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Verzwergungsvirus: Neue Gefahr im Norden?

Lesezeit: 7 Minuten

Auch im Norden tritt im Weizen das Verzwergungsvirus (WDV) immer öfter auf. Überträger sind wärmeliebende Zikaden. Gefährlich sind Herbstinfektionen. Mehr zu Ursachen und Bekämpfung von Dr. Christoph Brandfaß, LWK Niedersachsen, Northeim.


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Im Frühjahr 2012 kam es im Weizen nicht nur zu großflächigen Auswinterungsschäden. Auf Einzelschlägen traten regional auch nesterartige Verzwergungen im Weizen auf. Diese ähnelten sehr den Symptomen des Gerstengelbverzwergungsvirus: Zwergwuchs und gelb verfärbte Blätter. Die Pflanzen gingen nicht ins Schossen und bildeten weniger oder nur taube Ähren. Die Folge: Mindererträge bei nesterweisem Auftreten in teilweise erheblichem Ausmaß.


Die Untersuchung im Labor brachte ans Licht: Die verzwergten Pflanzen enthielten das in Südniedersachsen bisher nicht festgestellte Weizenverzwergungsvirus. Überträger sind Zikaden. Wird diese neue Viruskrankheit auch im Norden dauerhaft auftreten und sogar eine Gefahr für die hiesige intensive Weizenproduktion?


Zikaden bringen das Virus

: Zwergzikaden übertragen das Weizenverzwergungsvirus (Wheat dwarf virus, WDV). Soweit bisher bekannt, ist nur eine Art, die Wandersandzirpe (Psammotettix alienus), dazu in der Lage (siehe auch Beitrag auf Seite 68). Sie kommt – neben vielen anderen Zikadenarten – in Wiesen, Getreidefeldern, Saumstrukturen usw. vor. Das WDV hat, wie das durch Blattläuse übertragene Gerstengelbverzwergungsvirus (BYDV), einen größeren Wirtspflanzenkreis unter den Gräsern. Zudem kann es alle Getreidearten befallen.


Wie leben die Zikaden und warum treten sie in letzter Zeit verstärkt als Virusüberträger auf? Die Zikaden sind sehr mobil. Sie vermehren sich ausschließlich geschlechtlich. Die Weibchen legen die Eier an Blättern von Getreide und Gräsern ab. Nach dem Schlupf entwickelt sich die Zikade über 5 Larvenstadien zum Vollinsekt. In der Regel gibt es 2 Generationen pro Jahr. Die Zikaden überwintern in der Eiphase in sogenannten Dormanz-Eiern. Diese benötigen einen Kältereiz, um im Folgejahr schlüpfen zu können. Nach dem Schlupf im Frühjahr, etwa ab Ende April, verbreiten die Larven und in der Folge ab ca. Mitte Mai die erwachsenen Zikaden das WDV weiter im Bestand. Vorausgesetzt, sie haben das Virus von einer infizierten Pflanze aufgenommen.


Die erwachsenen Zikaden der 2. Generation erscheinen ca. ab Ende Juli, sodass in Wintergetreide eine Vermehrung – im Gegensatz zu Blattläusen – bis zur Ernte kaum noch stattfindet. Im Ausfallgetreide ist das dagegen sehr wohl der Fall. Die Zikaden legen dort die Dormanz-Eier bereits ab Ende August ab.


Den Ertrag schädigen hauptsächlich Herbstinfektionen. Hierbei spielen in der Regel nur die erwachsenen Tiere eine Rolle. Frühjahrsinfektionen sind wegen der späten Entwicklung der Zikaden nicht sehr bedeutsam. In 2012 haben sie das Virus lediglich vereinzelt auch auf Sommerweizen übertragen. Dieser stand als Nachsaat in teilweise umgebrochenem Winterweizen. Eine starke Virusquelle war somit in unmittelbarer Nähe vorhanden.


Die Zikaden müssen, wie die virusübertragenden Läuse, die Viruspartikel aus dem Phloemsaft der infizierten Pflanzen aufnehmen. Danach zirkuliert das Virus in der Zikade. Sie kann es nach 1 bis 3 Tagen mit dem Speichel wieder abgeben. Es vermehrt sich nicht in den Zikaden. Da diese sehr mobil sind, kann ein Insekt eine Reihe von Pflanzen infizieren. Daher tritt der Befall oft nesterweise auf, ähnlich wie bei dem Gerstengelbverzwergungs-Virus (BYDV).


Zikaden gehören zu den wärmeliebenden Insekten, sodass die Vermehrung der Population stark von Temperatur und Witterung abhängt. Unter 10° C ist die Aktivität der Tiere stark eingeschränkt. Eine Lebendüberwinterung ist hierzulande in der Regel nicht möglich, da die Zikaden bei unter -5° C absterben.


