefenwachstum einleitet. Da die Nebentriebe bis zu zwei Drittel des Bestandes zur Ernte ausmachen, dominiert der Anteil labiler Triebe. Das ist der hohe Preis, den wir für den Wunsch nach Frühsaatverträglichkeit zahlen.
Aktuelle Sorten schossen deutlich früher. Im Fachjargon: Der Anspruch an die Tageslänge hat sich verringert. Benötigten alte Sorten 14 Stunden Tageslänge, um in die Streckung zu kommen, reichen heute nach einem milden Winter bereits neun Stunden aus. Die Folgen bekamen wir 2012 leidvoll zu spüren: Nach einer Warmphase im Januar raffte der Februar-Frost die wachsenden Bestände dahin. Sollten sich milde Winterphasen häufen, wird der Winterweizen deutlich auswinterungsgefährdeter sein als die Wintergerste.