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Pflanzenschutz: Wenn die Wirkstoffe schwinden…

Virosen, Cercospora, Maiszünsler, Ramularia: Herausforderungen gibt es im Ackerbau genug. Über Lösungen haben wir mit Matthias Hoppert, Landwirtschaftliche Beratungs-Organisation, gesprochen.

Lesezeit: 7 Minuten


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Schnell gelesen

  • Vor allem in Rüben tun sich momentan Behandlungslücken im Pflanzenschutz auf. Ob z. B. Prothioconazol eine Zulassung gegen Blattkrankheiten in Rüben erhält, bleibt zu hoffen.
  • Bei Mais gilt es, die Zünsler im Griff zu halten. Neben der chemischen Bekämpfung und dem Einsatz von Trichogramma kommt dem Zerkleinern von Maisstoppeln eine große Bedeutung zu.
  • In Getreide bleibt Ramularia in Gerste eine der wichtigsten Krankheiten. Für den Wirkstoff Folpet ist eine Notfallzulassung wahrscheinlich.
  • Rapsanbauer müssen unbedingt höchsten Wert auf die Schädlingskontrolle legen.



Farm-to-Fork, Ackerbaustrategie und Insektenschutzpaket – alle Ansätze fordern u. a. eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln. Dazu kommt der seit Jahren andauernde Wirkstoffverlust. Gibt es bereits jetzt Behandlungslücken in einigen Kulturen im Süden?

Hoppert:In der Tat gibt es bereits erhebliche Behandlungslücken – beginnend bei der Ramulariabekämpfung in Wintergerste über die Schädlingskontrolle im Raps bis hin zur Pathogen- und Schädlingskontrolle in Rüben.

In Rüben trat vor allem im Südwesten gerade einmal zwei Jahre nach dem Verbot der neonikotinoiden Beizen massiver Befall mit viröser Rübenvergilbung auf. Wie war die Situation 2021?

Hoppert:Nicht zuletzt wegen der feucht-kühlen Witterung war die Situation in diesem Jahr eher überschaubar. Zudem stand 2021 für Regionen, die im Vorjahr große Verluste durch die viröse Vergilbung hinnehmen mussten, per Notfallzulassung der insektizide Wirkstoff Thiamethoxam zur Beizung des Saatgutes zur Verfügung. Dies entspannte die Lage erheblich.

Der Gesprächspartner:Matthias Hoppert betreut knapp 70 landwirtschaftliche Betriebe in Nordbayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Tschechien. Kernpunkte seiner praxisorientierten Beratungstätigkeit sind neben der klassischen Düngungs- und Pflanzenschutz-beratung vor allem die Steigerung der Bodenfruchtbarkeit und der Pflanzenvitalität auf Basis wissenschaftlich belastbarer Erkenntnisse.

In welchen Fällen müssen Rübenanbauer mit einem hohen Druck durch die viröse Vergilbung rechnen? Sind Notfallzulassungen für Neoniks in der kommenden Saison denkbar?

Hoppert:Mit einem hohen Druck muss man immer dann rechnen, wenn sich die Virusvektoren, hier im Speziellen die Grüne Pfirsichblattlaus, ideal entwickeln und verbreiten können. Das ist der Fall, wenn auf einen milden Winter ein trocken-warmes Frühjahr folgt. Eine Notfallzulassung von Neonikotinoiden zur Beizung wird es in der kommenden Anbausaison nicht geben. Dieser hat das BVL im November eine klare Absage erteilt. Ist der Befallsdruck hoch, gilt es frühzeitig zu reagieren. Weil die Grüne Pfirsichblattlaus unmittelbar nach dem Zuflug in den Bestand eine Vielzahl an Probestichen durchführt und damit binnen kürzester Zeit etliche Rübenpflanzen infizieren kann, darf man den optimalen Bekämpfungszeitpunkt nach Schadschwellenprinzip keinesfalls verpassen. Sonst läuft der ganze Infektionszyklus aus dem Ruder. Bei Befall ist es wichtig, umgehend mit den uns zur Verfügung stehenden Insektiziden Pirimor oder Teppeki zu reagieren. Hilfreich wäre es sicherlich, wenn wir eine dauerhafte Zulassung von Carnadine in Rüben erhalten.

