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Wenn Grünlandprobleme beim Richter landen

Lesezeit: 7 Minuten

Misslungene Nachsaaten oder „ausgehungerte” Pachtflächen können zum teuren Streitfall werden. Fälle und Lösungen aus der Praxis schildert Dr. Wolfgang Waßhausen, Nordenham.


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Die Neuansaat gelingt aus scheinbar unerklärlichen Gründen nicht oder Pächter und Verpächter streiten sich über die Kosten der Aufdüngung von Grünlandflächen nach Pachtende – meist geht es bei solchen Streitfällen um mehrere Tausend Euro. Nicht selten zieht eine der Parteien vor Gericht. Das muss nicht sein. Oft lässt sich ein teures Gerichtsverfahren vermeiden, wenn ein Fachmann den Ursachen bzw. Gründen für den Streit vorher auf den Grund geht. Das zeigen drei Fälle aus der Praxis mit überraschendem Ausgang:


Gräserkeimlinge sterben nach Neuansaat ab


Landwirt Heiner Dittmann (Name von der Redaktion geändert) hatte seinem Lohnunternehmer den Auftrag erteilt, eine Schlitzsaat als Neuansaat durchzuführen. Nach dem Abtöten und Abräumen der Altnarbe führte dieser die Neuansaat mit der Schlitzdrille durch. Da Gräser Lichtkeimer sind, hatte Dittmann den Lohnunternehmer angewiesen, flach zu drillen.


Nach ca. zwei Wochen waren die Drillreihen gut zu erkennen. Nach weiteren zwei Wochen wunderte sich der Landwirt, dass einige Keimlinge abstarben. Nach weiteren zwei Wochen waren deutliche Lücken im Bestand zu erkennen. Zwei Monate nach Aussaat reklamierte Dittmann die Arbeit beim Lohnunternehmer als nicht ordnungsgemäß durchgeführt.


Dittmann geht es wie den meisten Menschen: Es fällt ihm schwer, eigene Fehler einzugestehen, zumal dieser finanziell stark zu Buche schlägt. So sucht er die Ursache für das Misslingen der Neuansaat beim Lohnunternehmer. Sein Vorwurf: Dieser soll die Schlitzdrille nicht richtig eingestellt haben. Der Lohnunternehmer weist die Vorwürfe mit dem Hinweis darauf zurück, die Schlitzsaat nach der Arbeitsanweisung des Landwirts durchgeführt zu haben. Daraufhin nahm Dittmann seinen Saatgutlieferant ins Visier. Es kam zum Prozess vor dem Amts-gericht.


Der Fall war einfach zu lösen: Auf stark humosen Böden, um die es sich bei Dittmanns Flächen handelt, bindet der Humus bevorzugt Calcium- und Magnesiumionen. Alle mit der Düngung direkt (Kalk) oder indirekt (Stickstoff-, vor allem aber Phosphatdünger) zugeführten Calcium- und Magnesiumionen werden unmittelbar an der Oberfläche sorbiert, das heißt, am Bodenkolloid angelagert. Die Folge: Der pH-Wert steigt und kann in der obersten Bodenschicht sehr hohe Werte annehmen. Aber schon wenige Millimeter darunter liegt er wieder auf dem Niveau des Ausgangswertes.


„Chemischer Zaun“ stoppt junge Graswurzel


Hohe pH-Wertunterschiede sind vor allem auf sehr alten, bisher nicht umgebrochenen Grünlandnarben die Regel. Unterschiede von 1 bis 2 pH-Werten sind nicht selten. Hier liegt das Problem: Die junge Graswurzel kann starke Änderungen im pH-Wert nicht überwinden. Diese wirken wie ein „chemischer Zaun“. Meist stirbt die junge Graswurzel dabei ab.


Eine weitere Folge der oberflächennahen Anreicherung von Calcium- und Magnesiumionen ist, dass mineralisch gedüngtes Phosphat als Calciumphosphat gebunden wird. So entwickelt sich über eine längere Zeit neben einem pH-Wertprofil auch ein Nährstoffprofil. Manche Berater sprechen in diesem Fall von ei-ner „Kopflastigkeit“ der Nährstoffe. Das Problem ist, dass die klassische Bodenuntersuchung die Bodenproben aus einer Tiefe von 0 bis 10 cm entnimmt und damit diese Zusammenhänge nicht aufdeckt.


Fazit aus dieser Erkenntnis: Bevor Sie auf alten, mit hohen Mineraldüngergaben bewirtschafteten Flächen das Schlitzdrillverfahren einsetzen, sollten Sie den Boden auf den pH-Wert- und Phosphat-Unterschied in der oberen Bodenschicht untersuchen lassen.


Durch den vom Gericht beauftragten Gutachter endete das Verfahren mit einem Vergleich. Dies sparte weitere Ge­richts- und Anwaltskosten.


Murks durch Mursch


Ein ähnliches Desaster, nur auf einem völlig anderen Standort, erlebte Landwirt Jan Bohm (Name von der Redaktion geändert). Auf seinem Niedermoor-Standort ließ er auf seiner Altnarbe ebenfalls eine Nachsaat im Schlitzdrillverfahren vom Lohnunternehmer durchführen. Der Mineraldüngeraufwand auf Bohms Grünland ist relativ hoch. Erste Schäden zeigten sich auf seinen Flächen aber erst sechs bis acht Wochen nach der Schlitzsaat.


