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Warum unsere Weizenerträge stagnieren

Lesezeit: 6 Minuten

Die Euphorie des 10-Tonnen-Clubs ist lange verflogen. Die Ertragssteigerungen der 90er-Jahre sind Geschichte. Warum die Erträge kaum noch anziehen, erklärt Dr. Ute Kropf, FH Kiel.


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Die Ertragsentwicklung des Winterweizens bleibt seit Jahren hinter den Erwartungen zurück. Die Züchtung neuer, ertragreicher Sorten mit besserer Krankheitsresistenz soll jedes Jahr 1 % Mehrertrag bringen. Selbst wenn der Weizen heute schlechter in der Fruchtfolge steht und man die ertragsschwachen Jahre mit Hitze und Trockenheit oder nasse Ernten nicht berücksichtigt, kommen wir höchstens auf einen Mehrertrag von 6 dt/ha in den letzten 10 Jahren. Das sind 0,6 % pro Jahr.


Auf der Suche nach den Ursachen orientieren wir uns erst einmal an Hoch­ertragsstandorten. Auf diesen können die Sorten ihr genetisches Potenzial ausschöpfen, ohne dass Umweltfaktoren dies begrenzen.


Welche Erträge sind möglich?

Der Weltrekord im Weizenertrag liegt bei 15,6 t/ha. Ackerbauer Mike Solari hat ihn 2010 in Neuseeland auf einer 8 ha großen Fläche innerhalb eines größeren Schlages geerntet. In England haben Landwirte über 14 t/ha von Praxisflächen abgefahren. Die Jagd nach Höchsterträgen hat aber ihren Preis: Solari düngte 450 kg N/ha, in England kalkuliert man mit 340 kg N/ha. In nassen Jahren brach der Ertrag bei diesem enormen Stickstoffeinsatz dann auch schon um mehrere Tonnen ein.


Dass es auch anders geht, zeigen Daten aus Ostholstein. Dort ernten Landwirte mit 220 kg N/ha, die für 12 t/ha Ertrag kalkuliert sind, bei günstiger Witterung auch 13 bis 14 t/ha. Der Haken: Dieses Niveau erreichen nur Sorten des alten Typs wie Ritmo oder aktuell Tobak (siehe Kasten). Natürlich sind ertragsstarke Sorten keine Selbstläufer: Für 130 dt/ha muss eine Sorte 25 000 Körner je m² produzieren und gleichzeitig 52 g TKM erreichen (Übersicht 1). Das ist selbst für Korndichtetypen eine enorme Herausforderung.


In der Praxis kommen wir mit aktuellen Sorten meist nur auf 20 000 bis 22 000 Körner je m² und verschenken damit bei günstiger Witterung 10 bis 20 % des möglichen Ertrages. Vergleicht man alte, ertragsstarke Sorten wie Ritmo oder aktuell Tobak mit neuen, weniger Fusarium-anfälligen Sorten, zeigen sich vier deutliche Unterschiede im Wachstumsverhalten:


Ab Bestockungsbeginn benötigt eine alte Sorte 70°C Temperatursumme, um ein Blatt oder einen Nebentrieb zu entwickeln. Bei einer Aussaat um den 20. September hat sie nach 660 °C drei Triebe mit mindestens drei Blättern im Herbst gebildet (Übersicht 2, Seite 61). Ab drei Blättern kann ein Trieb eigene Kronenwurzeln bilden und ist im Frühjahr vital genug, eine gute Ähre hervorzubringen. Mit diesen Sorten war es überhaupt kein Problem, 600 Ähren je m² mit 200 Pflanzen je m² hinzustellen.


Fusarium-Anfälligkeit und die Gefahr des Überwachsens nach langem Herbst und mildem Winter forderten eine züchterische Lösung. So stehen uns jetzt gesündere Sorten zur Verfügung, die sich im Herbst aber wesentlich langsamer entwickeln (Übersicht 2). Sie benötigen 100 °C Temperatursumme je Blatt, sodass sie nach einer Aussaat am 20. September auch nach einem milden Winter nicht überwachsen. Selbst ex­treme Frühsaaten in der ersten Septemberwoche überleben bislang nahezu ungestraft.