Kopfschmerzen bereiten den Rübenanbauern auch die zunehmenden Resistenzen von Cercospora gegenüber Fungiziden. Gibt es noch Lösungen, vor allem für die bayerischen Starkbefallsgebiete?

Hoppert:Die Hoffnung besteht darin, eine Zulassung für Prothioconazol in der Rübe zu erhalten, wie es sie z. B. in der Schweiz gibt. Denn den Wirkstoff Epoxiconazol darf man in der kommenden Saison nicht mehr nutzen. Wichtig ist, dass kupferhaltige Produkte, die unterstützend wirken, per Notfallzulassung wieder genehmigt werden. Einen großen Beitrag muss zukünftig die Sortenresistenz leisten, die derzeit jedoch nicht allein die Lösung des Problems sein kann. Mehr denn je kommt es darauf an, den Infektionsdruck durch ackerbauliche Maßnahmen wie intensive Bodenbearbeitung oder erweiterte Fruchtfolgen so gering wie möglich zu halten. Darüber hinaus spielt die Pflanzenfitness eine entscheidende Rolle. Dazu gehört in erster Linie eine optimale Nährstoffversorgung mit Kalium und Magnesium.

Mais: Maiszünsler und Drahtwürmer bringen Herausforderungen

Auch Maisanbauer stehen vor Herausforderungen. Vor allem im Süden ist eine Maiszünslerrasse, die zwei Generationen pro Jahr bildet, weit verbreitet. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Hoppert:Im Süden nimmt der Befall mit Maiszünslern bereits große ökonomische Auswirkungen an. Einen Kernpunkt stellt in den Starkbefallslagen die chemische Bekämpfung dar. Aber auch der Einsatz von Trichogramma-Schlupfwespen hat sich teils als wirkungsvoll erwiesen, reicht aber bei Starkbefall häufig nicht aus. Die Anwendung sollte in Regionen mit wenig oder kaum Befallsdruck daher von Anfang an durchgeführt werden, um die Population klein zu halten. Vorbeugend ist es natürlich wichtig, die Maisstoppeln gut zu zerkleinern. Um hier aber wirksame Effekte zu erzielen, muss jeder Maisanbauer solidarisch innerhalb der betreffenden Gemarkung diesen Mehraufwand durchführen.

Im Jahr 2020 haben Drahtwürmer im Mais insbesondere in Niederbayern massive Schäden in den Beständen verursacht. Nimmt das Problem insgesamt zu? Gibt es Lösungen dafür?

Hoppert:Ich würde per se nicht von einer Zunahme des Problems sprechen. Vielmehr wird uns erstmals bewusst, welches Erregerpotenzial seit dem Wegfall der neonikotinoiden Beizmittel in unseren Böden schlummert. Tendenziell ist zu beobachten, dass die abnehmende Intensität der Bodenbearbeitung in den letzten beiden Jahrzehnten zu einer Zunahme von Schaderregern geführt hat. Um aber den Lebensraum des Drahtwurms zu zerstören, werden wir die Bodenbearbeitungsintensität wieder steigern müssen. Auch wenn dies zulasten eines Teils der Biodiversität geht.

Getreide: Ramularia in den Griff bekommen

Betrachten wir Getreide, ist in der Gerste Ramularia die wichtigste Krankheit im Süden. Ist mit einer Notfallzulassung von Folpet zu rechnen?