Monitoring im Herbst

: Um festzustellen, wie häufig die Zikade und das durch sie verbreitete Virus (WDV) vorkommen, hat der amtliche Dienst in Niedersachsen ein Vektoren-Monitoring durchgeführt. Weil die springenden Zikaden sehr mobil und klein sind (4 mm), lassen sie sich im Bestand kaum erfassen. In dem Ausfallgetreide, das als Risikoindikator diente, ließ sich das WDV im Herbst 2011 und 2012 auf ca. 20 % der untersuchten Schläge in Niedersachsen nachweisen (siehe Übersicht). Allerdings lag der Befall meist auf sehr niedrigem Niveau. In Einzelfällen waren aber auch bis zu 27 % der untersuchten Pflanzen eines Schlages betroffen.


Seit Herbst 2011 haben wir in geringer Dichte Zikaden der Art Wandersandzirpe in fast ganz Niedersachsen gefunden. Nach den Schäden im Frühjahr 2012 legte der amtliche Dienst im Herbst 2012 an drei betroffenen Standorten Bekämpfungs- und Monitoring-Versuche an. Das vorläufige Ergebnis dieser Versuche ist bezeichnend für den Schaderreger:


  • In den benachbarten Winterweizen-Frühsaaten ließen sich nur sehr vereinzelte Exemplare der Wandersandzirpe (neben vielen anderen Zikaden) in Gelbschalen fangen.
  • Die nachfolgenden Virusuntersuchungen des Getreides in den Versuchsparzellen war entsprechend ernüchternd. Das WDV ließ sich nicht mehr nachweisen.


Wann wird WDV ein Problem?

Viruskrankheiten, die durch Vektoren übertragen werden, sind sehr komplexe Beziehungsgefüge. Viele Faktoren beeinflussen ihr Auftreten. So hängt die Menge der Zikaden zunächst von den Vermehrungsbedingungen im Sommer ab. Diese beeinflussen den Zeitpunkt und die Stärke des Zufluges in Kulturpflanzenbestände. Wie Virus-beladen die Zikaden sind, hängt vom Ausmaß des Virusbefalls der Wirtspflanzen (Gräser, Ausfallgetreide) und der Nähe zu Virusreservoirs (Ausfallgetreide, Wiesen, Saumstrukturen) ab. Im weiteren Verlauf beeinflusst der Auflauftermin des Getreides das mögliche Schadpotenzial.


Ein begrenzender Faktor kann dann die Populationsentwicklung der Vektoren im Herbst sein (natürliche Gegenspieler, Witterung usw.). Zu nennen ist auch die unsichere Nebenwirkung von Insektizidmaßnahmen.


Eine wesentliche Rolle für die Virusübertragung spielen die „grünen Brücken“. Nachdem die Zikaden das Ausfallgetreide besiedelt haben, vermehren sie sich und verbreiten die Viren. Es besteht die Gefahr, dass die Zikaden sehr schnell in die neue Saat einwandern. Das ist der Fall, wenn der Zeitraum zwischen der Beseitigung des Ausfallgetreides auf der Fläche und der nachfolgenden Aussaat des Wintergetreides sehr kurz ist und/oder das Ausfallgetreide nicht vollständig beseitigt wird. Sie haben dann das WDV im Gepäck und schleppen es in die Weizenbestände ein. So kann sich in der Umgebung solcher Schläge im Laufe der Jahre durch das Erhöhen des Infektionspotenzials ein großes Problem entwickeln.


Bekämpfung möglich?

Im Gegensatz zu Blattläusen ist die direkte Bekämpfung der Zikaden viel schwieriger. Es ist zurzeit kein Insektizid mit der Indikation Zikaden als Virusvektoren zugelassen. Die bisherigen Erkenntnisse aus deutschlandweiten Untersuchungen, WDV-Infektionen durch Bekämpfung der Zikaden mit Insektiziden einzugrenzen, zeigen unbefriedigende Ergebnisse. Die hohe Mobilität der Zikaden (häufiges Wechseln zwischen Feld und angrenzenden Bereichen) erschwert die Wahl des optimalen Behandlungstermins ungemein. Die springende Fortbewegung der Zikaden schränkt den Kontakt mit behandelten Blättern ein und reduziert – im Vergleich zu Blattläusen – die Aufnahme von Insektiziden.


Beizen zur Bekämpfung von Vektoren stehen nicht zur Verfügung. Contur Plus mit der Indikation Brachfliege in Winterweizen hat keine Wirkung auf Zikaden und Blattläuse. Bei Insektizidmaßnahmen gegen Blattläuse ist daher nach heutigem Wissensstand nur eine geringe Nebenwirkung auf die Zikaden und damit auf die Virusausbreitung von WDV zu erwarten.


Vor allem in diesem Frühjahr, aber auch im letzten Herbst war es meist zu kalt für die wärmeliebenden Zikaden. Künftig werden wir wohl nur nach längeren warm-trockenen Phasen verstärkt mit Zikaden und WDV-Infektionen rechnen müssen. Da im Zuge des Klimawandels jedoch eher mit diesen Bedingungen zu rechnen ist, sollten Sie für Infektionen mit dieser neuen Virus-erkrankung in Weizen sensibilisiert sein. Wenn Sie sich zudem an die ackerbaulichen Regeln halten, könnte sich dieses Problem künftig durchaus beherrschen lassen.

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