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Mutterkorn – wie ist die ­Gefahr einzuschätzen?

Noch immer ist Mutterkorn ein Thema. Eine Analyse von Rohdaten des Max Rubner-Instituts zeigt aber, dass die Züchter das Problem immer besser in den Griff bekommen.

Lesezeit: 5 Minuten

Früher galt Roggen als Kultur der Grenzstandorte und war selbst als Futtergetreide nicht immer gern gesehen. Gefürchtet war von vielen Anbauern das Mutterkorn. „Heute hat sich die Situation grundlegend geändert“, erklärt Dr. Andres Gordillo, Zuchtleiter Roggen von KWS. Die Gründe dafür hat er uns bei einem Besuch erläutert.

Neue, niedrigere Grenzwerte

Generell – so der Züchter – empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die „konsequente Anwendung landwirtschaftlich und technologisch guter Herstellungspraktiken mit dem Ziel, die Gehalte an Mutterkornalkaloiden in Roggenerzeugnissen zu minimieren“. Die Produktion und Verwertung von Lebensmitteln werden somit zunehmend aus Sicht der gesundheitlichen Unbedenklichkeit diskutiert.

Die EU-Kommission will deshalb die Grenzwerte für den Sklerotienbesatz in Brotroggen von 0,05 auf 0,02 % senken. Zudem wird sie die Mutterkorn-Alkaloidgrenze für Brotroggen von 500 auf 250 μg/kg reduzieren. Diskutiert wird momentan auch eine Absenkung der Grenzwerte für die Tierfütterung.

Sorten – mehr Pollen, ­weniger Mutterkorn?

„Um die Grenzwerte einzuhalten, ist neben ackerbaulichen Maßnahmen die Wahl mutterkorntoleranter Roggensorten essenziell“, sagt Andres Gordillo. „Wie gut die Sorten den Mutterkornpilz abwehren können, hängt maßgeblich von ihrer Pollenschüttung ab. Denn generell gilt Folgendes: Erfolgt die Bestäubung rechtzeitig, schließen sich die Ährchen schneller, was die Gefahr des Eindringens von Mutterkornsporen senkt. Die PollenPLUS-Technologie von KWS soll die Pollenschüttung durch Einkreuzung von Genen aus genetischen Ressourcen verbessern und so zu einer erhöhten Mutterkornabwehr führen.“

Um den Effekt der Pollenschüttung unabhängig bestimmen und bewerten zu können, eignet sich in erster Linie die „Besondere Ernte- und Qualitätsermittlung (BEE)“ des Max Rubner-Instituts (MRI). Es ist eine Forschungs- und Beratungseinrichtung des Bundes im Bereich Ernährung und Lebensmittel.

Jedes Jahr wird in diesem Rahmen eine repräsentative Erhebung der wesentlichen Produktionsdaten von Getreide in Deutschland durchgeführt. Bei Winterroggen erfolgt zusätzlich eine bundesweite Qualitätserhebung hinsichtlich des Mutterkorngehalts. Betrachtet man innerhalb dieser Erhebung z. B. die Jahre 2017 bis 2023, wurden in dieser Zeit 5.609 Volldrusch-Muster geprüft (durchschnittlich 801 Muster/Jahr). Der Mutterkornbesatz wird hierbei im Erntegut unter natürlichen Infektionsbedingungen nach einem festen Protokoll erfasst. Ein wichtiger Vorteil der BEE ist, dass im Vergleich zu Parzellenversuchen keine verzerrende Nachbarschaftseffekte durch Pollenflug auftreten.

„Verrechnet man die BEE-Daten von 2017 bis 2023 und gruppiert man sie nach Populationssorten, PollenPLUS-Hybriden und Nicht-PollenPLUS-Hybriden, lassen sich die Effekte der Sortengruppen über Jahre und Bundesländer getrennt über eine statistische Analyse (gemischtes Modell) schätzen“, erklärt Züchter Gordillo. Die Ergebnisse dieser Analyse sind in Übersicht 1 dargestellt.