Hoppert:Ramularia tritt mittlerweile fast bundesweit auf – wenngleich die Intensität von Süd nach Nord abnimmt. Insgesamt kann der Wirkstoff Folpet den Wegfall von Chlorthalonil teilweise kompensieren, auch wenn die Wirkungsgrade zum Teil deutlich geringer ausfallen. Zurzeit habe ich große Hoffnungen, dass es erneut zu einer Notfallzulassung für folpethaltige Fungizide kommt. Auch die Vertreter der Industrie sind momentan optimistisch.

Inwieweit können Sortenresistenzen helfen, Ramularia in den Griff zu bekommen?

Hoppert:Sortenresistenzen können helfen, das Risiko zumindest abzumildern. Damit die Kontrolle von Ramularia gelingt, benötigen wir aber beides: Wirksame synthetisch-chemische Pflanzenschutzmittel und eine vernünftige Sortenresistenz. Durch zu schnell restriktiv agierende Zulassungsbehörden riskieren wir vor allem in Süddeutschland den Gerstenanbau.

Raps: Bei Schädlingen unverzüglich handeln

Für Rapsanbauer ist vor allem die Schädlingskontrolle ein wachsendes Problem angesichts der zunehmenden Pyrethroidresistenz. Welche Schädlinge sind im Süden das Hauptproblem?

Hoppert:In den warmen Rheinniederungen Baden-Württembergs und den milden Mainregionen Unterfrankens spielt der Schwarze Kohltriebrüssler im Herbst eine entscheidende Rolle. Weil sich der Zuflug- und Eiablagezeitraum von Oktober bis in den Dezember hinein erstrecken kann, ist er leider schwer zu kontrollieren. Beim Rapsglanzkäfer sehe ich ebenfalls eher die warmen Regionen als stark gefährdet an. Sowohl der Gefleckte Kohltriebrüssler als auch der Rapsstängelrüssler sind mittlerweile in ganz Süddeutschland ein Problem. Hier darf man den Erstzuflug der beiden Schädlinge auf keinen Fall verpassen. Oft reichen wenige sonnige Tage im Februar mit 10 bis 12 °C aus. Sind die Schadschwellen überschritten, muss unverzüglich eine Behandlung mit Pyrethroiden erfolgen, auch wenn die Temperaturen danach wieder abfallen. War die Bekämpfung des Erstzuflugs erfolgreich, schließt das eine Zweit- oder Drittbehandlung allerdings nicht aus. Dabei ist es wichtig, strikt nach den Witterungsbedingungen und den Schadschwellen zu entscheiden.

Welche Maßnahmen sind gegen Rapsschädlinge am wichtigsten?

Hoppert:Die klimatischen Ansprüche der verschiedenen Schadinsekten müssen wir im Schlaf beherrschen, damit man wichtige Kontroll- und Bekämpfungstermine nicht verpasst. Ebenso essenziell ist die richtige Platzierung der Gelbschale im Schlag – denn andernfalls funktioniert das Schadschwellenprinzip, das ein Kerninstrument des Resistenzmanagements ist, nicht richtig. Generell ist beim Insektizideinsatz der Wirkstoffwechsel von größter Bedeutung. Hier sind uns aber mittlerweile die Hände gebunden.

Chemisch oder biologisch?

Vermehrt kommen auch biologische Mittel als Alternative zum chemischen Pflanzenschutz zum Einsatz. Im Versuchswesen ließen sich laut Matthias Hoppert zwar positive Effekte nachweisen – allerdings „unter standardisierten Laborbedingungen“, wie der Berater betont. Er weist darauf hin, dass im Freiland bei den gängigen Ackerbaukulturen Umwelt- und Standortfaktoren die Wirkung biologischer Präparate entscheidend beeinflussen können. „Hier reagieren die Produkte noch sehr empfindlich auf verschiedene Umwelteinflüsse“, sagt er. In aller Regel könnten bisher mögliche Effekte im Freiland nicht ausreichend reproduziert werden, um wissenschaftlich als nachgewiesen zu gelten. „Hier muss sich in puncto Praxistauglichkeit noch einiges tun“, merkt der Fachmann an.

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