Gras ist als Futter für Kühe eigentlich viel zu schade, davon ist Johan Sanders (66), frisch emeritierter Professor der niederländischen Universität Wageningen überzeugt. Gras habe als nachwachsender Rohstoff beste Zukunftschancen für die sogenannte Bioraffinerie, berichtete kürzlich die niederländische Fachzeitschrift „Boerderij“ über Sanders Einschätzung. Eine Bioraffinerie verarbeitet Biomasse nicht nur zu Nahrungs- und Futtermitteln, sondern auch zu Grund- und Feinchemikalien für die chemische Industrie. Gras ist ein idealer Rohstoff dafür, weil es sich in drei Komponenten aufteilen lässt: Fasern (30 %), Eiweiß (15 %) und Saft (55 %). Die Wertschöpfung der einzelnen Produkte übersteigt die Kosten der Bioraffination um 14 %. So sind z. B. die Fasern interessant für die Papierindustrie und den Energiesektor. Der Saft ist ein Grundstoff für die chemische Industrie.
Biomasse aus Gras, aber auch aus anderen Pflanzen (z. B. Mais) hat den Vorteil, dass sie Sauerstoff und Stickstoff enthält. Dadurch sei es weniger aufwendig, sie in brauchbare Bausteine für die Chemie, die bislang fossile Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas einsetzt, zu verwenden. Allein in den Niederlanden könnten nach Schätzung von Sanders in den nächsten 10 bis 15 Jahren durch die Bioraffination von Gras und anderen Pflanzen 45 000 Arbeitsplätze entstehen, davon ca. 50 % in der Landwirtschaft. Das könnte dem Ansehen der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit wieder Auftrieb geben, meint Sanders.
Auch die Abhängigkeit von Sojaimporten ließe sich durch die Bioraffination von Gras senken, denn die einzelnen Komponenten ließen sich zum Beispiel in der Schweinefütterung einsetzen. Es sei gut für die Nährstoffbilanz des Landes und entschärfe die Gülleproblematik.