Dieser Vorteil hat aber seinen Preis. Bei 100 °C je Blatt hat eine Pflanze nach 660 °C zwar zwei Nebentriebe gebildet, aber nur der Haupttrieb kann noch im Kurztag Kronenwurzeln bilden.


Da die Wurzeln im Langtag vor allem in die Tiefe wachsen, bleiben die Nebentriebe schlecht bewurzelt. Als Folge sind diese stressanfälliger für Trockenheit und Nässe.


Trennt sich während des Schossens die Verbindung zum Haupttrieb, können sie sich aus größerer Bodentiefe kaum noch eigenständig mit Nährlösung versorgen. Nach dem Ährenschieben sieht man dann viele Nebentriebe, die kleine, schlecht entwickelte Ähren haben. Intuitiv drillen daher viele Betriebe wieder dichter, um diesen Nachteil durch einen höheren Anteil an guten Haupttrieben auszugleichen und verzichten damit lieber auf den zweiten Nebentrieb. Damit sind wir aber immer noch nicht auf dem Leistungsniveau „alter“ Sorten.


Höhere Erträge erzielt man am leichtesten durch eine größere Kornzahl je Ähre. Diese zu erhöhen, ist ressourcen- und wassersparender, als die Ährendichte oder die TKM zu steigern. Je früher das Schossen beginnt, desto größer ist die Kornzahl. Züchterisch hat man dies durch ein Verkürzen des Tageslängenanspruchs erreicht. Während „alte“ Sorten erst ab 14 Stunden Tageslänge zu schossen begannen, kommen viele neue Sorten mit deutlich kürzerer Tageslänge ins Schossen. Bei sehr früher Saat, und nach einem langen milden Herbst, wie z. B. 2014, 2013 oder 2006, genügt allein die Zunahme der Tageslänge nach Weihnachten, um den Schossreiz auszulösen. Dass damit auch die Auswinterungsgefahr steigt, haben wir 2012 erfahren.


Neue Sorten wachsen anders: Die Blattenwicklung schreitet viel schneller voran als die Entwicklung der Ähre! Während bei „alten“ Sorten Trieb- (Bestockung) und Ähren­entwicklung parallel liefen, befinden sich neue, frühe Sorten bereits im Schossen, wenn sich die Ähre differenziert. Aus hormoneller Sicht entsteht deshalb eine Konkurrenzsituation zwischen Pflanze und Ähre. Das ist eine weitere Ursache für die schlechte Ährenausbildung, trotz früher Aussaat.


Ältere, ertragsstarke Korndichte-typen hatten kompakte, voll besetzte Ähren. Sie konnten in der Mitte der Ähren bis zu fünf Körner ausbilden und reduzierten an der Basis nur ein bis zwei Ährchen.


Moderne Sorten sehen ganz anders aus: An der Basis der Spindelähren sind meist mehrere Ährchen reduziert. Die Ährchen an der Spitze sind schlecht eingekörnt und in der Mitte finden sich meist nur drei Körner pro Ähre. Hohe Korndichten sind damit nicht möglich!


Ziehen wir eine kurze Bilanz: Heute stehen uns zwar Weizensorten zur Verfügung, die frühsaatverträglich sind, sich nicht überwachsen und durch frühes Schossen eine hohe Kornzahl erzielen sollten. Auch wenn das Ansinnen verständlich ist, mit diesen einfach zu führenden, Fusarium-toleranten Sorten hohe Erträge zu erreichen, sieht es in der Praxis anders aus. Wir müssen für eine gute Einzelpflanzenentwicklung heute früher und mit höherer Saatstärke drillen, riskieren kranke und ausgewinterte Bestände und erreichen selbst auf Topstandorten trotzdem keine Spitzenerträge, weil die Nebentriebe häufig zu schwach und stressanfällig (Trockenheit, Nässe) geworden sind.

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