Hier zeigt sich, dass Populationssorten im Mittel mit 0,040 % den geringsten Mutterkornbefall aufweisen, dicht ­gefolgt und nicht signifikant unterschiedlich von PollenPLUS-Hybriden (0,048 %). Nicht-PollenPLUS-Hybriden zeigen im Mittel ein ca. 2,4-mal (signifikant) höheres Mutterkornniveau. Diese Analyse belegt laut Gordillo den positiven Effekt einer erhöhten Pollenschüttung von Populationsorten und PollenPLUS-Hybriden hinsichtlich Mutterkornabwehr.

­Einige Anbauer fragen sich, wie gut die Ausprägungsstufe (APS) für Mutterkorn des Bundessortenamtes (BSA) die Mutterkorntoleranz von Roggensorten in der Praxis wirklich vorhersagt. „Um dies zu prüfen, haben wir die Sortennamen von KWS-PollenPLUS-Hybriden aufgeschlüsselt und nach Ausprägungsstufe gruppiert“, so Gordillo.

„Die Ergebnisse in Übersicht 2 zeigen, dass innerhalb der Sortengruppe mit APS 3 der Mutterkornbefall in der BEE (2017 bis 2023) konsistent am niedrigsten ist. In der KWS-Sortengruppe mit APS 4 ist der Mutterkornbefall im Durchschnitt wie erwartet höher und weist ein breiteres Befallsspektrum auf. Dennoch schneiden PollenPLUS-Hybriden besser als die Gruppe von Nicht-PollenPLUS-Hybriden ab.“

Zwischenfazit

Die Analyse zeigt, dass die APS-Einstufungen des Bundessortenamtes gut mit den Ergebnissen der KWS aus der statistischen Analyse von Rohdaten des MRI übereinstimmen. Ferner lässt sich laut Andres Gordillo aus diesen Daten ableiten, dass die Stabilität der Mutterkorntoleranz einer Roggensorte in der landwirtschaftlichen Praxis mit ihrem Pollenschüttungsvermögen steigt.

„Daher verfolgt KWS eine Strategie in Richtung zuverlässig höhere Pollenschüttung“, so der Züchter. Andere Zuchtunternehmen mischen dem Saatgut zur Sicherstellung einer raschen Bestäubung 10 % Populationsroggen zu.

Wie hoch ist das Risiko einer Grenzwertüberschreitung?

Eine weitere wichtige Frage ist, wie wahrscheinlich es ist, die Mutterkorngrenzwerte abhängig vom Sortentyp zu überschreiten. „Das hängt unter anderem vom Jahr und Standort ab“, so Gordillo. „Dennoch zeigen auch die Daten der BEE, wie hoch dieses Risiko im Durchschnitt über alle Mutterkornproben im Zeitraum 2017 bis 2023 ist.

Dass das Risiko einer Mutterkorn-grenzüberschreitung mit einem erhöhten Pollenschüttungsvermögen abnimmt, ist in Übersicht 3 dargestellt.“ Demnach lag die Wahrscheinlichkeit, dass Brotroggen die neuen, schärferen Grenzwerte (0,02 %) überschreitet, nach Gordillos Zusammenfassung der BEE-Daten bei ca. 14 % für Populationssorten, 22 % für PollenPLUS-Hybriden und ca. 33 % für Nicht-PollenPLUS-Sorten.

Die Übersicht zeigt ebenfalls, wie wahrscheinlich es ist, den aktuellen (0,10 %) und potenzielle zukünftige Grenzwerte für Futterroggen nicht einhalten zu können. 

Bei einer Grenzwertüberschreitung ist es auch relevant, wie stark diese ist.Denn das ist in Bezug auf die Maßnahmen wichtig, mit der man das Erntegut reinigen will. Für den neuen Brotroggengrenzwert von 0,02 % zeigen Gordillo zufolge die BEE-Daten (2017 bis 2023) des MRI für Populationssorten und PollenPLUS-Hybriden ein ähnliches mittleres Mutterkorngewicht unter den Proben, die über dem Grenzwert liegen. Hier lag der Mutterkornanteil im Erntegut bei ca. 0,17 bis 0,2 %, während dieser Wert für Nicht-PollenPLUS-Hybriden ca. 1,5-mal höher war.

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