Die Lösung dieses Falles war besonders kniffelig, setzte sie doch neuere bodenkundliche Kenntnisse voraus. Die auf dem Grünland anfallende natürliche organische Masse verwittert (chemisch, physikalisch) und zersetzt sich (biologisch). Das Endprodukt dieser drei Pro­zesse ist Humus. Dieser vermischt sich u.a. durch Regenwurmtätigkeit mit dem Bodensubstrat. Er bildet damit den humushaltigen Oberboden. Zwischen der zeitweise trockenen Krume und dem stets durchfeuchteten Unterboden liegt auf einem Moorstandort eine Zone besonders intensiver biochemischer Umsetzung. Der Torf zersetzt sich und formiert sich bodenchemisch zu einer neuen Substanz: Dem so genannten Mursch.


Die Murschbildung ist umso stärker, je mehr Stickstoff der Boden von außen erhält. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um mineralischen oder organischen Stickstoff handelt. Da das Niedermoor einen hohen bodenbürtigen N-Vorrat besitzt, ist dieser Standort stärker von der Murschbildung gefährdet als der Übergangsmoor-Standort. Aber auch Hochmoor kann durch übermäßige N-Düngung zur Vermurschung gebracht werden. Nach bisherigem Kenntnisstand setzen Vermurschungsprozesse ein, wenn die Gesamt-N-Anlieferung je ha und Jahr 200 kg überschreitet. Die bodenbürtige N-Anlieferung ist dabei eingerechnet. Der Vermurschungsprozess wird nach mindestens 15 bis 20 Jahren sichtbar.


Im feuchten Zustand verhält sich Mursch genauso wie Ton und fühlt sich ebenso schmierig an. Es sind auch keine Pflanzenreste mehr erkennbar. Bei ausreichenden Niederschlägen bildet Mursch aufgrund seiner Neigung zu Haftnässe einen Stauhorizont im Boden. Die junge Graspflanze kann mit ihrer zarten Wurzel diesen Horizont nicht durchdringen. Nachdem sie das Wasser der obersten Bodenschicht verbraucht hat, stirbt sie ab. Bei noch stärkeren Niederschlägen steht das Wasser auf der Fläche, obwohl die eventuell vorhandene Dränung in Ordnung ist. In diesem Fall erstickt die junge Graspflanze in dem Oberflächenwasser.


Im ausgetrockneten Zustand verhält sich Mursch wie Kies, das heißt, er hat keine wasserhaltende Kraft. Er ist dann sogar hydrophob (wasserabstoßend) und sieht aus wie scharfkantiger Kies. Die Aggregate sind äußerst schwer benetzbar und zerfallen erst nach langer Befeuchtung. Die Schlitzsaat läuft auf und vertrocknet dann plötzlich, weil der Mursch­horizont eine Trockenschicht für die jungen Wurzeln darstellt.


Nachdem Jan Bohm und der Lohnunternehmer einen landwirtschaftlichen Sachverständigen hinzugezogen hatten, legte dieser den Streit zur Zufriedenheit aller Beteiligten bei, so dass keine Ge­richts- und Anwaltskosten entstanden.


„Chemischer“ Zaun oder Mursch?


Ist ein Murschhorizont vorhanden, sterben die Pflanzen im 1- bis 2-Blatt-Stadium, manchmal aber auch erst im 3-Blatt-Stadium ab. Besteht ein „chemi­scher Zaun“, beginnen sie unmittelbar nach der Keimung abzusterben, und zwar sobald die Keimwurzel die oberflächennahe Bodenschicht verlässt.


Doch nicht immer verabschiedet sich der neu an­gesäte Grasbestand komplett, denn im Gegensatz zu Getreidepflanzen sind Gräser stark bestockungsfähig. Das ist der Grund, weshalb viele anfangs schwächlich aussehende Bestände sich dann doch noch erholen, sofern die Witterung dies zulässt. Überstürzte Ent-schlüsse zum Umbruch des Grünlandes sind in den meisten Fällen daher nicht angebracht.


Ärger ums Aufdüngen


Zum Ärgernis werden häufig tatsächliche oder vermeintlich “ausgehungerte” Böden. So kam es auch zum Prozess zwischen einem nicht aus der Landwirtschaft stammenden Industriellen (Verpächter) und einem holländischen Landwirt, der den Hof gepachtet und die Flächen unter hohem Betriebsmitteleinsatz langjährig bewirtschaftet hatte. Bei Pachtende verglich der Industrielle die Bodenuntersuchungswerte in den Hauptnährstoffen und stellte fest, dass deren Bodengehalte während der Pachtzeit erheblich gesunken waren. Durch einen Bekannten ließ er sich ausrechnen, wie viel Geld das Aufdüngen auf die Ausgangswerte bei Pachtbeginn kosten würde und forderte eine entsprechende Summe. Der scheidende Pächter lehnte dieses Ansinnen ab.


Bei Durchsicht der Gerichtsakte fiel dem Gutachter auf, dass zwar richtigerweise die Kennwerte der Hauptnährstoffe gesunken, aber die Werte der Mikronährstoffe erheblich gestiegen waren. Das Gericht beauftragte daraufhin den Gutachter, den geldwerten Vorteil der Mikronährstoffaufdüngung zu berechnen. Da die Mikronährstoffe finanziell erheblich zu Buche schlagen, ergab die Saldierung, dass der abgehende Pächter nichts für die Aufdüngung bezahlen musste, sondern er noch Geld von seinem Verpächter erstattet bekam.

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